Hamburger SVGetty Images

Jovanovs HSV: Spuren des Abstiegskampfes


KOLUMNE

Es gibt sicher viele Dinge, über die sich der Hamburger SV in den vergangenen Jahren hätte beklagen können. Aber nicht über mangelendes Zuschauer- und Medieninteresse. Doch die Anzahl der Kamerateams am Tag nach dem Spiel beim Pressetermin löste bei Markus Gisdol ein wenig Verwunderung aus. "Was ist denn heute los? Alle schon im Urlaub?", fragte der 48-Jährige in die Runde. "Wenn wir wieder verlieren, kommen 20 Kamerateams. Heute sind nur zwei da", stellte er treffend fest. Was ihm das sagen würde? "Dass wir in Ruhe arbeiten können und zurzeit keine Krise ist in Hamburg." Auch das ist wohl wahr, wenngleich die tabellarische Situation nicht dafür sorgen darf, dass sich jemand entspannt zurücklehnt.

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Im Gegenteil: Der Abstand auf einen direkten Abstiegsplatz beträgt nur einen Punkt. Eine signifikante Verbesserung zum Vorjahr kann ich (noch) nicht erkennen. Trotzdem ist es in Hamburg auffällig ruhig geworden. Interessiert es die Leute einfach nicht mehr? Oder haben sie diese Tabellenregion als Standard akzeptiert? Für die meisten Fans lautet das Ziel ohnehin nur, die Klasse zu halten. Man dürfe schließlich nicht vergessen, wo der HSV herkommt, argumentieren sie. Inzwischen tun sie das seit mehr als drei Jahren. Aber wirklich etwas verändert hat sich in dieser Phase nicht. Für mich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Eindruck, dass die Luft raus ist, auch in den Zuschauerzahlen bemerkbar machen würde.

"Fünf Jahre Existenzkampf"

Natürlich spielen Ticketpreis, Wetter und Attraktivität des Gegners dabei eine wichtige Rolle. Aber auch das Nordderby gegen Werder oder das Spiel gegen Borussia Dortmund waren nicht ausverkauft. Selbst gegen die Bayern dauerte es verhältnismäßig lange, bis alle Tickets vergriffen waren. Heute Abend gegen Frankfurt wird mit gerade einmal knapp mehr als 40 000 Zuschauern gerechnet. Ich erinnere mich nicht daran, wann ein Spiel des HSV zuletzt so schlecht besucht war. Und ich glaube nicht, dass der Terminplan die Hauptursache der geringen Auslastung ist. Es sind Spätfolgen des jahrelangen Kampfes um den Verbleib in der Bundesliga. Die Geschichte vom noch nie abgestiegenen HSV, der sich in letzter Sekunde vor der zweiten Liga rettet, ist schon zu häufig erzählt worden. Irgendwann wenden sich Zuschauer emotional ab. Sie brauchen ein neues Narrativ.

In meinem privaten Umfeld treffe ich viele Leute, die den HSV mit stetig sinkendem Interesse und deutlich geringer ausgeprägter Leidenschaft verfolgen. Glaubt man den Ausführungen der Verantwortlichen, ist der Klub eh auf einem guten Weg. Sportlich und finanziell. Nur wohin soll er führen? Gibt es irgendein übergeordnetes Ziel? So wie vor drei Jahren während der Phase der Ausgliederung? "Das wollen Sie nicht gerne hören, aber in den nächsten fünf Jahren wird es immer einen Existenzkampf geben für alle Traditionsklubs, da bin ich sicher", hatte Vorstandschef Heribert Bruchhagen kürzlich in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt prognostiziert. Das würde - die letzten Jahre mitgezählt - zehn Jahre Existenzkampf in Folge bedeuten. Trübe Aussichten.

Der große HSV wird kleiner

Doch um das alles mal zu relativieren: Wir sprechen beim HSV noch immer von einem Zuschauerschnitt von mehr als 50.000 pro Spiel. Davon können andere Klubs nur träumen, obwohl sie zum Teil deutlich erfolgreicher sind. Dennoch sind Tendenz und Anzeichen ernst zu nehmende Warnsignale. Der große HSV wird Stück für Stück kleiner. Angeblich überhöhte Zielsetzungen und Träumereien von Europa sind höchstens noch ein Ausdruck von Selbstironie. Mehr nicht.

Bleib am Ball und folge HSV-Reporter Daniel Jovanov auf Facebook und Twitter!

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