HINTERGRUND
Wie wichtig den Brasilianern die Selecao, ihre Fußball-Nationalmannschaft, ist, konnte man eindrucksvoll bei der WM 2014 erleben. Beim Turnier im eigenen Land wurde das blau-gelbe Team zunächst von einer Euphoriewelle getragen und bedingungslos unterstützt. Nicht weniger als den Titel erwarteten die Fans von ihrer Mannschaft – und umso größer war die Trauer und das Entsetzen, als es im Halbfinale beim historischen 1:7 gegen Deutschland fürchterlich schiefging.
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Wie wichtig den Brasilianern die Selecao ist, konnte man auch bei der Vorstellung von Jemerson bei der AS Monaco im Anfang 2016 erleben. Der Verteidiger sprach nicht etwa über die Ambitionen mit dem Klub aus dem Fürstentum, sondern über sein großes Ziel, das über allem anderen steht: "Ich muss mich eingewöhnen und dann schnell spielen. Ich will wieder für Brasilien nominiert werden", verriet er.
Für die anstehenden Pflichtspiele der Selecao in der WM-Qualifikation ist das Jemerson nicht gelungen, nachdem er im Juni noch beim 4:0-Sieg Brasiliens gegen Australien sein Debüt gefeiert hatte. Mehr als anderthalb Jahre nach seiner ersten Nominierung, von der er noch bei seiner Vorstellung in Monaco gesprochen hatte, hatte er sein Zwischenziel erreicht. Dass Nationaltrainer Tite nun anderen Abwehrspielern für die Duelle gegen Ecuador und Kolumbien vertraut, darf und wird der 25-Jährige nicht als definitives Zerplatzen seines großen Traums werten. Denn die Zeit und die Entwicklung Jemersons sprechen für ihn.
Aufmerksamkeit durch Liga und Champions League
Vor gut anderthalb Jahren wagte Jemerson erst den großen Schritt von Atletico Mineiro aus der ersten brasilianischen Liga nach Europa. Für rund elf Millionen Euro ging es nach Monaco – und diese Entscheidung wird er mit Sicherheit nicht bereut haben. Denn Jemerson war ein fester Bestandteil der Mannschaft, die in der vergangenen Saison in der Ligue 1 sensationell den Titel holte und in der Champions League bis ins Halbfinale kam. Genügend Medienpräsenz und Aufmerksamkeit also für den Abwehrmann, damit man auch im weit entfernten Brasilien von seinen starken Leistungen etwas mitbekam.
GOAL"Monaco bietet mir die Chance, mich in Bezug auf die Selecao ins Rampenlicht zu spielen", hatte Jemerson schon bei seiner Ankunft prophezeit – und es stimmte. Der Innenverteidiger zeigte sich nach einer längeren Eingewöhnungsphase zu Beginn des Jahres 2016 und einem Anpfiff von Trainer Leonardo Jardim im Sommer 2016 stark verbessert. Bei seinem Heimaturlaub hatte es sich Jemerson zuvor gut gehen lassen und war überhaupt nicht fit, als er wieder nach Südfrankreich zurückkehrte.
Die harschen Worte des portugiesischen Coaches in einem Vier-Augen-Gespräch nahm er sich dann sehr zu Herzen – und änderte seine Einstellung. Mit der professionelleren Herangehensweise steigerten sich auch die Leistungen rapide. In der Luft ist Jemerson stark, am Ball aufgrund seiner technischen Fähigkeiten auch. "Man nennt mich 'Blackenbauer'. Ich bin ziemlich schnell und technisch stark", hatte er schon zu Beginn seiner Zeit in Monaco gesagt – und damit einen kleinen Rassismus-Eklat losgetreten, den sein Klub schnell aus der Welt schaffen wollte.
Nationaltrainer setzt auf Erfahrung - noch
Die Vergleiche mit dem deutschen Weltmeister-Libero von 1974 leuchten allerdings ein: Groß, souverän und mit guten Pässen tritt Jemerson auf und lässt sich, bis auf kleine Konzentrationsfehler, selten aus der Ruhe bringen. Das dürfte auch Nationaltrainer Tite nicht entgangen sein, der allerdings auf Erfahrung setzt, um ein ähnliches Debakel wie noch 2014 bei der WM im kommenden Jahr in Russland zu vermeiden. Von den acht Abwehrspielern, die aktuell zu den Auserwählten des Coaches zählen, sind mit Marquinhos von PSG und Rodrigo Caio vom FC Sao Paulo nur zwei Akteure jünger als 28 Jahre.
Momentan dürfen noch andere im wichtigsten Team Brasiliens ran, doch die Zukunft gehört mit Sicherheit Jemerson, wenn er in Monaco sein bereits gezeigtes Niveau halten kann. Denn dann kommt Nationalcoach Tite am Beckenbauer-Klon nicht mehr vorbei – und muss den größten Traum des Abwehrspielers mit einer weiteren Nominierung für die Selecao erfüllen.