HINTERGRUND
Zweifacher Champions-League-Sieger, zweimal englischer Meister, spanischer Meister und Olympiasieger: Die Liste der Erfolge, die Njitap Geremi im Laufe seiner Karriere verzeichnete ist lang und kann sich definitiv sehen lassen.
Allerdings musste der frühere kamerunische Mittelfeldspieler von Real Madrid und Chelsea einen mehr als steinigen und hindernisreichen Umweg dafür auf sich nehmen - ohne Telefon, inklusive eines zweitägigen Aufenthalts am Flughafen und einem Kurzeitjob als Kofferträger.
Alles begann für den heute 42-Jährigen fernab von Europa, fernab von Zeiten des Instant Messaging, in Rio de Janeiro.
Brasilien, Argentinien, Kamerun: Die kuriose Kontaktaufnahme mit Geremi
Die Leidenschaft für den Fußball entdeckte Geremi auf der Straße, 1995 wurde dann sein Heimatklub RC Bafoussam auf den Rechtsfuß aufmerksam und nahm ihn unter Vertrag. Es dauerte nicht einmal zwei Jahre, bis Geremi vor dem größten Abenteuer seiner Karriere stehen sollte.
"Ich wurde zu einem Freundschaftsspiel in Brasilien eingeladen", erinnert er sich im Gespräch mit Goal und SPOX: "Ich spielte gut und kehrte anschließend nach Kamerun zurück, doch einige brasilianische Teams wollten mich unter Vertrag nehmen."
Zwar sei die Kontaktaufnahme ob der fehlenden Mittel seinerzeit problematisch gewesen, "doch ich kannte einen Spieler namens Alphonse Tchami, der aus meiner Region kam und für die Boca Juniors in Argentinien spielte", blickt Geremi zurück. In der Folge half jener Tchami den interessierten Beratern bei der Kontaktaufnahme.
"Ich danke ihm für immer dafür, denn er hat seinen Cousin losgeschickt, um mich zu finden und mir mitzuteilen, dass sie versuchen, mich zu erreichen", erklärt Geremi die kuriosen Umstände.
Dass die Kontaktversuche erfolglos blieben, verwundert nicht - Geremi besaß kein Telefon. "Ich musste also die Nummer eines Freundes angeben, der in einem anderen Haus gewohnt hat", erzählt er.
Einen konkreten Termin zum Gespräch gab es allerdings nicht. Geremi wartete in der Folge eine ganze Woche, ehe der langersehnte Anruf ertönte. "Es dauerte eine Stunde, bis wir uns verstanden, weil das Signal so schlecht war", sagt Geremi.
"Habe tagelang nicht geduscht": Geremi und die verzweifelte Suche nach seinem Agenten
Kaum war das erste Problem gelöst, stand schon das nächste bereit. "Ich werde emotional, wenn ich daran denke", erklärt Geremi. Mit Blick auf die Umstände eine äußerst nachvollziehbare Gefühlslage, denn die Reise nach Brasilien dauerte knapp drei Tage und mehrere Flüge. So lange, dass er sogar den Termin mit seinem Agenten verpasste.
"Ich bin in Rio angekommen, ohne Telefon und Geld", führt Geremi aus: "Ich war am Flughafen gestrandet und hatte keine Möglichkeit, ihn zu kontaktieren. Ich habe zwei Tage am Flughafen geschlafen."
Um sich etwas zu Essen besorgen zu können, nahm Geremi einen Job als Kofferträger für einen älteren Herren an. "Ich erledigte seine Arbeit und er fütterte mich. Wir verständigten uns mit Handgesten, weil ich kein Portugiesisch sprechen konnte. Ich habe tagelang nicht geduscht und dauernd Ausschau nach meinem Berater gehalten."
Getty ImagesDie Suche erwies sich zwar schließlich als erfolgreich, zum angestrebten Engagement in Brasilien kam es allerdings nicht. "Als ich den Papierkram erledigt hatte und dort ankam, war das Transferfenster bereits geschlossen", resümiert Geremi.
Gänzlich umsonst war die Reise um den Globus jedoch nicht: "Er schaffte es, mir ein Probetraining bei Cerro Porteno zu organisieren." Dies sollte das Ende der Leidenszeit und der Anfang eines beispielhaften Aufstiegs sein.
Süper Lig als Sprungbrett: Aus der Türkei ins Rampenlicht des Santiago Bernabeu
Porteno nahm Geremi im Januar 1997 unter Vertrag, nur ein halbes Jahr später ging es auf den nächsten Kontinent, nach Europa, zu Genclerbirligi Ankara.
Dort etablierte sich Geremi auf Anhieb, absolvierte 58 Pflichtspiele, traf neunmal und stand zwei Jahre später plötzlich im Blitzlichtgewitter des Estadio Santiago Bernabeu.
"In Rio hat mich niemand erwartet, aber in Madrid haben sie alle auf mich gewartet, wow", zeigt sich Geremi heute noch begeistert: "Ich spürte bereits am Flughafen, dass dies eine andere Ebene war. Die Kameras blitzen und alle filmten mich. Wenn ich nicht mit meinem Agenten dagewesen wäre, wäre ich weggelaufen. Überall, wo ich hinkam, waren 30 Medienvertreter. Ich stand unter Schock."
Getty ImagesDrei Jahre lief Geremi für die Königlichen auf, gewann zweimal den Henkelpott und einmal den Ligatitel.
Über den FC Middlesbrough ging es 2003 schließlich für knapp zehn Millionen Euro zu Chelsea. Mit besagten Titeln und einer olympischen Goldmedaille im Gepäck, war Geremi bei seiner Ankunft in London bereits ein Weltstar. Seine Trophäensammlung ergänzte Geremi unter anderem mit zwei Premier-League-Titeln, ehe er seine Karriere nach Stationen bei Newcastle, Ankaragücü und AE Larisa 2011 in Griechenland ausklingen ließ.
Geremis Weg als Beispiel: "Möchte den Fußball in Afrika entwickeln"
Heute leitet der 119-fache Nationalspieler die kamerunische und afrikanische Fußballgewerkschaft und ist gleichzeitig als Vizepräsident der globalen Spielergewerkschaft FIFPro tätig.
"Ich möchte den Fußball in Afrika entwickeln und verbessern", betont er: "Die Menschen lieben den Fußball und es beunruhigt mich, dass unsere Politiker die Bedeutung dieses Sports nicht erkennen."
Geremi weiß, wovon er spricht, schließlich "hat der Fußball mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin." Sein Weg soll als Beispiel dienen, auch wenn man manchmal den einen oder anderen Umweg mit einplanen muss.




