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Kleinstadt meets Katar: Das ungewöhnliche Konzept der KAS Eupen


HINTERGRUND

Es geht beschaulich zu, hier in der belgischen Kleinstadt. Viel ist für gewöhnlich nicht los auf den Straßen in Eupen. Kein Wunder bei nur knapp 20.000 Einwohnern. Nur einen Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt, ist naturgemäß alles eine Nummer kleiner. Auch beim ansässigen Fußballklub KAS Eupen. Nur etwas mehr als 8.000 Zuschauer braucht es, das Kehrwegstadion zu füllen. Große Tribünen, Fehlanzeige. Mit der Glitzerwelt des Fußballs hat man wenig zu tun. Auf den ersten Blick.

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Denn hinter der beschaulichen Fassade des kleinen Orts und des kleinen Stadions, der kleinen Imbissbude vor dem Eingang und dem Stadionparkplatz, auf dem nur rund 60 Autos Platz finden, passiert in letzter Zeit einiges. Vorbei sind die Zeiten von Beinahe-Insolvenz und unterklassigem Fußball. Seit zwei Jahren behauptet man sich in der Beletage des belgischen Fußballs. Die Königliche Allgemeine Sportvereinigung, kurz KAS, ist in den letzten Jahren zu einem der spannendsten Projekte in Europa avanciert.

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2012, KAS Eupen ist am Boden

Zeitsprung. Sommer 2012. Der stolze Traditionsklub ist am Boden. Verschiedenste Investoren lassen den Klub in den Abgrund blicken. Sportlich wie finanziell. Sporadisch wurden neue Spieler finanziert, Modernisierungsmaßnahmen am Stadion durchgeführt. Doch als der Erfolg ausblieb, verloren die Geldgeber schnell die Lust an ihrem Spielzeug.

Mit einem Schlag kommt vieles anders und heute schreibt der kleine Klub sportlich fast ausschließlich positive Schlagzeilen und man gerät immer mehr in den Fokus des Interesses. Der Grund? Heute reift hier eine große Anzahl an jungen Talenten - vor allem aus Afrika. Doch von alleine verirren sie sich nicht in die Provinz, wo ein Gros der Einwohner deutsch spricht. Alles ist bis ins Detail geplant - aus rund 4800 Kilometern Entfernung, aus Katar. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Der Fast-Kollaps und Mega-Aufwand

Kurz vor dem Kollaps im Jahr 2012 wird der mit über vier Millionen Euro verschuldete Verein von der katarischen Aspire Zone Foundation übernommen. Einem Unternehmen der Königsfamilie, das es sich nach eigener Aussage zur Aufgabe gemacht hat, junge Talente zu fördern und ihnen eine schulische Ausbildung zu ermöglichen.

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Was steckt hinter der Foundation? Auf der Suche nach geeigneten Fußballern schaut das 2004 ins Leben gerufene Programm über die katarischen Grenzen hinaus. Jedes Jahr sichten die Betreuer bis zu einer halben Millionen Talente und bieten den besten 20 Spielern einer Altersstufe ein auf fünf Jahre ausgelegtes Stipendium. In einem Trainingszentrum in Doha oder Dakar, wohin man 2008 expandierte und eine Einrichtung für afrikanische Talente gründete, kommen die Jugendlichen in den Genuss einer fußballerischen sowie schulischen Ausbildung und erlernen zudem die Grundlagen guten Benehmens.

Nachdem die Jugendlichen das Programm durchlaufen haben, fehlte es lange an möglichen Abnehmer. Da kommt den Verantwortlichen aus Katar im Jahr 2012 der Klub aus Eupen gerade recht. Hier, rund 20 Kilometer von Deutschland, sollen sie sich an das Klima sowie den europäischen Fußball gewöhnen und Verantwortung für die eigene Karriere übernehmen.

Eupen, ein Standort nach den Vorstellungen Katars

Durch dieses Vorgehen sicherte die Aspire Zone Foundation das Überleben des belgischen Vereins und machte ihn zu einer Außenstelle des Emirats. Aber warum haben sich die Leiter ausgerechnet für Eupen entschieden?

Die Erklärung ist simpel: In Belgien erhalten Spieler, die nicht aus der EU stammen, nicht nur eine Arbeitserlaubnis, sondern dürfen auch ohne weiteres in den oberen Klassen des Profifußballs antreten. Dass zudem nur wenige Belgier berufen werden müssen und ein Verein - anders als in Deutschland, wo die bekannte 50+1-Regel ein solches Vorgehen verbietet - zu 100 Prozent übernommen werden kann, macht das Grenzgebiet zum idealen Standort für die Planungen des Wüstenstaates.

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"Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass wir die jungen Spieler aus ihrer Komfortzone herausnehmen sollten, damit sie sich weiterentwickeln", begründet Andreas Bleicher, Leiter der Aspire Academy in Doha, die Kooperation. "Der belgische Fußball war für uns das beste Niveau. Wir wollten nicht in eine große Stadt gehen, sondern das Ganze in einem sozial abgesicherten Bereich halten, und das ist aus unserer Sicht in einer Kleinstadt eher gegeben."

In der Folge sollte nicht nur das Umfeld des Klubs professionalisiert werden, auch das Team selbst wurde grundlegenden Änderungen unterzogen. Während vor der Übernahme die meisten Spieler aus Deutschland oder Belgien kamen, werden nun jedes Jahr 15 Jugendliche aus dem Nachwuchsförderungsprogramm aufgenommen. Der Kader wird so zu einem richtigen Gemisch verschiedenster Nationen.

Welche Ziele verfolgt Aspire? Eine Spurensuche

Auf den ersten Blick könnte man denken, Katar wolle sich rüsten für die WM im eigenen Land. Spieler aus dem Elite-Programm sollen 2022 das Gerüst der Nationalmannschaft bilden. Gegen den Vorwurf, Katar wolle auch afrikanische Talente einbürgern und damit wie zuletzt die Handballer ein Nationalteam aus Legionären gestalten, wehren sich die Vertreter jedoch entschieden und verweisen auf die scharfen Regularien. "Wie viele haben jemals für Katar gespielt?", fragte Bleicher im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung rhetorisch. 

Er weiß genau, dass nach FIFA-Regularien ausländische Spieler, die für Katar spielen wollen, vorher mindestens fünf Jahre konstant im Wüstenstaat gelebt haben müssen. Heißt: Alle, die bei der übernächsten WM für Katar starten sollen, müssten Belgien in diesem Sommer verlassen.

Aber welche Ziele könnte die katarische Königsfamilie mit ihrer Organisation noch verfolgen? "Ihnen die Möglichkeit geben, hier den ersten Schritt in den Profifußball zu tun, sie weiterzuentwickeln, sich den Traum vom Profifußballer erfüllen zu können", lautet die Antwort von Bleicher im glattgeschliffenen Marketingsprech. "Die katarischen Spieler, damit sie für Katar spielen, und andere Aspire-Football-Team-Spieler, damit sie die Wege in andere größere Klubs schaffen und dann auch für ihre Heimatländer, für ihre Nationalmannschaften, spielen können." Es soll also ein Ausbildungsprojekt sein, in dem die jungen Talente eine vollumfängliche Ausbildung und somit den Start in ein besseres Leben genießen sollen.

Um Geld dreht es sich das Ganze offenbar eher weniger. Für die meisten Spieler werden nur geringe Ablösesummen gezahlt. Allerdings ist es schwer zu glauben, dass Katar den Jugendlichen nur eine Chance bieten möchte. Ist das ganze vielleicht nur eine wahnsinnig aufwendige Image-Kampagne?

Aspire Academy und KAS Eupen: eine teure Imagekampagne

Ortswechsel an den Persischen Golf. Von den drei Millionen Einwohnern Katars handelt es sich bei den meisten um Arbeitsmigranten, die teilweise menschenunwürdigen Arbeits- und Lebenssituationen ausgesetzt sind. Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass den Gastarbeitern die Ausweise abgenommen, dass ihnen die Ausreise verwehrt und zustehende Löhne unterschlagen würden.

Zwar wurde die Aspire Zone Foundation bereits vor der Vergabe der WM 2022 ins Leben gerufen, trotzdem liegt der Verdacht nahe, dass Katar in erster Linie seinen Ruf verbessern möchte, um von den Missständen im eigenen Land abzulenken. Dass Sponsoren wie Qatar Airways beim FC Barcelona oder der Hamad International Airport beim FC Bayern eingestiegen sind und katarische Investorengruppen in den Führungsetagen von Vereinen wie Paris Saint-Germain das Sagen haben, verstärken den Eindruck.

Eine Region, die das Engagement zu schätzen weiß

In Eupen jedenfalls begrüßen die meisten Einwohner die Zusammenarbeit mit dem fernen Katar inzwischen. Aus dem anfänglichen Misstrauen der Anhänger ist eine Vertrauensbasis geworden. Das rührt zum einen daher, dass die KAS Eupen seit dem Aufstieg in die Jupiler Pro League im vergangenen Jahr ein bedeutsamer Arbeitgeber in der Region ist, sich mehr und mehr zum Publikumsmagneten entwickelt und mehr als 95 Angestellte vorweisen kann.

Zudem muss der Verein nur kleinere Summen zahlen, um den jungen Kader mit erfahrenen Spielern zu durchmischen. Erst vor wenigen Wochen verkündete Eupen mit Mickael Tirpan aus Mouscron und Nils Schouterden aus Mechelen die Transfers von zwei belgischen Spielern, die trotz ihres Alters von 23 und 28 Jahren bereits über reichlich Erfahrung in der ersten Liga verfügen. Die finanziellen Möglichkeiten dienen außerdem dazu, den heimischen Nachwuchs zu fördern, sodass nicht nur ausländische Spieler einen Vorteil aus dem Konzept des Vereins ziehen.

Obwohl der Vorstand zunächst kritisiert wurde, sich Katar auszuliefern, hat man nach fünf Jahren der Zusammenarbeit seinen Platz im belgischen Fußball gefunden. Da andere Vereine sehen, dass es sich bei dem ausgeübten System um die reine Förderung von Talenten handelt und man nicht versucht, mit dem Reichtum des Emirats Erfolge zu erzwingen, wird die KAS Eupen geduldet und nicht als unmittelbare Bedrohung wahrgenommen.

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