Heribert Bruchhagen Hamburger SVGetty Images

HSV-Boss Bruchhagen im Goal-Interview: "Ich bin kein Hellseher"

Neun Spiele bleiben dem Hamburger SV, um der dritten Relegation in den letzten vier Jahren aus dem Weg zu gehen. Zwar stimmt die jüngste Entwicklung zuversichtlich, sicher ist der Klassenerhalt aber nicht. Umso schwieriger gestaltet sich deshalb auch die Planung der Zukunft. Erste Liga? Zweite Liga? Mit oder ohne Investor Klaus-Michael Kühne? Festlegen kann und will sich der HSV-Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen noch nicht, wie er im Gespräch mit Goal erklärt.

Herr Bruchhagen, vergangene Woche hat der Hamburger SV die Verlängerung des Vertrages mit Markus Gisdol bis 2019 bekannt gegeben. Wann ist die Entscheidung gefallen?

Heribert Bruchhagen: Beide Seiten haben doch frühzeitig gesagt, dass sie an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert sind. Wie Sie gesehen haben, ging es dabei aber nicht nur um einen, sondern um fünf Verträge gleichzeitig (Anmerkung d. Redaktion: Der HSV verlängerte auch mit den Co-Trainern Frank Fröhling und Frank Kaspari, Torwarttrainer Stefan Wächter und Athletiktrainer Daniel Müssig). Bei solchen Verhandlungen geht es um sehr spezifische Dinge, die zu beachten sind. Deshalb dauert das seine Zeit. Das Problem dabei ist nur, dass die Medien uns täglich dabei begleiten.

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Wer hat bei diesem Thema eigentlich das letzte Wort – Sie oder Sportchef Jens Todt?

Bruchhagen: Verträge kann nur der Vorstand unterschreiben. Den Begriff „das letzte Wort“ gibt es bei uns nicht. Die Gespräche führt Jens Todt, die Leitplanken werden vom Finanzvorstand und vom Vorstandsvorsitzenden eingerichtet. Ein ganz normaler Vorgang.

Warum haben Sie sich für diesen Zeitpunkt entschieden?

Bruchhagen: Die Absicht der Entscheidungsträger, die Zusammenarbeit auszudehnen, bestand ja schon länger. Nun hat sich der Zeitpunkt ergeben, die Details zu klären. Ein solcher Vertrag ist juristisch hochkompliziert. Schließlich geht es ja nicht um einen Arbeitnehmer, der 2500 Euro im Monat verdient. Wir sprechen hier über andere Dimensionen. Am Ende stand aber die Unterschrift, wobei auch nichts Anderes zu erwarten war. Die Gesamtentwicklung sprach dafür, die Zusammenarbeit mit Herrn Gisdol und seinem Team fortzusetzen.

Der Vertrag mit Gisdol gilt auch für den Fall des Abstieges. Sie wären also gewillt, einen Neuanfang in der zweiten Liga mit ihm durchzuziehen?

Bruchhagen: Richtig.

Ging es bei den Verhandlungen mit Gisdol auch darum, wie viel Geld er für den Umbau des Kaders bekommt?

Bruchhagen: Die ungefähre Größenordnung des Lizenzspieleretats für das kommende Jahr ist beim Lizenzierungsverfahren am 15. März von uns angesetzt worden. Wir mussten der DFL einen Plan vorlegen, in dem die Kosten des Kaders ebenfalls drinstehen. Darüber ist Herr Gisdol informiert.

Haben Sie Herrn Kühne über Ihre Absicht informiert, den Vertrag mit dem Trainer zu verlängern?

Bruchhagen: Ich weiß, dass Herr Kühne und Herr Gisdol einen guten Kontakt miteinander pflegen. Aber zur Klarstellung: Das operative Geschäft obliegt dem Vorstand und dem Manager. Ich habe noch keinen Ansatz gesehen, dass Herr Kühne die Absicht oder den Willen hat, darauf einzuwirken.

Wie geht es im Sommer weiter: Sparkurs oder neue Kühne-Millionen? Können Sie eine Prognose abgeben?

Bruchhagen: Nein, ich bin kein Hellseher. Ich weiß noch nicht, in welcher Liga wir spielen werden. Das sind alles Dinge, die sich noch herauskristallisieren müssen.

Trotzdem noch mal nachgehakt: Ist der im vergangenen Sommer eingeschlagene Weg, mit der Hilfe von Klaus-Michael Kühne Spieler zu verpflichten, die man sich aus eigener Kraft nicht leisten könnte, eine Option für Sie?

Bruchhagen: So weit sind wir in unserer Gedankenstruktur noch gar nicht. Unsere Überlegungen setzen erst dann ein, wenn wir wissen, in welcher Klasse wir in der nächsten Saison spielen.

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Sie könnten auch einen völlig anderen Weg einschlagen und verstärkt auf den eigenen Nachwuchs setzen. Im Sommer eröffnet zudem der HSV-Campus.

Bruchhagen: Zunächst möchte ich feststellen, dass wir für die großzügige Hilfe des Herrn Alexander Otto sehr dankbar sind und ein sehr gutes Projekt für den HSV realisieren können. Der Konkurrenzkampf um junge Spieler setzt schon sehr früh ein, sodass jeder Verein genötigt ist, entsprechende Fazilitäten anzubieten. Wir können inzwischen sehr genau sehen, ob ein Spieler in einem solchen Eldorado des Luxus ausgebildet wurde. Wenn sie allerdings eine Untersuchung darüber anstellen, wie viele der Spieler, die am letzten Spieltag im Einsatz waren, aus der eigenen Jugend der jeweiligen Vereine kommen, werden Sie sehen, dass die Zahl überschaubar ist. Aus jedem Jahrgang entwickeln sich statistisch betrachtet 1,75 Personen zu Lizenzspielern.

Kann der HSV überhaupt ein Ausbildungsverein sein?

Bruchhagen: Wir werden es in Zukunft sicher nicht wie der SC Freiburg handhaben können, denn die Erwartungshaltung in Hamburg ist eine andere. Es geht bei der Kaderzusammenstellung daher um die richtige Mixtur zwischen selbst ausgebildeten und fertigen Spielern.

In einem Interview vor einiger Zeit erzählten Sie, wie Ihr Vorgänger Dietmar Beiersdorfer Ihnen in einem Gespräch erklärt hätte, warum er in Hamburg immer wieder große Namen präsentieren musste. Wer erwartet das eigentlich?

Bruchhagen: Die Erwartungshaltung ist, sich sportlich zu verbessern. Durch fertige Spieler hat man die Hoffnung, den Sprung ins gesicherte Mittelfeld schneller zu erreichen. Wenn Sie sich die Kader der letzten zehn Jahre anschauen, stellen Sie fest, dass immer wieder größere Namen dabei waren.

Und genau von diesem Weg haben sich die Mitglieder des HSV vor zweieinhalb Jahren mit der Abstimmung für die Ausgliederung des Profifußballs verabschiedet. Das Ziel war, die Ausgaben den Einnahmen anzupassen und eine wirtschaftlich vernünftige Transferpolitik zu verfolgen. Inwieweit können Sie sich mit diesen Zielen identifizieren?

Bruchhagen: Ich identifiziere mich mit dem HSV. Es wäre nach dreieinhalb Monaten, die ich hier bin, naiv, plakative Strategien auszugeben, die dann hinterher nicht der Realität entsprechen. Man muss die Dinge immer situativ betrachten. Das haben wir auch in der Winterpause so gemacht. Der Trainer hat eine Analyse vorgenommen und auf einigen Positionen Verstärkungen gefordert, um das Ziel Klassenerhalt zu erreichen. Wir hätten diese Vakanzen auch mit Spielern aus unserer zweiten Mannschaft ausfüllen können, mussten aber abwägen, was für den HSV das Beste ist. Und nur danach haben wir entschieden.

Ein viel diskutiertes Thema innerhalb des HSV war und ist die finanzielle Situation. Aufgrund einer neuen Anleihe in Höhe von 40 Millionen Euro aus dem vergangenen Herbst und mehreren Darlehen von Kühne zur Finanzierung von Neuverpflichtungen in Höhe von 38 Millionen haben sich die Verbindlichkeiten massiv erhöht. Wie hoch ist der Stand der Gesamtverbindlichkeiten aktuell?

Bruchhagen: Auskünfte über die finanzielle Situation gibt bei uns nur der Finanzvorstand.

Ist es eine Überlegung wert, Anteile der HSV Fußball AG an neue Investoren zu verkaufen? Beispielsweise aus China? Das wäre schließlich auch Sache des Vorstandsvorsitzenden.

Bruchhagen: Wie kommen Sie darauf, dass Interesse aus China besteht? Haben Sie eine Quelle?

Es gab kürzlich einen entsprechenden Bericht im Finanzmagazin Capital.

Bruchhagen: Ich habe nach einer Quelle für diese Information gefragt.

Die kann ich Ihnen nicht nennen. Finanzvorstand Frank Wettstein sagte lediglich, dass es diesbezüglich noch keine Gespräche gab.

Bruchhagen: Dann haben Sie doch schon eine Antwort.

Können Sie ausschließen, dass die DFL dem HSV für die kommende Saison Auflagen erteilt und beispielsweise Transferüberschüsse fordert?

Bruchhagen: Auflagen sind relativ harmlos. Problematisch sind Bedingungen. Sie können davon ausgehen, dass die DFL unsere Unterlagen prüft und uns anschließend entsprechende Hinweise geben wird – oder auch nicht.

Neben dem Abstiegskampf und der Lizenzvergabe werden Sie sich in den nächsten Wochen noch mit einem weiteren Thema auseinandersetzen müssen. Der Aufsichtsrat hat kürzlich eine Strafanzeige gegen den ehemaligen Marketingvorstand Joachim Hilke gestellt, der der Untreue verdächtigt wird. Wie hoch ist der Schaden, der dem HSV dadurch entstanden ist?

Bruchhagen: Es ist doch klar, dass ich in diesem schwebenden Verfahren keine Auskünfte geben kann. Bevor sich die Dinge nicht aufgeklärt haben, kann es daher auch keine Bewertungen geben.

Mit welcher Begründung haben Sie der Agentur Match IQ gekündigt?

Bruchhagen: Die Gründe sind Match IQ bekannt. Das ist das Eine. Das Andere ist, dass ich uns zutraue, mit bestehendem Personal viele Aufgaben zu lösen. Aber es gibt auch einzelne Teilbereiche, für die man Agenturen beauftragen kann. Das lässt sich pauschal nicht sagen.

Zum Abschluss: Ihr Vertrag läuft nur bis zum Sommer 2018. In welchem wirtschaftlichen und sportlichen Zustand wollen Sie den HSV dann übergeben?

Bruchhagen: Woher kennen Sie die Laufzeit meines Vertrages? Das hat der Aufsichtsrat doch nie kommuniziert. Ihre Frage kann ich mit einem Satz beantworten, den ich den vergangenen Tagen und Wochen schon häufiger gesagt habe: Der HSV muss unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vernunft fester Bestandteil der Bundesliga sein. Inwieweit uns das in den einzelnen Etappen gelingen wird – wer weiß das schon?

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