Jadon Sancho Borussia Dortmund 2019-20Getty Images

Als Jadon Sancho und Reiss Nelson im Londoner Problemviertel für Furore sorgten


HINTERGRUND

Auf einem Spielplatz mit hartem Betonboden kann Jadon Sancho die Probleme, die ihn umgeben, für einen Moment vergessen. "Für mich zählte immer nur der Fußball. Ich hatte keine Alternative", erinnerte sich der 20-Jährige in einem Interview mit Goal an seine Kindheit im Londoner Süden.

Auf dem Frederick's Adventure Playground in Kennington, einem der ärmsten Viertel Londons, sollte er zu einem der begehrtesten Talente des Weltfußballs heranreifen. Doch in der Umgebung, in der Sancho aufgewachsen ist, sind schon viele Jugendliche auf die schiefe Bahn geraten.

Er wolle nicht zu sehr ins Detail gehen, aber es sei nicht einfach gewesen, "besonders, wenn die Leute um dich herum schlimme Dinge tun", erzählte Sancho in einem AFP-Interview. Schon als Kind setzte der englische Nationalspieler alles daran, Kennington eines Tages hinter sich zu lassen.

Mit seinen Fähigkeiten verzückte Sancho die Zuschauer, ließ seine Gegenspieler, die oft älter waren als er, verzweifeln. "Ich wollte schon immer Profifußballer werden und die Leute so begeistern, wie Ronaldinho mich begeistert hat", sagte Sancho im Goal-Gespräch.

Jadon Sancho Borussia Dortmund 2019-20Getty ImagesQuelle: Getty Images

Nur fünf Kilometer entfernt, in Walworth, machte damals ein weiterer Junge von sich reden: "Jadon war gut mit Reiss Nelson befreundet", erinnerte sich Norman Dawkins, der für die Organisation Children's Services arbeitete und auch Fußballturniere für die Kinder organisierte, vor einigen Jahren bei Goal.

Nelson sei nur selten auf dem Adventure Playground gewesen, soll meistens auf anderen Plätzen in der Gegend gespielt haben: "Mir wurde irgendwann gesagt, ich solle die beiden zusammenbringen. Das tat ich, als sie etwa acht Jahre alt waren. Es war das Beste, was passieren konnte", so Dawkins.

Sancho und Nelson ragten aus der Masse heraus, gewannen Spiele in Serie. "Sie waren beide phänomenale Spieler. Man konnte sehen, dass sie im Profibereich landen würden", sagte Sayce Holmes-Lewis, der sie 2011 bei den Southwark Youth Games trainierte, der Daily Mail: "Aufgrund ihrer Freundschaft war es manchmal telepathisch zwischen ihnen auf dem Spielfeld."

Nelson: "Kein Kampf" mit Sancho

Aber dass Sancho und Nelson die anderen Kinder in den Schatten stellten, war auch dem professionellen Training geschuldet. Sancho spielte damals schon für den FC Watford, während Nelson im Nachwuchs des FC Arsenal kickte. Das sorgte dafür, dass sie andauernd miteinander verglichen wurden.

"Es hieß immer: 'Reiss oder Jadon, wer ist besser?' oder 'Reiss und Jadon, spielt Fußball!'. Es wurde ein bisschen nervig und langweilig für uns", so Nelson Anfang des Jahres im Guardian. Dabei habe er Sancho niemals als einen Konkurrenten gesehen: "Er ist wie mein Bruder. Es ist kein Kampf, wie manche Leute sagen."

2015 wechselte Sancho nach acht Jahren bei Watford schließlich in die Jugend von Manchester City und kam dort als 16-Jähriger in der Premier League 2 zu ersten Einsätzen bei den Senioren. Bei den Profis sah der Offensivspieler jedoch keine Perspektive für sich und deshalb schloss er sich im Sommer 2017 Borussia Dortmund an.

NxGn 2018 Reiss Nelson ArsenalGettyQuelle: Getty Images

Auch für Nelson sollte der Traum, Profifußballer zu werden, in Erfüllung gehen. 2017 wurde der englische U21-Nationalspieler zu den Profis von Arsenal hochgezogen und für die folgende Saison zur TSG Hoffenheim verliehen, um dort wichtige Spielpraxis zu sammeln. Seit letztem Jahr steht Nelson wieder bei Arsenal unter Vertrag.

Damit haben sie sich aus der Armut, die sie in ihrer Kindheit erfahren mussten, herausgearbeitet. "Es geht darum, den jungen Kindern im Süden Londons, die vielleicht diese Denkweise haben, dass sie mit sich selbst nichts anfangen können, eine Inspiration zu sein", sagte Nelson im Mai dieses Jahres in einem Youtube-Interview des englischen Fußballverbands FA.

Sancho: "Zeigen, dass es einen Ausweg gibt"

"Was ich und Reiss jetzt tun, ist, ihnen hoffentlich zu zeigen, dass es einen Ausweg gibt und dass sie mit harter Arbeit alles erreichen können", betonte Sancho: "Nachdem ich mein Debüt in der Bundesliga gegeben hatte, wollte ich mehr und mehr erreichen, den Menschen aus dem Süden Londons zeigen, dass man an sich selbst glauben muss."

Denn indem sich Sancho vom Straßenfußballer auf einem kleinen Spielplatz im Londoner Problemviertel Kennington zu einem der verheißungsvollsten Spieler der Bundesliga entwickelt hat, wendete sich das Blatt auch für seine Familie: "Für mich ist es das Größte, zu sehen, wie meine Familie ein anderes Leben führt, zu sehen, wie all meine Brüder und Schwestern aufwachsen und einen anderen Blickwinkel sehen."

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