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Eines der markantesten Kennzeichen des südamerikanischen Fußballs ist das Herausbringen von aussichtsreichen Talenten, die bereits vor dem Durchbruch in ihrer Heimat die Schlagzeilen beherrschen und ihrem Verein bei einem Transfer nach Europa eine hohe Geldsumme in die Kassen spülen. Dahinter steckt durchaus Methode und viele Vereine praktizieren dieses Duell. Und das klappt nur, weil die Nachwuchsarbeit dort so exzellent ist.
Plötzlich Leistungsträger: Die ungewöhnliche Karriere des Lukas Klünter
Erst im Mai dominierte der 16 Jahre alte Brasilianer Vinicius Junior mit seinem 61-Millionen-Euro-Transfer zu Real Madrid die Schlagzeilen. Ein Nachwuchsspieler, über dessen Wechsel nach Europa weit weniger berichtet wurde, ist das neue Juve-Juwel Rodrigo Bentancur. Glaubt man Beobachtern in Argentinien, hat sich der Champions-League-Finalist aber dennoch ein ganz besonderes Talent vom Top-Klub Boca Juniors geangelt.
Penarol lehnte Rodrigo Bentancur ab
Dabei begann Bentancurs Karriere mit einer Enttäuschung: In der kleinen, nicht weit vom Meer gelegenen Stadt Nueva Helvecia in Uruguay geboren, absolvierte Bentancur mit dreizehn Jahren ein Probetraining bei Penarol und musste eine Niederlage hinnehmen, als man ihn damals für zu schlecht befand.
Bernardo Silva – der legitime Nachfolger seines Namensvetters
Auf Anraten seines Vaters reiste er deshalb nach Argentinien, um bei den Boca Juniors vorzuspielen. Diese gaben ihm auf der Stelle die Chance, sich ihrer Akademie anzuschließen, sodass der Junge fortan bei seinen Großeltern lebte und täglich den Bus nahm, um zum Trainingsgelände zu gelangen.
In den folgenden Jahren wusste Bentancur im Nachwuchs Bocas zu überzeugen und machte rasante Fortschritte, sodass die Verantwortlichen ihn im Alter von 17 Jahren in die erste Mannschaft beförderten und ihm nach seinem Debüt regelmäßige Kadernominierungen bei den Profis ermöglichten.
Stammspieler bei Boca schon in jungen Jahren
Seine Begabung, einen fließenden Übergang zwischen Offensive und Defensive herzustellen, machte Bentancur für Trainer Guillermo Barros Schelotto unverzichtbar. Seit 2015 gehörte er daher zu den Stammspielern und kann eine Erfahrung vorweisen, von der andere Nachwuchsspieler nur träumen.
Der 19-Jährige überzeugt mit einer guten Ausdauer und gehörte innerhalb des Teams zu den Spielern mit den meisten Einsatzminuten: In der argentinischen Primera Division absolvierte Bentancur durchschnittlich 86 Minuten pro Partie.
@JuventusfcRodrigo Bentancur (l.) während seiner Vertragsunterzeichnung bei JuventusSein Status als Leistungsträger bei einer der besten Mannschaften im Land des Vize-Weltmeisters bescherte ihm das Interesse großer europäischer Vereine: Juventus fädelte den Deal clever früh ein und die Konkurrenz schaute in die Röhre. Denn die Bianconeri sicherten sich im Zuge des Transfers von Carlos Tevez zu Boca im Jahr 2015 bereits eine Option auf den U20-Nationalspieler Uruguays, der im April schließlich für 9,5 Millionen Euro Ablöse nach Turin gelotst wurde.
"Seine Fähigkeiten ähneln denen Pogbas"
Bentancur ist auf verschiedenen Positionen einsetzbar, am besten kommen seine Stärken jedoch im zentralen Mittelfeld auf der Position des Achters zum Vorschein. Dort ist er Empfänger von langen Bällen und nutzt seine Größe von 1,85 Metern, um sich in Kopfballduellen durchzusetzen.
Er verfügt über eine starke Übersicht, die er auch unter Bedrängnis nicht verliert und auch im Duell mit mehreren Gegenspielern hält er stets Ausschau nach einem besser postierten Mannschaftskameraden. Bentancur entscheidet sich meistens für kurze Pässe, statt mit einem langen Ball unnötiges Risiko einzugehen. Steilpässe bringt er in der Regel sicher an den Mann und kann ein Spiel damit schnell machen.
Trainer Schelotto bezeichnete Bentancur einst als den "Pogba Uruguays". Nun könnte sein Schützling tatsächlich bei dessen Ex-Klub Juventus in die Fußstapfen des teuersten Spielers aller Zeiten treten. Schelotto sagte: "Er ist jung, aber sehr talentiert. Er ist ein intelligenter Mittelfeldspieler mit exzellenten technischen Fähigkeiten und guten Läufen. Seine Eigenschaften ähneln denen Pogbas sehr."
Zu der idealen Interpretation seiner Position gehört jedoch auch eine gewisse Torgefahr, die er bisher nicht vorweisen kann. Zwar ist Bentancur überall zwischen den Strafräumen zu finden, Tore und Vorlagen steuert er aber nur selten bei. Zudem muss der Youngster an seinem Verhalten in Zweikämpfen arbeiten. Deutlich zu häufig weiß er sich nur mit Fouls zu helfen.
Juventus wird Bentancur zunächst vermutlich verleihen
Nachdem Bentancur mit der U20 seines Landes bereits im Februar Südamerikameister wurde und dabei zu den herausragenden Akteuren gehörte, steht er bei der laufenden U20-WM in Südkorea im Halbfinale. Gegen Venezuela am Donnerstag wird er dabei erneut das Herzstück des Mittelfelds sein.
Dass er es auf Anhieb bei Juve schafft ist trotz aller herausragenden Anlagen nicht wahrscheinlich. Immerhin ist Juventus aktuell die zweitbeste Mannschaft Europas und verfügt über einen absoluten Luxuskader. Wahrscheinlich ist daher, dass Bentancur zunächst zu einem kleineren Verein verliehen wird, um dort Spielpraxis zu sammeln und sich an das Niveau der Serie A zu gewöhnen.
In wenigen Jahren lässt sich dann sagen, ob Bentancur tatsächlich zu den jungen Top-Importen aus Südamerika gehörte.


