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Mesut Özil im Goal-Interview: "Werde meine Körpersprache nicht mehr verändern"

Mesut Özil hat in seinem Leben schon eine Menge verschiedener Kulturen erlebt und auch in seiner Karriere als Sportler viele Höhen und auch einige Tiefen mitgemacht. Der Mittelfeldstar des FC Arsenal ist ein Spieler, der den Unterschied machen, aber auch polarisieren kann. Körpersprache, geniale Ballbehandlung, Vertragsverhandlungen oder das neuerliche frühe Aus in der Champions League: Özil ist oft in den Schlagzeilen. Gerade in einer Multi-Kulti-Stadt wie London, die so prima zu ihm zu passen scheint.

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Goal traf den 28 Jahre alten Weltmeister in London an einem für ihn besonderen Ort zum Interview: im türkischen Restaurant Likya Ocakbasi nahe der U-Bahn-Station Golders Green. Hier ist Özil häufig zu Besuch und hier fühlt er sich pudelwohl.

Herr Özil, was lieben Sie so sehr an London?

Mesut Özil: Ich liebe es einfach, hier zu leben, London ist eine Weltstadt. Man kann vieles unternehmen, ich fühle mich sich sehr, sehr wohl, man hat viele Kulturen. Der Verein ist riesig. Mir macht es Spaß, für solch einen Klub spielen zu können. Das Leben in London ist einfach überragend.

Was mögen Sie an diesem türkischen Restaurant?

Özil: Ich mag die Leute, sie gehören mittlerweile zur Familie. Das türkische Essen natürlich auch, es ähnelt sehr dem, was meine Mutter immer kocht. Deshalb bin ich oft hier, ich liebe diese türkischen Gerichte.

Sportlich gab es vor wenigen Wochen in der Champions League einen herben Rückschlag. Wie war die Stimmung in der Mannschaft nach der herben Niederlage gegen die Bayern im Achtelfinale?

Özil: Sicherlich war die Enttäuschung sehr, sehr groß. Vor allem, weil es zur Halbzeit noch 1:1 stand. In der zweiten Halbzeit dann so hoch zu verlieren, war sehr bitter. Nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team. Wir wussten, dass es im Rückspiel sehr, sehr schwierig wird, speziell gegen Bayern.

War es schwierig, sich davon zu erholen?

Özil: Natürlich macht man sich Hoffnungen. Bayern war in diesem Jahr meiner Meinung nach nicht so stark wie in den Jahren davor. Wir hatten hohe Erwartungen, etwas zu erreichen. Die Enttäuschung war riesig, vor allem, weil ich denke, dass wir mit unserer Qualität auch in der Champions League weit kommen können. Leider ist uns das nicht gelungen.

Chris Wheatley and Mesut Ozil
Mesut Özil (r.) beim Interviewtermin mit Goal-Korrespondent Chris Wheatley

Ihre Berater beklagten nach den Spielen gegen Bayern, dass Sie als Sündenbock herhalten mussten. Fühlen Sie sich als Spieler missverstanden? Wie sehr beeinflusst sie Kritik von Medien oder Fans?

Özil: Manche Leute mögen mich, manche nicht. Manche denken wegen meiner Körpersprache, dass ich keine Lust habe. Aber das bin ich. So war es immer und so wird es auch immer bleiben. Ich werde meine Körpersprache oder meinen Spielstil nicht mehr groß verändern. Die Erwartungen an mich waren überall sehr hoch, weil ich ein Spieler bin, der ein Spiel entscheiden kann. Damit muss man zurechtkommen. Es wird immer Kritik geben, genau so wie es Lobeshymnen geben wird. Aber was zählt, ist das, was der Trainer von mir hält, das habe ich schon häufiger gesagt. Nur: Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, wenn Leute sagen: "Der gibt nicht genug Gas" oder "Der läuft nicht". Wenn man sich meine Statistiken anschaut, sieht man, dass ich viel laufe und Charakter zeige.

Wenn Sie ein Spiel verlieren: Was tun Sie, um positiv zu bleiben? Hängen Ihnen Niederlagen nach?

Özil: Am Anfang meiner Karriere habe ich sehr viel darüber nachgedacht, habe mich lange geärgert. Natürlich ist das immer noch so, wenn wir ein Spiel verlieren. Aber du darfst dann nicht so sehr an das denken, was geschehen ist, sondern musst nach vorne schauen. Das Leben geht weiter, man hat erfolgreiche Spiele, man hat schlechte Spiele. Man muss einfach Gas geben.

War das Tor in der Champions-League-Gruppenphase gegen Ludogorez das schönste Tor in Ihrer Karriere?

Özil: Ich glaube ich habe einige schöne Tore erzielt. Aber das gegen Ludogorez war wie bei PES. Drei, vier Gegenspieler stehen lassen und dann den entscheidenden Treffer machen. Wenn ich mir das Tor anschaue, denke ich schon, dass es das beste Tor meiner Karriere war.

HD Ozil LudogoretsGetty
Mesut Özil bei seinem sehenswerten Treffer gegen Ludogorez

Heutzutage stirbt die traditionelle Nummer 10, der reine Spielmacher, allem Anschein nach langsam aus. Haben auch Sie Ihr Spiel angepasst?

Özil: Bei mir war es schon immer so, dass ich das Spiel an mich reißen will, so viele Vorlagen wie möglich geben und der Mannschaft helfen möchte. Auf meiner Position hast du offensiv viele Möglichkeiten, kannst die Bälle fordern, tödliche Pässe spielen oder selbst Tore erzielen. Ich fühle mich auf der Zehn am wohlsten, weil ich schon seit der Jugend dort spiele.

In Ihrer Jugend haben Sie im "Affenkäfig", einem Bolzplatz in Gelsenkirchen, das Kicken gelernt. In England gibt es diese Art Straßenfußballer-Werdegang nicht so häufig. Ist es gut für junge Spieler, so das Kicken zu lernen?

Özil: Ich habe tatsächlich bisher nicht so viele Plätze in London gesehen, die dem Affenkäfig ähneln. Aber man hat Ähnliches hier auch, meistens jedoch mit Kunstrasen oder Rasen. Dort wo ich angefangen habe, waren die Bedingungen nicht so einfach. Der Untergrund war Beton, man hat geblutet, sobald man gefallen ist. Das alles hat mir aber sehr geholfen. Speziell, weil ich immer gegen ältere Jungs gespielt habe, auf ganz engem Raum. Da musste man technisch sehr begabt sein – und ich würde es Jugendspielern heutzutage auf jeden Fall empfehlen. Je enger der Platz, desto besser musst du den Ball beherrschen. Das ist enorm wertvoll für deine Entwicklung.

Deutschland hat im letzten Jahrzehnt einige der besten Spieler der Welt hervorgebracht. Wie unterscheidet sich der Umgang von Bundesliga-Klubs mit jungen Talenten zu dem von Premier-League-Klubs?

Özil: Es kommen immer wieder frische, junge Spieler dazu. In Deutschland hat man in den letzten Jahren viel Wert auf Jugendarbeit gelegt, hat Talenten die Chance gegeben, sich in der ersten Mannschaft zu etablieren. Bei englischen Klubs würde ich mir das auch verstärkt wünschen. Klar hat man in England durch die TV-Gelder enorm viel Geld, kann sich fast jeden Spieler kaufen. Aber man sieht es an Bundesliga und Nationalmannschaft, dass man auch erfolgreich sein kann, wenn man auf den eigenen Nachwuchs setzt.

GFX Quote Mesut Ozil GermanGoal/Getty

Es gibt viele Gerüchte, die Sie mit Fenerbahce in Verbindung bringen. Können Sie sich vorstellen, zum Ende Ihrer Karriere in der Türkei zu spielen?

Özil: Viele fragen mich das. Meine Familie, meine Freunde. Wenn die so etwas mitkriegen, sagen sie zu mir: "Geh zu dem Klub" oder "Geh dorthin". Aber momentan habe ich einen Vertrag bei Arsenal und mache mir keine Gedanken über die Türkei oder andere Ligen. Was in der Zukunft passiert, weiß man nie. Aber ich fühle mich sehr, sehr wohl hier. Alles andere wird man sehen.

Sie lieben das türkische Essen, die türkische Kultur. Wie stolz sind Sie auf Ihre türkischen Wurzeln?

Özil: Ich bin sehr, sehr stolz, dass ich auch Türke bin und meine beiden Elternteile aus der Türkei kommen. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe durch den Fußball verschiedene Kulturen kennengelernt. Das ist sicher von Vorteil für die Entwicklung als Mensch. Man erhält andere Sichtweisen. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich mir aus so vielen Kulturen das Beste herauspicken konnte.

Wie sind Sie in jungen Jahren mit dem schnellen Ruhm umgegangen? Wie haben Sie es geschafft, bodenständig zu bleiben?

Özil: Ich war ohnehin immer ein sehr ruhiger Typ. Einer, der weiß, was er kann und sich nicht von anderen Menschen verunsichern lässt. In meiner Kindheit und in meiner Karriere gab es immer Leute, die mich mochten und welche, die mich nicht mochten. Ich weiß ganz genau, wer ich bin, wer mich unterstützt. Natürlich gehört Bekanntheit dazu, wenn man für die größten Vereine in den größten Ligen der Welt spielt. Da hat man nur wenig Privatleben. Dennoch versuche ich so oft wie möglich, Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen, ich selbst zu sein und mein Leben so zu genießen, wie ich es möchte.

Sie haben Ihren Berater im vergangenen Sommer angewiesen, ein üppiges Angebot aus China abzulehnen. Warum haben Sie so entschieden?

Özil: Weil Geld für mich im Fußball nie eine so große Rolle gespielt hat. Ich spiele Fußball, weil ich es liebe. Klar verdient man als Fußballer nicht wenig und das Angebot aus China war sehr verlockend und interessant. Aber wie gesagt, Geld ist nicht alles. Ich will noch einige Titel gewinnen und habe Ziele. Das ist viel wichtiger als das Geld. Deswegen habe ich von Anfang an gesagt, dass China für mich nicht infrage kommt.

Vor Arsenal haben Sie bei Real Madrid gespielt. Wie groß ist der Druck bei solch einem großen Verein? Und wie ist es im Vergleich zu Arsenal?

Özil: Die Erwartungen bei Real kann man mit keinem anderen Verein vergleichen. Nicht mit Arsenal, nicht mit der Nationalmannschaft. In Madrid musst du alle Spiele gewinnen. Wenn du nur unentschieden spielst, selbst wenn es gegen Barcelona ist, hast du versagt. Besonders als junger Spieler musst du dich dann entsprechend entwickeln, diese Mentalität annehmen. Mourinho (Reals ehemaliger Trainer Anm. d. Red.) hat mir dabei sehr geholfen, mich toll unterstützt, wollte immer nur das Beste für mich. Wenn ich zurückblicke, gab es bei Real sehr viele schöne Momente und ich habe dort viele Freunde gewonnen.

Sie haben immer wieder gesagt, dass Arsene Wenger in Ihrer Karriere eine große Rolle spielt. Hängt Ihre persönliche Zukunft vor allem davon ab, ob er bei Arsenal bleibt?

Özil: Das hängt nicht nur vom Trainer ab. Natürlich ist es so, dass er mich überzeugt hat, zu Arsenal zu kommen, dass ich in erster Linie wegen ihm kam. Er ist ein sehr erfahrener Trainer, hat Arsenal zu einem der besten Klubs der Welt gemacht. Man muss großen Respekt vor ihm haben, er ist ein Großer. Aber ich entscheide nicht, ob der Trainer bleibt oder nicht. Er selbst muss das entscheiden. Für mich ist wichtig, dass wir als Team vorwärts kommen und gewisse Ziele zusammen erreichen.

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Manche Leute erwarten von Ihnen, der nächste Dennis Bergkamp für Arsenal zu werden. Wie denken Sie darüber?

Özil: Natürlich macht mich das stolz und ist eine Ehre, Bergkamp ist eine Legende bei Arsenal und war ein überragender Fußballer. Aber ich will mich mit niemandem vergleichen, ich habe meinen eigenen Spielstil, den ich seit meiner Kindheit beibehalte. Man ist stolz auf diese Vergleiche – aber ich bin Mesut Özil.

Haben Sie momentan Kontakt zu Ihrem Vater (Mesut Özil und sein Vater Mustafa überwarfen sich, als dieser noch sein Berater war und es in Verhandlungen mt Real Madrid zu einem Bruch kam)?

Özil: Ich will nicht viel darüber reden. Wir haben derzeit keinen Kontakt. Aber natürlich ist er mein Vater und wird das immer sein, meine Tür ist immer offen für ihn.

Einer Ihrer früheren Lehrer sagte, dass Sie im Klassenzimmer sehr schüchtern waren, aber auf dem Platz ein anderer Mensch seien. Denken Sie, dass Fußball Ihnen die Möglichkeit gegeben hat, sich auszudrücken?

Özil: Ich bin nie ein Typ gewesen, der im Mittelpunkt stehen wollte. Natürlich werde ich heute vielerorts erkannt, aber ich wollte schon immer meinen engsten Kreis um mich herum haben. In der Schule war es genau so. Ich bin einfach zur Schule gegangen, habe dort mein Bestes gegeben. Aber im Hinterkopf hatte ich immer Fußball, das war mein Leben, meine Liebe. Auf dem Platz will ich immer erfolgreich sein, alles perfekt machen. Dadurch blühe ich auf und mein Charakter verändert sich. Ich liebe es einfach, zu kicken.

Sie schreiben in Ihrem Buch "Die Magie des Spiels", dass es für Sie als bekannte Persönlichkeit nie einfach war, wahre Freunde von falschen Freunden zu unterscheiden. Wie lernt man den Menschen Mesut Özil kennen?

Özil: Ich bin mit 16 Jahren Profi geworden. Da kommen viele Menschen, die auf "bester Freund" machen, die vorgaukeln, nur das Beste für dich zu wollen. Bei mir ist jeder herzlich willkommen, ich bin nicht übervorsichtig. Aber natürlich schart man mit den Jahren nur noch seine engsten Vertrauten um sich herum, denen man zu tausend Prozent vertraut. Die sehen dann auch manchmal Dinge, die ich vielleicht nicht sehe. Ich bin zufrieden, dass es so ist, dass ich meine Freunde habe, mit denen ich aufgewachsen bin, meine Familie. Die mich unterstützen, egal ob ich ein erfolgreicher Fußballer bin oder nicht. Die mich lieben, weil ich Mesut bin. Darauf bin ich sehr stolz. Viele andere Fußballer haben sehr wenige echte Freunde.

Was machen Sie, wenn Sie nicht Fußball spielen?

Özil: Ich verbringe eigentlich sehr gerne Zeit zuhause, mit meinem Hund, meinem Cousin. Meine Freunde und Familie kommen oft für längere Zeit zu Besuch. Dann gehen wir gemütlich essen oder ins Kino. Und wenn ich mal ein paar Tage frei habe, fliege ich oft irgendwohin, am liebsten in die Sonne. Aber ansonsten bin ich meistens zuhause.

Sie haben einmal ein Video gepostet, in dem die Fans in Tokio Ihren Namen singen. Wie fühlt es sich an, wenn tausende Leute das jede Woche im Stadion tun?

Özil: Ich habe für viele Vereine gespielt, aber einen eigenen Song wie dort in Tokio, das gab es noch nie in meiner Karriere. Als ich es zum ersten Mal gehört habe, habe ich Gänsehaut bekommen und tue das immer noch. Man ist einfach dankbar, dass die Fans einen so großartig unterstützen.

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