HINTERGRUND
Peter Bosz hat sich bisher noch nicht dazu hinreißen lassen, großartig über einzelne Spieler zu sprechen. Am Montag, als der neue Trainer von Borussia Dortmund ein Fazit des Trainingslagers in Bad Ragaz zog, war das anders. Im Mittelpunkt: Mario Götze, der Rückkehrer. "Ich sage das als Fußballliebhaber: Es macht großen Spaß, ihn bei der Arbeit zu sehen. Er ist ein sehr guter Spieler, das sieht man sofort", sagte Bosz.
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In Trainingseinheiten und Testspielen wird immer klarer: Götze, der seine Stoffwechselerkrankung immer weiter hinter sich lässt, könnte in der kommenden Saison die entscheidende Rolle im BVB-Mittelfeld übernehmen. Mehrere Aktionen in den bisherigen Testspielen erinnerten an einen Götze, der mit Leichtigkeit und Spielfreude auftritt. Dies hatte man von ihm schon lange nicht mehr gesehen. Locker und fröhlich wirkte er seit seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining nach rund fünf Monaten. Immer wieder nimmt er sich Zeit für Autogrammjäger, ein Selfie hier, ein Selfie da. Götze ist wieder zugänglich. Der Fußball macht ihm wieder Spaß.
Bosz will keinen Druck ausüben
Druck aufkommen lassen will Bosz aber erst gar nicht bei seinem Weltmeister. "Wir müssen mit ihm vorsichtig sein. Er hat so lange nicht mit der Mannschaft trainiert. Wenn man fünf Monate nicht da ist, dann lässt sich das nicht innerhalb von nur fünf Wochen aufholen", sagte er in Bad Ragaz und erinnerte an die lange Leidenszeit Götzes. "Andere Spieler haben nach Saisonende drei, vier Wochen Urlaub und benötigen dann sechs Wochen, um alles wieder aufzubauen. Daher kann das Mario nicht schaffen, nachdem er fünf Monate nicht da war", sagte Bosz.
Dennoch, die Fortschritte sind mit dem bloßen Auge zu erkennen. Fünf Monate war der deutsche Nationalspieler fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. Nur ab und zu tauchte er auf - etwa bei den U19-Spielen seines Bruders Fabian in München oder Gelsenkirchen. Aber selbst in den sozialen Medien machte er sich rar. Die Verlobung mit Freundin Ann-Kathrin Brömmel war eine der ganz wenigen Ausnahmen. Ansonsten schottete sich Götze ab und der BVB trug seinen Teil dazu bei, ließ nichts und niemanden an den WM-Final-Torschützen von 2014 herankommen. Bis heute ist nichts über das genaue Krankheitsbild geschweige denn seine Reha bekannt.
Auch jetzt, nachdem er wieder fit und austrainiert wirkt, fasst er sich kurz über die wohl schwerste Zeit seines Lebens. "Was passiert ist, ist einfach passiert. Das lasse ich hinter mir. Die neue Saison ist wichtig für mich", sagte er während der Asienreise gegenüber Goal. Details ließ auch er nicht raus. "Ich hatte ein spezielles, individuelles Programm. Wir haben das von Tag zu Tag und Woche zu Woche gesteigert. Ich habe viele Läufe gemacht, war regelmäßig im Kraftraum und habe mich so auf die unterschiedlichen Situationen eingestellt." Nur so viel scheint sicher: Götze ist wieder gesund. Auch wenn Bosz es langsam angehen lässt. "Ich bin vorsichtig, da es theoretisch sein kann, dass er nochmal einen Rückfall erleidet", sagte der Niederländer.
Götzes Lockerheit steckt an
Ohne Wenn und Aber: Die neue selbstbewusste Lockerheit des 25-jährigen Götze ist auffällig. "Mario kommt wieder mit einem Lächeln im Gesicht zum Training. Er ist sehr positiv drauf und wirkt glücklich", sagte Marcel Schmelzer dem kicker. Er muss es wissen, denn die beiden kennen sich schon lange, spielten bereits während der ersten Zeit Götzes beim BVB zusammen. Die Fesseln seiner lange rätselhaften körperlichen Probleme scheinen gelöst. Götze ist wieder auf dem Weg, der Alte zu werden. Auch wenn wohl nicht einmal er weiß, wer der alte Götze eigentlich war. Zu viel hat er in seinen jungen Jahren schon durchgemacht.
Getty ImagesBesticht durch Leichtigkeit in seinen Aktionen: Mario Götze in den bisherigen Testspielen
Unter Bosz soll nun vieles besser werden - auch sportlich. Götze gilt intern als Neuzugang, als einer, der perfekt ins Spielsystem von Bosz passt. Ballbesitz gepaart mit Gegenpressing - diese Spielweise dürfte dem 25-Jährigen zugutekommen. "Im 4-3-3 fühle ich mich auf der Acht am wohlsten, ansonsten spiele ich auch gerne auf der Zehn. Hauptsache im Zentrum, zwischen den Linien und den Räumen. Da bin ich meiner Ansicht nach am stärksten", sagte Götze im Goal-Interview. Seine technischen und inzwischen auch strategischen Stärken kann er dort am besten ausspielen. Und es ist das Spiel, das ihn in seiner ersten Zeit beim BVB so stark gemacht hatte: Zwischen den Linien agieren, den tödlichen Pass spielen oder selbst in die Lücken starten.
Vorbild Iniesta
Überstürzen wollen sie in Dortmund mit Götze aber nichts. Er soll weiterhin behutsam aufgebaut werden. Deshalb garantiert ihm Bosz auch Einsatzminuten im abschließenden Test des Trainingslagers. "Er hat erst 30 Minuten gespielt, dann zweimal 45 Minuten und am Dienstag gegen Bergamo wird er auch wieder Minuten bekommen", sagte der Trainer.
Nur so kann er vielleicht beim BVB so etwas werden wie sein großes Vorbild Andres Iniesta. "Iniesta ist mir definitiv am ähnlichsten, mit ihm kann ich mich am meisten identifizieren", sagte Götze selbst. Und dieser war bekanntlich über Jahre hinweg der wichtigste Spieler im System des FC Barcelona - das Götzes neuer Trainer übrigens so sehr liebt. Vielleicht, ja vielleicht, kann Götze irgendwann sowas wie der Iniesta des BVB werden.


