HINTERGRUND
Betrachtet man aktuell die führenden Torschützen der europäischen Top-5-Ligen, also Bundesliga, Serie A, LaLiga, Premier League und Ligue 1, dann stehen mit Robert Lewandowski (26 Tore), Cristiano Ronaldo (18 Tore), Lionel Messi (18 Tore), Mohamed Salah (17 Tore) sowie Kylian Mbappe (16 Tore) die üblichen Verdächtigen an der Spitze.
Blickt man jedoch auf den gesamten Kontinent und damit auf alle ersten Ligen Europas, so führt zwar der Bayern-Stürmer auch diese Liste an, doch dahinter befinden sich nicht etwa Ronaldo oder Messi, sondern die Angreifer Paul Onuachu vom belgischen Klub KRC Genk mit 23 Treffern und Georgios Giakoumakis von VVV-Venlo aus den Niederlanden mit 22 Toren.
Gerade dass Letzterer einen Platz in dieser Aufzählung findet, mutet überraschend an, denn Venlo zählt bei Weitem nicht zu den Spitzenklubs der heimischen Liga. Vielmehr stecken die Schwarz-Gelben auf Tabellenplatz 15 mitten im Abstiegskampf. Dass der 26-jährige Grieche überhaupt in Venlo landete, basiert zudem auf einer kuriosen Geschichte.
Venlo-Lebensversicherung Giakoumakis: Ein polnisches Cafe als Scoutingstelle
Zur Rückserie der vergangenen Spielzeit wurde Giakoumakis vom griechischen Traditionsklub AEK Athen nach Polen ausgeliehen, genauer gesagt zu Gornik Zabrze in die Ekstraklasa, dem Heimatverein von Lukas Podolski. Dort trug sich Giakoumakis seinerzeit in zwölf Partien dreimal in die Torschützenliste ein. Keine allzu herausstechende Bilanz, doch der Mittelstürmer geriet ins Visier zweier Spielervermittler, die daraufhin Venlos Sportdirektor Stan Valckx kontaktierten und auf den Rechtsfuß aufmerksam machten.
Der 57-Jährige begab sich direkt auf die Reise, um Giakoumakis in Aktion zu sehen. "Ich hatte mich für ein Ticket für ein Spiel beworben, aber am Ende habe ich es nicht bekommen, weil wegen des Corona-Virus nur wenige Plätze zur Verfügung standen", erinnerte sich Valckx im Gespräch mit 1Limburg. Stattdessen verfolgte der Niederländer die Partie in einem Cafe.
IMAGO / Pro ShotsQuelle: IMAGO / Pro Shots
Giakoumakis überzeugte und wurde tags drauf kurzerhand mit einem Treffen mit Valckx belohnt. Zur Überraschung des sportlichen Leiters erschien der aus Kreta stammende Torjäger sehr gut vorbereitet zum Gespräch. "Er nannte die Namen aller Venlo-Spieler und wusste, wer kommen und wer gehen würde", schilderte Valckx: "Das sprach für ihn. So etwas hatte ich nicht oft erlebt."
Das Bewerbungsgespräch fruchtete, Venlo überwies für Giakoumakis lediglich 200.000 Euro nach Griechenland, stattete den Stürmer im vergangenen Sommer mit einem Zweijahresvertrag (mit Option auf ein weiteres Jahr) aus - und Giakoumakis schlug ein wie eine Bombe.
Giakoumakis mit 22 Toren in 22 Spielen, aber Venlo hat nur 22 Punkte
22 Tore in ebensovielen Ligapartien hat der griechische Nationalspieler bereits vorzuweisen. Damit liegt er erwartungsgemäß an der Spitze der ligaweiten Torschützenliste, gefolgt vom bei Borussia Dortmund gehandelten PSV-Juwel Donyell Malen (22 Jahre) mit 14 Treffern.
Eine Bilanz, die in der niederländischen Provinz Limburg so niemand erwartet hatte. "Man konnte es nur hoffen", betonte Valckx, der die Eredivisie als "Paradies für Angreifer und junge Spieler" bezeichnete. Die Beletage besteche durch "sehr offensiven Fußball", wohingegen es in anderen Ländern wie Griechenland oder Polen lediglich darum ginge, "kein Gegentor zu kassieren."
Doch trotz offensivem Fußball kämpft Venlo mit 22 Punkten aktuell gegen den Abstieg. Sechs Zähler trennen die Mannen von Cheftrainer Hans de Koning vom Relegationsrang 16. Giakoumakis ist mit seinen Toren die personifizierte Lebensversicherung des niederländischen Pokalsiegers von 1959.
Giakoumakis für Venlo wohl nicht zu halten
Venlo kann gewiss froh sein, dass Giakoumakis nicht bereits im Wintertransferfenster gewechselt ist. Im Falle des Abstiegs wäre er natürlich nicht zu halten, doch auch so halten sich die Hoffnungen auf einen Verbleib über die Saison hinaus in Grenzen. "Durch seine Tore ist er Millionen wert", sagte Valckx. Laut transfermarkt.de beträgt Giakoumakis' aktueller Marktwert 800.000 Euro.
Dass der Klub wahrscheinlich dennoch mehr Geld fordern wird, ist legitim, wenngleich Valckx keine konkreten Preisvorstellungen nannte, sondern lediglich anfügte: "Wenn das Angebot für alle gut ist, werden wir einem Wechsel zustimmen. Wir wollen verhindern, dass es ein Gefeilsche wird. Zum Glück kommt Georgios gut mit der Situation zurecht und ist nicht abgehoben."
Venlo sei nunmal nicht in der luxuriösen Situation, "ein sehr gutes Angebot einfach so abzulehnen".


