MICHY BATSHUAYI PORTRÄT
Hoch aufgeschossene Bäume zäunen sie ein, diese grüne Oase. Diesen Ort, der für die Kinder aus der Nachbarschaft mit ihren zumeist grau in grau daherkommenden Reihenhäusern Freiheit bedeutet. Hier, im Parc Pirsoul, in Berchem Sainte-Agathe, einem Viertel von Belgiens Hauptstadt Brüssel, verbringt auch Michy Batshuayi in seiner Kindheit Stunde um Stunde. Der Problembezirk Molenbeek ist um die Ecke, ins Zentrum der Millionenmetropole geht es rund fünf Kilometer nach Südosten.
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"Das war eine sehr schöne Zeit. Ich spielte Fußball in den Parks, mit unzähligen anderen Kindern. Und ich kannte jeden dort", sagte Batshuayi mal über seine Heimat. Er hat es geschafft. Raus aus den beschaulichen Parks, rein in die große, weite Welt des Fußballs, über Lüttich und Marseille im Sommer 2016 für knapp 40 Millionen Euro zum FC Chelsea. Und möglicherweise, so brachten es zuletzt jedenfalls Medienberichte ins Spiel, demnächst als Nachfolger von Pierre-Emerick Aubameyang auch zu Borussia Dortmund.
Damals, im Parc Pirsoul, war schnell klar, dass Batshuayi einer der Besten, ziemlich sicher der Talentierteste war, wenn es ums Kicken geht. Er zockte fast immer mit Älteren, unter anderem mit Anthony Vanden Borre, der es später auch in Belgiens Nationalelf packte, für Genua, Portsmouth oder Anderlecht spielte. Trotz der teilweise ebenfalls enorm begabten Kumpels stach Batshuayi, dessen Eltern aus dem Kongo stammen und in den 1980er Jahren nach Belgien kamen, stets heraus, wurde als Zwölfjähriger schließlich vom damaligen belgischen Erstligisten FC Brüssel, der mittlerweile nicht mehr existiert, entdeckt.
Der Bruder von Batshuayi macht zunächst Probleme
Doch er blieb nur ein Jahr, ehe mit Anderlecht das wirkliche Schwergewicht der Stadt zuschlug. Ein wichtiger Schritt für den seinerzeit 13-Jährigen, ein Meilenstein auf seinem Weg, der ihn ganz nach oben führen, seinen Traum vom Profi wahr werden lassen sollte. Doch es sollte zunächst alles anders kommen.
Batshuayi, dessen kleiner Bruder Aaron Leya Iseka ebenfalls Profi ist und derzeit von Anderlecht an Zulte Waregem verliehen ist, machte Probleme, Disziplin war nicht seine Stärke. Fußballerisch zählte er zwar auch bei Anderlecht zu den herausragenden Erscheinungen, charakterlich war er allerdings noch weit davon entfernt, als reif durchzugehen. Da man bei Anderlecht neben der sportlichen auch sehr großen Wert auf die menschliche Komponente legte, blieb Batshuayi nur ein Jahr. Mit 14 erhielten seine Träume einen erheblichen Dämpfer, der RSC setzte ihn wegen Disziplinlosigkeit vor die Tür.
Batshuayi: "Ich war damals kein Engel"
"Sie hatten Recht damit, mich rauszuwerfen", betonte Batshuayi später. "Ich war damals kein Engel, um es freundlich auszudrücken." Batshuayi ging den Schritt zurück zum FC Brüssel, wurde demütiger, wusste, dass er sich zusammenreißen musste. Standard Lüttich gab ihm ein Jahr nach dem Rauswurf bei Anderlecht eine Chance, nahm den 15-jährigen Batshuayi auf - und machte ihn schon mit 17, im Februar 2011, zum Erstligastürmer.
Bis zum endgültigen Durchbruch dauerte es allerdings, erst in der Saison 2013/2014 ging Batshuayi bei Standard so richtig steil, erzielte 23 Tore in 49 Pflichtspielen. Schon in den Spielzeiten zuvor hatte er seine Dynamik, seine Beweglichkeit, seine Spielintelligenz, die starke Ballkontrolle- und -behauptung regelmäßig gezeigt, allein die Effektivität vor dem Tor zuweilen vermissen lassen. Eine Schwäche, die er in den letzten Jahren minimierte.
GoalDas Kuriose: Ist er eigentlich ein Typ, der schnell ins Spiel findet, daher auch als Joker oft gut funktioniert, benötigt er in größerem Rahmen immer seine Zeit, um sich anzupassen. So hatte Batshuayi, der sich abends oft Spongebob-Cartoons anschaut, um einzuschlafen, schon 2014/15 in seiner ersten Saison in Marseille, das ihn für sechs Millionen Euro aus Lüttich geholt hatte, Probleme. Er spielte wenig, musste sich über Kurzeinsätze empfehlen - und tat genau das irgendwann auch.
Im Februar 2015 gelang ihm nach seiner Einwechslung innerhalb von nur vier Minuten ein Doppelpack gegen Saint-Etienne, einige Wochen später gegen Lens brauchte er nur wenige Sekunden für sein Jokertor. In seinem zweiten Jahr in Frankreich war er schließlich Stammspieler, war die Nummer eins im Sturm. Und ohne Batshuayis 17 Ligatreffer hätte Marseille vermutlich bis zuletzt um den Klassenerhalt zittern müssen.
Chelsea kam um die Ecke, legte 40 Millionen auf den Tisch. Und holte Batshuayi, obwohl dem weiterhin der Ruf der mitunter laschen Einstellung vorauseilte. 2013 war er vor einem Turnier aus Belgiens U21-Nationalelf geflogen, weil er in der Vorbereitung unerlaubterweise Frauen auf sein Zimmer einlud. Das Laissez-Faire hat er wohl bis heute nicht ganz abgestreift. "Er ist der Beste ... wenn er will", sagte der frühere Gladbach-Angreifer Igor De Camargo, der Batshuayi aus Standard-Zeiten kennt, mal über den 13-fachen A-Nationalspieler. "Aber er will es nicht immer", ergänzte De Camargo. "Ich habe immer versucht, ihm mit den kleinen Feinheiten zu helfen. Aber er hat nur selten zugehört."
Batshuayi und die ungewisse Zukunft
Fehlender Ehrgeiz ist jedoch sicherlich nicht der Hauptgrund dafür, dass Batshuayi bei Chelsea derzeit vor einer ungewissen Zukunft steht. Vielmehr ist es die Konkurrenz, die mehr Einsatzzeit verhindert. "Er muss mir zeigen, dass er besser als Morata oder Hazard ist", sagte Blues-Trainer Antonio Conte Ende Dezember. "So einfach ist das."
Getty ImagesVergangene Spielzeit, in Chelseas Meistersaison, stand Batshuayi erst im 37. Premier-League-Spiel erstmals in der Startelf. Zumindest das Ende war dann versöhnlich, in den letzten drei Partien gelangen dem Belgier vier Tore, darunter der Treffer zum 1:0 gegen West Bromwich, der den Titel sicherstellte. "Eine wundervolle Erfahrung", schwärmte Batshuayi und kündigte an, eine weitere Saison als Bankangestellter nicht akzeptieren zu können. "Nein, nein, nein. Jeder weiß, dass ich mehr spielen muss, Tore schießen muss. Nächstes Jahr ist WM."
Auch in der aktuellen Runde muss sich Batshuayi aber nach wie vor hinten anstellen. Nun nicht mehr hinter Diego Costa, sondern hinter Alvaro Morata. Ein Wechsel auf Leihbasis steht daher im Raum. Nach Goal-Informationen will Batshuayi zum FC Sevilla, wie schon erwähnt, ist auch Borussia Dortmund ein heißer Kandidat, sollte Aubameyang den BVB verlassen. Batshuayis Empfehlung wäre trotz fehlenden Stammplatzes seine Torquote: Zwölf Buden sind ihm 2017/18 in 26 Pflichtspieleinsätzen gelungen, im Schnitt netzt er alle 96 Minuten.
Indizien dafür, dass Batshuayi noch viel besser werden kann, wenn man ihn denn lässt. Und wenn er selbst es richtig anstellt, ohne Allüren einfach nur Fußball spielt. Wie damals im Parc Pirsoul, als ihn im Viertel jeder kannte.
Lest auch: Batshuayi und Co. - die möglichen Auba-Nachfolger beim BVB
Die wichtigsten Infos zu Michy Batshuayi
- Nationalität: belgisch
- Geburtstag: 02.10.1993
- Größe: 1,85 Meter
- Position: Mittelstürmer
- Aktuell bis zum 30.6.2021 beim FC Chelsea unter Vertrag
- Marktwert (laut transfermarkt.de): 25 Millionen Euro
- Der Belgier wuchs in schwierigen Verhältnissen auf und sagt selber über sich, dass er "kein Engel" war
- Nach dem Wechsel zum FC Chelsea konnte Batshuayi seine Ablösesumme nie wirklich rechtfertigen.
- Jetzt könnte Michy Batshuayi beim BVB Pierre-Emerick Aubameyang beerben


