KALVIN PHILLIPS ENGLANDGetty Images

Hunger, Gefängnis, Armut: Wie es Englands Kalvin Phillips von ganz unten nach oben schaffte


HINTERGRUND

Für den durchschnittlichen Turnier-Fan gab es in Englands EM-Elf nur wenige bekannte Gesichter: Klar, vorne wartete Harry Kane auf die Bälle, auf den Flügeln war Raheem Sterling mit seinem Tempo nur schwer zu stoppen. Und hinten räumte Harry Maguire meist kompromisslos auf. Aber wer war dieser unermüdliche Rackerer mit der ungewöhnlichen Frisur im Mittelfeld, der sich in jeden Zweikampf warf? Kalvin Phillips von Leeds United stellte sich bei der Europameisterschaft in diesem Sommer einem ganz großen Publikum vor – und könnte bald selbst zu einer der prägenden Figuren bei den Three Lions werden.

Dass es der 25-Jährige bis in die Nationalelf, bis in den Turnierkader und bis in die Stammelf geschafft hat, ist mehr als bemerkenswert. Denn die Voraussetzungen für eine große Karriere waren für Phillips nicht ideal. Es gab während seiner Kindheit und Jugend genügend andere Themen, mit denen seine Familie und er sich beschäftigen mussten, sodass die volle Konzentration nie auf dem Fußball liegen konnte.

Kalvin Phillips: Vater im Gefängnis, Mutter auf der Couch

Der Sohn eines jamaikanischen Vaters und einer irischen Mutter wuchs in Leeds in armen Verhältnissen auf. "Meine Mutter musste auf dem Sofa schlafen", erzählte Phillips der Times von einem Familienalltag, in dem nicht jedes der sechs Familienmitglieder ein eigenes Bett hatte. Wobei es meist nur fünf Familienmitglieder waren, die zu Hause lebten. Denn Phillips' Vater kam regelmäßig ins Gefängnis. "Drogen, Schlägereien – alles, was einem so einfällt", nannte Phillips die Gründe. Auch aktuell sitzt Phillips senior wieder – und der Junior wird auf der Fahrt zum Leeds-Trainingsgelände ständig daran erinnert. "Ich fahre jeden Morgen an ihm vorbei", berichtete er von seinem Arbeitsweg, der ihn am Gefängnis direkt vorbeiführt.

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Als Kind musste Phillips in der Schule das Gratis-Mittagessen bestellen, weil seine Familie kein Geld für eine ordentliche Mahlzeit für den Youngster hatte. "Andere Kinder brachten Lunchpakete und Schokoriegel mit. Sie haben mich ausgelacht wegen der Gratisessen", erinnerte sich Phillips an die harte Zeit zurück. Vielleicht wurde damals schon der Grundstein dafür gelegt, dass Phillips mittlerweile ein derart großer Kämpfer ist. Von seinem Klub-Trainer bei Leeds-United, der Legende Marcelo Bielsa, wurde er vom offensiven zum defensiven Mittelfeldspieler umfunktioniert. Und mit dieser Veränderung kommen die zuvor verborgenen Qualitäten wie Laufstärke, Zweikampfhärte und Einsatz erst richtig zur Geltung.

Phillips selbst sagt, dass die schwierigen Verhältnisse in seinen jungen Jahren nicht nur eine Last, sondern auch der große Ansporn waren, es im Fußball zu schaffen. "Deswegen habe ich mich immer weiter gepusht", verriet er dem Mirror. Auf dass ihn bald jeder sofort im Kopf und vor Augen hat, wenn es um Englands Nationalteam geht.

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