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Schalke: Pokalsieg mit Neuer - und vorgetäuschter Tod? Die irre Geschichte von Ex-S04-Talent Hiannick Kamba


HINTERGRUND

Hiannick Kamba hatte es nicht leicht im Leben. Der Sohn kongolesischer Eltern floh vor mehr als 25 Jahren aus seiner Heimat nach Deutschland, um dem dort ausgebrochenen Befreiungskrieg, in dessen Folge Diktator Mobutu Sese Seko gestürzt wurde, zu entfliehen.

Als kleiner Junge in Essen war er stets mit den Problemen des Andersseins konfrontriert. "Rassismus ist leider fast normal", sagte Kamba einmal rückblickend in einem Gespräch mit dem Portal Fussball.de . Halt gab ihm in dieser Zeit der Sport, Kamba galt früh als talentierter Fußballer.

Der FC Schalke 04 wurde bei der TGD Essen-West 1999 auf ihn aufmerksam und nahm ihn in seine Knappenschmiede auf. Das brachte auch Vorteile für Kambas soziales Leben. Er wechselte auf eine Partnerschule der Königsblauen, die Gelsenkirchener Gesamtschule Berger Feld.

Gemeinsam mit dem heutigen Bayern- und DFB-Kapitän Manuel Neuer durchlief er die Schalker Jugend bis zur U19. Auch mit Ex-Bundesligaprofis wie Tim Hoogland, Alexander Baumjohann, Sebastian Boenisch oder Niko Bungert spielte er in einer Mannschaft.

S04-Talent Kamba: Schocknachricht nach Pokaltriumph

Der bis dahin größte und wichtigste Tag seiner Fußballerkarriere kam am 27. Mai 2005: Das A-Junioren-Pokalfinale gegen Tennis Borussia Berlin im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Schalke gewann unter Trainer Norbert Elgert mit 3:1. Außenverteidiger Kamba wurde in der 54. Minute eingewechselt, S04 lag da noch mit 0:1 zurück.

Freuen über den Triumph konnte sich Kamba aber nicht, zu groß war die Schock-Nachricht, die er in Berlin erhalten hatte. "Ich war mit Schalkes U19 beim Pokalfinale und erhielt einen Anruf. Meine Eltern sollten abgeschoben worden", erzählte Kamba. Es war der Beginn eines Albtraums für den heute 35-Jährigen und seine Familie.

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Wenige Tage später wurden seine Eltern bei der Beantragung der Verlängerung ihrer Duldung bei der Essener Ausländerbehörde trotz der nach wie vor katastrophalen Bedingungen im Kongo in Abschiebehaft genommen und ausgeflogen. Kamba, mittlerweile volljährig, drohte nur knapp einen Monat später das gleiche Schicksal. Dies jedoch verhinderten seine Schule und der FC Schalke 04.

Die Königsblauen statteten Kamba mit einem Vertrag für die Reserve aus, wodurch Kambas Bleiberecht zumindest vorübergehend legitimiert war. An seiner Schule wurde gleichzeitig Geld für ihn gesammelt, um seinen Lebensunterhalt in Abwesenheit der Eltern zu finanzieren.

Schalke 04 und die Schule retten Kamba vor der Abschiebung

Besonders hervorgetan habe sich nach Fussball.de-Angabe diesbezüglich Georg Altenkamp, Direktor der Gesamtschule. Altenkam habe Anwälte besorgt, sich an die Härtefall-Kommission der Landesregierung gewandt und eine Spendenaktion gestartet, um Kamba 2007 das Abitur zu ermöglichen. "Ohne die Schule hätte ich es nicht geschafft", sagte Kamba rückblickend.

Er spielte nach den Ereignissen 2005 noch zwei Jahre in der Schalker Reserve unter Trainer Mike Büskens. Insgesamt lief er 68-mal für die Königsblauen auf, ehe er in die Niederungen des Amateur-Fußballs abtauchte. Bis 2015 kickte er noch für unterklassige Vereine und arbeitete als Chemikant. Nach dem "Karriereende" beim Bezirksligisten VfB Hüls folgte die nächste dramatische Wende, die ihn nun vor das Landgericht Essen brachte.

Die Anklage lautet wie folgt: Nachdem Kamba wenige Monate zuvor eine Risikolebensversicherung in Höhe von 1,2 Millionen Euro abgeschlossen hatte, folgte am 9. Januar 2016 die Meldung über Kambas Tod bei einem Verkehrsunfall in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Seine Ehefrau erhielt Ende 2016 das Geld von der Versicherung. Doch zwei Jahre später stellte sich heraus, dass Kamba gar nicht verstorben war.

Ex-S04-Talent Kamba: Entführung statt vorgetäuschter Tod?

2018 tauchte er in der deutschen Botschaft in Kinshasa auf, behauptete, zu Jahresbeginn 2016 entführt worden zu sein, und stellte einen Antrag auf Rückkehr nach Deutschland. "Er gab an, im Januar 2016 bei einer Reise im Landesinneren des Kongos von seinen Begleitern nachts verlassen und ohne Papiere, Geld, Telefon zurückgelassen worden zu sein", erklärte Oberstaatsanwältin Anette Milk gegenüber der  Bild  vor rund einem Jahr.

Als sich die Todesmeldung von Kamba endgültig als falsch herausgestellt hatte , meldete sich sogar Ex-Teamkollege Neuer zu Wort. "Ich habe mich sehr gefreut, als ich gehört habe, dass er noch lebt. Die Nachricht von seinem Tod hat mich damals schockiert. Umso erfreulicher, dass es sich jetzt als Falschmeldung herausstellt", sagte er der  Bild .

2020 kehrte Kamba nach Deutschland zurück, arbeitete wieder als Chemikant bei seiner alten Firma - und musste vergangene Woche vor Gericht erscheinen. Im Juli hatte die Staatsanwaltschaft Essen Anklage wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Versicherungsbetrugs gegen ihn und seine Ehefrau erhoben.

Während Kamba zum Prozessauftakt schwieg, lies seine Ehefrau über ihren Verteidiger mitteilen, sie habe zu keiner Zeit "strafrechtlich relevantes Verhalten an den Tag gelegt". Das Geld der Versicherung sei beschlagnahmt worden.

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