KOMMENTAR
Eine Ablösesumme ist im Fußball eher ein Fluch als ein Segen. Von den Schnäppchen, die für wenig Geld viel Leistung bringen, wird zwar auch berichtet, doch viel interessanter sind aus Medien-Sicht die Stories, die geschrieben werden können, wenn ein teurer Spieler die Erwartungen nicht erfüllt. Ein neues Kapitel zu diesem Thema bearbeitet die italienische Presse nun schon seit Tagen – mit dem Hauptdarsteller Gonzalo Higuain von Juventus Turin.
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Die Ablösesumme, die die Alte Dame im Sommer 2016 für den Argentinier nach Neapel überwiesen hat, beträgt 90 Millionen Euro. Ein enormer Betrag – auch nach heutigen Maßstäben, wenn man die explodierenden Summen betrachtet, die mittlerweile für Spieler auf den Tisch gelegt werden. Schon damals gab es kritische Stimmen, die den Transfer begleiteten und damit auch Leute, die nur auf die ersten Patzer Higuains warteten, um ihm die Zahl medial um die Ohren zu hauen.
Die erste Verfehlung kam schnell: Mit deutlichem Übergewicht kehrte der Angreifer aus dem Sommerurlaub zurück und bekam von den Medien dafür die volle Breitseite ab. Da er danach aber im schwarz-weiß-gestreiften Trikot seinen Job – das Toreschießen – gut machte, glätteten sich die Wogen schnell.

In dieser Saison nun trifft Higuain ebenfalls: Zwei Liga-Tore stehen für ihn nach sechs Partien zu Buche. Es ist keine Torlos-Serie, bei der die Minuten in den Zeitungen und im Fernsehen öffentlich gezählt werden. Es sind keine Grottenkicks, bei denen der Stürmer eine Last für seine Mannschaft ist, die irgendwie durchgeschleppt werden muss. Sechs Siege aus sechs Liga-Partien hat Juve bislang gelandet, im Schnitt erzielen die Bianconeri drei Treffer pro Begegnung.
Trainer Allegri verordnet eine "Auszeit"
In fünf dieser sechs Spiele stand Gonzalo Higuain in der Startelf, nur beim 4:0 gegen Torino am vergangenen Wochenende nicht. Und das sorgte für einen Aufschrei und erhöhtes Interesse in Italien – und für Erklärungsbedarf bei Trainer Massimiliano Allegri und den anderen Vereinsverantwortlichen. "Es gibt Momente, da läuft es besser als in anderen Momenten", sagte der Coach Mediaset Premium. "Jeder bekommt mal seine Auszeit, sonst können wir unser Niveau nicht konstant halten", fügte Allegri hinzu.
Er verwies auf die 57 Pflichtspiele, die Juve in der vergangenen Saison hatte absolvieren müssen, und erklärte die Nicht-Berücksichtigung Higuains für die Startelf als Teil einer normalen Rotation. "Higuain ist aktuell nicht in bester Form, deshalb ist es nur richtig, dass er sich ausruhen und erholen darf, während andere Spieler ihre Chance bekommen", meinte Juve-Manager Beppe Marotta.

Gonzalo Higuain (links) müht sich gegen Sassuolo
Es muss Trainer Allegri wahrscheinlich etwas komisch vorgekommen sein, dass er nach einem überzeugenden 4:0-Erfolg, dem sechsten Dreier in Serie, fast ausschließlich über einen Bankspieler reden musste, der nur in den letzten zehn Minuten auf dem Platz stand. Dabei sollte doch eigentlich nach dem Schlusspfiff das Ergebnis im Vordergrund stehen und nicht die Befindlichkeiten von Akteuren, die keinen oder nur einen kleinen Beitrag zum Erfolg beigesteuert haben.
Konkurrent Dybala macht alles richtig
Wie es aktuell bei Juve läuft, verdeutlichte die Szene, die zum 4:0-Endstand führte. Higuain bekam den Ball nach einer schönen Kombination, drehte sich einmal um die eigene Achse und legte sich die Kugel vor. Doch bevor er selbst abschließen konnte, war Paulo Dybala schneller zur Stelle und vollendete sicher. Zehn Tore hat Higuains argentinischer Landsmann schon in der Liga erzielt. So wie Dybala im Moment glänzt, fällt der Schatten nun einmal auf Higuain.
Die Juve-Verantwortlichen sollten sich bemühen, das Thema Higuain in den Medien nicht noch größer werden zu lassen, als es ohnehin schon ist. Der 90-Millionen-Euro-Mann wird vielleicht schon am Mittwoch in der Champions League gegen Olympiakos (ab 20.45 Uhr im LIVETICKER) wieder in der Anfangsformation stehen und er wird irgendwann wieder treffen, weil er das in seiner Karriere immer regelmäßig gemacht hat.
Solange Juve gewinnt, hat Trainer Allegri alles richtig gemacht, auch wenn es einem möglichen Bankspieler Higuain dann schmerzt. Und auch wenn der Argentinier vor gut einem Jahr viel Geld gekostet hat. Der Erfolg gibt dem Coach bei seinen Maßnahmen recht. Denn die Tore zählen – und nicht, wer sie erzielt hat.


