James Milner Jurgen Klopp Mohamed Salah 2018-19Getty

Gegenpressing: Wie funktioniert die von Klopp berühmt gemachte Taktik?

Es gibt viele Taktiken und Spielphilosophien im Fußball - und sie verändern sich ständig, denn Trainer suchen immer nach neuen Wegen, um den Gegner vor Probleme zu stellen.

Dabei ist Gegenpressing ein äußerst beliebtes Stilmittel geworden. Mannschaften in Deutschland, England und inzwischen der ganzen Welt versuchen, diesen Ansatz erfolgbringend umzusetzen.

Was aber ist Gegenpressing, wer hat es erfunden und welche Teams spielen mit diesem Ansatz? GOAL beantwortet all diese Fragen.

Was ist Gegenpressing und wie funktioniert diese Taktik?

Gegenpressing - dieser deutsche Begriff hat sich inzwischen in der gesamten Fußballwelt verbreitet. Es ist eine taktische Philosophie, die von Jürgen Klopp während seiner Zeit bei Borussia Dortmund und beim FC Liverpool, den er aktuell immer noch trainiert, berühmt gemacht worden ist. Auch die Mannschaften von Ralf Rangnick nutzen Gegenpressing immer wieder bekanntermaßen.

Der Kern der Philosophie liegt nicht nur darin, dass ein Team seinen Gegner presst, sondern dass dies vor allem mit besonderem Engagement in der gegnerischen Hälfte geschieht. Man kontert quasi den Konter des Gegners.

Damit das klappt, müssen die Angreifer viele Meter machen, denn sie haben die Vorgabe, sofort auf die gegnerischen Verteidiger draufzugehen, um diese zu Fehler zu zwingen, falls der Gegner von hinten rausspielen möchte.

Klopp erklärte das einmal so: "Gegenpressing sorgt dafür, dass man den Ball näher am gegnerischen Tor erobert. Dann ist man nur einen Pass von einer richtig guten Möglichkeit entfernt. Kein Spielmacher auf der Welt kann so gut wie eine Gegenpressing-Situation sein. Deshalb ist das so wichtig."

Jurgen Klopp Liverpool 2019-20Getty Images

Das intensive Pressing verläuft natürlich nach Vorgaben, denn es geht auch darum, den Schwächsten in der Abwehrkette besonders in den Fokus zu nehmen - zum Beispiel den Spieler, der am wenigsten gut am Ball ist. Außerdem ist die Risikoabwägung natürlich wichtig.

Es ist wichtig, beim Gegenpressing hoch und stark zu pressen, doch die Spieler müssen auch selbstständig entscheiden, wann sie sich mal tiefer fallen lassen, um Kraft zu sparen. Gegenpressing kann eben nicht funktionieren, wenn eine Mannschaft ausgepowert ist oder die Spieler zu verletzungsanfällig sind.

Gegenpressing ist dann am effektivsten, wenn drei Spieler in vorderster Front nicht nur schnell und fit sind, sondern auch in der Lage sind, Fehler sofort zu bestrafen, indem sie einen entscheidenden Pass spielen oder direkt abschließen.

Sadio Mane, Roberto Firmino und Mohamed Salah vom FC Liverpool sind dafür das beste Beispiel. Sie füllten ihre Gegenpressing-Rollen perfekt aus und sorgten dafür, dass sich ihr Klub 2019 in der Champions League und 2020 in der Premier League den Titel holte und inzwischen als Gegenentwurf zu Pep Guardiolas Manchester City gilt.

Es kommt bei Gegenpressing aber nicht nur auf die Angriffsreihe an. Das gesamte Team muss sich genau positionieren, um die Passoptionen des Gegenspielers, der gerade den Ball hat, zu minimieren, wenn die eigenen Angreifer pressen.

Das gemeinsame Pressen als Mannschaft hat einen weiteren Vorteil: Wenn mit dem Gegenpressing die Kugel gewonnen wird, befinden sich schon mehr eigene Spieler in gefährlichen Positionen. Wenn beispielsweise Liverpools Außenverteidiger Andy Robertson und Trent Alexander-Arnold vorschieben, sind sie schon in einer guten Position, um bei einem Ballgewinn eine gefährliche Flanke nach innen bringen zu können.

Jurgen Klopp Liverpool 2019-20Getty Images

Wer hat das Gegenpressing erfunden?

Das Gegenpressing wird oft mit Jürgen Klopp in Verbindung gebracht. Der aktuelle Liverpool-Trainer hat sicherlich seine ganz eigene Variante dieser Taktik entwickelt, der Erfinder des Gegenpressings ist er allerdings nicht.

Denn das Pressing - oder "Zustellen", wie es früher genannt wurde - gibt es schon lange. Es ist eine grundsätzliche Verhaltensweise eines Teams, das nicht den Ball hat. Klopp steht zwar für den Begriff Gegenpressing, aber er ist nur der aktuell bekannteste Namen in einer Reihe von Trainern, die diese Philosophie verfolgten.

Klopps Mentor in Mainz, Wolfgang Frank, war ein Verfechter des Pressings, wobei Frank selbst stark vom legendären Milan- und Italien-Coach Arrigo Sacchi beeinflusst worden war.

Unter Sacchi wurden die Rossoneri zu einer unaufhaltsamen Pressing-Maschine, die in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren zwei Europapokale und einmal die Serie A gewann.

Arrigo Sacchi 05252016Getty Images

Der Italiener erklärte, dass es beim Pressing nicht darum geht, dem Gegner hinterherzulaufen, sondern darum, "Räume zu kontrollieren" und damit auch das Spiel.

"Wenn wir unseren Gegner so spielen lassen, wie er will, würde sein Selbstbewusstsein immer größer werden. Aber wenn wir ihn dabei stoppen, schadet das dem Selbstbewusstsein", sagte Sacchi in Jonathan Wilsons Buch Inverting the Pyramid. "Das war der Schlüssel: Unser Pressing war nicht nur ein körperliches, sondern auch ein psychologisches."

Andere Trainer dürfen aber auch von sich behaupten, das Pressing bis zur Perfektion getrieben zu haben. Dazu gehört auch Marcelo Bielsa, dessen unnachgiebiger Ansatz des Pressings, bei dem seine Spieler die gesamte Zeit in Bewegung sein müssen, sogar zum Vorwurf führte, es gäbe "Bielsa-Burnout".

Pep Guardiola ist ein weiteres bekanntes Beispiel. In seiner Zeit beim FC Barcelona ließ er hoch pressen. Jose Mourinho arbeitete mit dieser Taktik in den frühen 2000er-Jahren beim FC Porto, als seine Mannschaft sehr effektiv darin war, den Gegner schon in dessen Hälfte zu Fehler zu zwingen.

Marcelo Bielsa Leeds United 2019-20Getty

Welche Teams haben Gegenpressing genutzt?

Das Gegenpressing wurde von Jürgen Klopp bei jeder Mannschaft, die er trainiert hat, angewendet. Er startete damit schon in Grundzügen in Mainz, bevor er die Idee bei Borussia Dortmund noch einmal weiterentwickelte.

Beim BVB nannte er selbst seinen Ansatz 'Heavy-Metal-Fußball' - und mit dem hatte er Erfolg: Zweimal sicherte er sich in der Bundesliga die Meisterschaft und auf dem Weg ins Champions-League-Finale 2013 eroberte er mit seinem Team die Herzen der Fußball-Fans in ganz Europa.

Als Klopp 2013 den Spielstil von Arsene Wengers FC Arsenal beschreiben sollte, sagte er, die Gunners wären "wie ein Orchester, das ein leises Lied spielt. Aber ich mag Heavy Metal lieber. Ich will es lieber laut haben."

Nachdem er 2015 den Job beim FC Liverpool übernommen hatte, hat er die Mannschaft nach seinen Wünschen umgekrempelt - und im Zentrum der Veränderungen auf dem Platz steht der Gegenpressing-Ansatz.

Klopp ließ sich als Taktikschüler von den Lehrmeistern Frank und Sacchi direkt und indirekt beeinflussen - und er selbst hat mit dem von ihm vorgegebenen Spielstil andere Trainer geprägt.

Eines der Beispiele dafür ist Jupp Heynckes, der in der Triple-Saison von Bayern München Gegenpressing spielen ließ. Der aktuelle Bayern-Coach Julian Nagelsmann verfolgte den Ansatz bei seiner vorherigen Station RB Leipzig und auch schon davor in Hoffenheim. Bei diesen beiden Klubs konnte sich Nagelsmann natürlich auch schon an der Arbeit von Ralf Rangnick orientieren, der den Stil während seiner Zeit bei RB und bei der TSG vorgegeben hatte.

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