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Machtkampf um Aufsichtsrat: Kühne spaltet den HSV


HINTERGRUND

Diese Entscheidung ist für den Hamburger SV wohl eine der wichtigsten der vergangenen Jahre: Am 18. Dezember wählt die Hauptversammlung der Aktionäre der ausgegliederten Fußball AG einen neuen Aufsichtsrat. Und diese Wahl birgt jede Menge Zündstoff. Worum geht es? Als Mehrheitseigner der Aktiengesellschaft liegt die Macht über die Besetzung des neuen Aufsichtsrates beim HSV e.V., vertreten durch seinen Präsidenten Jens Meier. Dem Aufsichtsrat gehört er als "geborenes Mitglied" automatisch an.

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Meier und einige seiner Mitstreiter, darunter Ex-Aufsichtsratschef Dr. Andreas Peters und große Teile des so genannten Beirates, der den von Meier zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten zustimmen muss, verfolgen den Plan, den Einfluss des Investors Klaus-Michael Kühne zu begrenzen. Seine rechte Hand Karl Gernandt und dessen Verbündete Felix Goedhart und Dieter Becken sollen dem neuen Rat deshalb nicht mehr angehören. Stattdessen gelten Ex-Profi Marcell Jansen, Jens Luther (Vorstand der Hanseatischen Krankenkasse) und Karl J. Pojer (Geschäftsführer Hapag-Lloyd Cruises) als die heißesten Nachfolge-Kandidaten.

HSV im Fokus der DFL

Diese Rochade hätte tatsächlich eine Begrenzung des Einflusses von Kühne zur Folge. Rechtlich steht es ihm zwar nicht zu, einen Interessensvertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden. In der Bundesliga ist es dennoch gängige Praxis, dass große Geldgeber, zum Beispiel Gazprom beim FC Schalke 04 oder Evonik bei Borussia Dortmund, zumindest einen der Kontrolleure stellen. Kühnes Reaktion auf die Pläne von Meier und Co. ließ daher nicht lange auf sich warten.

In einer Pressemitteilung kritisierte er, dass sich der Aufsichtsrat diesmal "nicht aus unabhängigen Persönlichkeiten" zusammensetzen würde, sondern aus "größtenteils vereinsabhängigen Personen". Meiers Vorschlag solle nicht zum Zuge kommen, fordert der Milliardär. Andernfalls werde er seine finanzielle Unterstützung an den HSV einstellen. Er präferiere einen von ihm befürworteten und unabhängigen Aufsichtsrat.

Jens Meier Hamburger SVGetty Images

Jens Meier ist seit 2015 HSV-Präsident und gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrates

Dass das Eine (von ihm befürwortet) das Andere (unabhängig) weitestgehend ausschließt, ist dabei nur einer von mehreren Widersprüchen. Deutlich komplizierter gestaltet sich derweil die Lage für Meier. Geht er auf Kühnes Forderungen ein und bestimmt einen Aufsichtsrat nach dessen Gusto, droht sehr wahrscheinlich Ärger mit der DFL wegen eines Verstoßes gegen die 50+1-Regel. Bereits Ende August war der HSV aufgrund einer Aussage von Kühne über die Vertragsverlängerung von Bobby Wood und die Verpflichtung von Andre Hahn zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Kühnes Aussagen ließen den Schluss zu, dass er Einfluss auf die Transferpolitik genommen hat. Ligapräsident Reinhard Rauball mahnte kürzlich: "Wo er (Kühne; Anm.d.Red.) nichts zu suchen hat, ist, sich ins operative Geschäft einzumischen."

Kühne will "neutralen" Aufsichtsrat

Geht Meier seinen eigenen Weg jedoch unbeirrt fort, riskiert er damit, den gesamtem Klub vor die finanzielle Zerreißprobe zu stellen. Ohne Kühne, der mit 20,5 Prozent am HSV beteiligt ist, hätten die Rothosen vor der Saison keine Lizenz für die neue Spielzeit erhalten. Eine Entspannung der finanziellen Lage ist nicht in Aussicht. Warum geht Meier dieses Risiko also ein? Hat er einen anderen Geldgeber in der Hinterhand? Im Umfeld des HSV gibt es jedenfalls Spekulationen über einen Investor aus dem asiatischen Raum. Wie und in welcher Form dieser einsteigen könnte - als Sponsor oder als Käufer von Anteilen an der Aktiengesellschaft - ist nicht bekannt. Für die Veräußerung von Anteilen über 24,9 Prozent bräuchte Meier ohnehin die Zustimmung der Vereinsmitglieder. Ob er sie bekommen würde?

Ebenfalls undurchsichtig bleibt, warum der HSV Kühne einen Tag nach der Veröffentlichung seiner Pressemitteilung auf der vereinseigenen Homepage noch mal zu Wort kommen ließ. In einem Interview bekräftige der 80-Jährige seine unmissverständliche Forderung: "Auch wenn ich keinen Einfluss auf die operativen Geschicke des HSV nehmen kann und möchte, so werde ich sicherlich eigenständig entscheiden, unter welcher personellen Konstellation in der Führung ich mir weitere Investitionen vorstellen kann." Viele Beobachter deuten diese Aussagen als Erpressungsversuch, weil Kühne um die Abhängigkeit finanzieller Hilfen weiß.

Wer beerbt Heribert Bruchhagen?

Zudem sehe er die Grundausrichtung der HSV Fußball AG als "stark gefährdet", es gehe ihm dabei um die Gesamtbesetzung des Aufsichtsrates. "Wenn es adäquate, neutrale Alternativen gäbe, die einen sofortigen Fortschritt für die HSV Fußball AG bedeuteten, dann würde ich mich sehr darüber freuen. Ich sehe diese aber nicht." Einfach übersetzt: Kühne spricht Meiers Vorschlägen die Neutralität ab. Im umgekehrten Fall ist es allerdings genau so. Ein von ihm befürworteter Aufsichtsrat wäre alles andere als neutral. Gleichzeitig übt er mit seinen öffentlichen Aussagen Druck auf Meier und den Beirat aus, die nun in einer Zwickmühle stecken.

Der eigentliche Hintergrund des Machtkampfes um die Besetzung des Aufsichtsrates ist indes ein anderer: es geht um die Nachfolge des Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen, dessen Vertrag im Sommer 2018 endet. Bruchhagen pflegt ein distanziertes Verhältnis zum Investor, auch hier gelten die Fronten verhärtet. Will Kühne "seinen" Mann im Vorstand, braucht er eine Mehrheit im Aufsichtsrat. Auf Bruchhagens Posten hat es aber auch Meier abgesehen. Der HSV ist wieder einmal in mindestens zwei große Lager gespalten: Auf der einen Seite steht Kühne, größter Geldgeber, aber nicht unbeteiligt an der sportlichen und finanziellen Dauerkrise; auf der anderen eine "Opposition", die ihn so weit wie möglich aus dem Klub drängen will. Für einen Kompromiss scheint es längst zu spät zu sein.

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