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Ibrahimovic in Schweden: Zlatan unser im Himmel

Eine Heiligsprechung bedarf in der Regel zweier Voraussetzungen: Die Person muss tot sein und die katholische Kirche muss ihre Erlaubnis aussprechen. Das gilt seit hunderten von Jahren. Für jeden. Ein Mann scheint vom diesem Prozedere aber ausgeschlossen zu sein. Sein Name: Zlatan Ibrahimovic.

Der mittlerweile 34 Jahre alte schwedische Stürmer ist augenscheinlich nicht tot und mit der katholischen Kirche hat er ebenfalls eher weniger am Hut. Zwar kaufte er kürzlich eine Kirche in Schweden - aber nur, um darin Appartments zu bauen und diese zu vermieten. Dass Ibra die beiden Voraussetzungen für eine Heiligsprechung nicht erfüllt, ist den Schweden herzlich egal: Sie haben ihn trotzdem zu ihrem vergötterten Helden gemacht.

Es herrscht Ibra-Mania im skandinavischen 9,5-Millionen-Einwohner-Land. Und das schon lange. Ibrahimovic hat inzwischen nicht nur drei eigene Fanklubs und einen Weltrekord (kein Spieler wurde öfter zum Spieler des Jahres in seiner Heimat gewählt), sondern auch ein eigenes Verb. 2012 wurde zlatanieren in den schwedischen Duden aufgenommen, es steht für "stark dominieren".

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Wetten: Dänemark vs. Schweden

Dabei ist stark dominieren fast noch untertrieben, wenn man sich den Hype ansieht, der in Schweden herrscht. Zlatan ist dort Nationalheld, Vorbild und Hoffnungsträger in Personalunion. Wieder einmal liegt in den Play-offs zur EM-Endrunde gegen Nachbar Dänemark (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) in Frankreich die Hoffnung einer ganzen Nation auf seinen Schultern.

Ibrahimovic zlataniert

Im Hinspiel schoss er beim 2:1-Sieg einen Treffer, im Rückspiel im Kopenhagener Parken-Stadion kann er am Dienstagabend sein Team zur Endrunde schießen. Es wäre die vierte und er könnte weiter an seinem Rekord schrauben. Er krönte sich 2012 zum ersten Akteur, der bei drei Endrunden jeweils mindestens zwei Tore erzielte.

Diesen und weitere Rekorde und Erfolge  - wie den des erfolgreichsten Torschützens in Schwedens Geschichte - kann man seit Mai 2015 in der eigens für Ibra kreierten Suchmaschine "Zlatan Search" suchen. Mehr Hype geht nicht, denn eine eigene Suchmaschine hat weder Messi, noch Ronaldo, noch sonst jemand. Noch nicht einmal die anderen Heiligen.

Ibra zlataniert. Neben dem Platz und natürlich darauf. Beidfüßigkeit, Instinkt, Schusskraft, Traumtore in Serie, Matchwinner-Fähigkeiten, Nerven- und Kopfballstärke. Was klingt wie die Kreation eines größenwahnsinnigen FIFA-Konsolenkickers, beschreibt in der Realität sein Repertoire. Es gab kaum einen kompletteren Spieler in der Fußballgeschichte. In der schwedischen sowieso nicht.

"Was zur Hölle willst du mit meinem Trikot?"

Sein Volk, wie man in Angesicht seiner königlichen Aura fast schon sagen müsste, liebt ihn - und beschert ihm so eine dicke Aufbesserung seines ohnehin fürstlichen Gehalts. Seine Autobiographie wurde zum Bestseller, es wurden Lieder von Bands über ihn geschrieben und ein Musical ihm zu Ehren verfasst. Ein Spielfilm ist übrigens in Planung. Alles was er anfasst, scheint zu Gold zu werden. Mit der Art und Weise der Investitionen macht er sich noch unsterblicher.

Milan wollte Ibra - er sagte ab

Entweder er schraubt die Kultskala kräftig nach oben, wenn er etwa eine Insel in Schwedens drittgrößtem See Malären kauft oder die eingangs erwähnte Kirche. Oder er dreht am Legenden-Regler, wenn er der Nationalmannschaft der geistig Behinderten die Reise zur WM nach Brasilien finanziert. Alleine wie die Spende ablief, sagt einiges über ihn aus.

Als Stefan Jonsson, Co-Trainer des Behinderten-Teams, schwedische Nationalspieler nach ihren Trikots fragte, die man versteigern wollte, um den Etat von 39.000 Euro zu decken, gaben viele ihre Spielkleidung ab. Ibrahimovic nicht. Der fragte Jonsson nur ungläubig, was zur Hölle der mit seinem Trikot wolle - und bezahlte die ganze Reise.

Menschliche Fassade hinter dem Kultkicker

Es sind Aktionen wie diese, die ein wenig hinter die Fassade des zur lebenden Ikone transformierten Ausnahmekönners blicken lassen. Dann erkennt man hinter dem zuweilen arrogant anmutenden Sprücheklopfer ("Was der mit dem Ball kann, kann ich mit einer Orange" oder auch: "Komm mit deiner Schwester in mein Haus, dann siehst du, ob ich schwul bin.") einen Mann, der seine Herkunft nie vergessen hat.

Seine Wurzeln, die liegen im Malmöer Stadtteil Rosengard, einem sozialen Brennpunkt mit vielen Migranten. "Ich musste früh lernen, mich durchzusetzen", so Zlatan. Er lernte nicht nur, seine Ellenbogen einzusetzen, sondern auch, wie wichtig Familie ist. "Kein Geld der Welt kann meine Familie ersetzen", sagte er dem Aftonbladet einst.

Es ist bewundernswert, dass er seine Wurzeln niemals aus dem von Zigarettenstummeln bedeckten Rosengardener Boden herausgerissen hat und zum abgehobenen Superstar verkommen ist, den viele bei seinem Habitus und seinem in den Weltstädten zur Schau getragenen Lebensstil vermutet hätten.

Mailand, Barcelona, Paris. Und trotzdem erklärt er: "Wenn ich die Malmöer "Chinesische Mauer" (breiter Wohnblock, Anm. d. Red.) sehe, dann fühle ich mich heimisch."

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Authentischer Hoffnungsträger

Natürlich ist dies nur ein Teil seines Wesens, ohne den anderen wäre er niemals zu der Marke geworden, die er heute ist. Was beide Teile, den heimeligen und den exzentrischen eint, ist diese Authentizität. Während man anderen Stars weder Weltverbesserungsgebaren noch Bad-Boy-Attidtüde abnimmt, glaubt man Zlatan beides sofort.

Wenn er zugibt, ein Tor mit der Hand erzielt zu haben, dann weiß man, dass er das nicht tut, um hinterher einen Fairplay-Preis zu bekommen. Wenn er sagt, er sei größer als der Eiffelturm, dann ist das in diesem Moment eben die große Klappe von einem, der sich solche Statements erlauben kann.

Kaum jemand verkörpert das Bosshafte so sehr wie Ibrahimovic. Er ist so gesehen ein heiliger Boss, ein bosshafter Heiliger. Er ist einer, der Frankreich ein "Scheißland" nennen darf und trotzdem geliebt wird. Er ist einer, der heilig gesprochen wird, ohne sich mit lästigem Beiwerk wie der Kirche oder dem eigenen Tod aufzuhalten.

Er ist einer, in dessen Hände ein ganzes Land regelmäßig all seine Träume legt. So wie am Dienstagabend, wenn es wieder heißt: Zlatan unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Wille geschehe.

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