Die Probleme in Paris Saint-Germains Mittelfeld in dieser Saison haben dafür gesorgt, dass sich Trainer Thomas Tuchel dazu gezwungen sah, eine ungewöhnliche Lösung zu finden.
Adrien Rabiot kommt in den PSG-Plänen nicht mehr vor und überzeugende andere Optionen für den Platz neben Marco Verratti gab es nach dem Karriereende von Thiago Motta im vergangenen Sommer nicht. Deshalb musste Marquinhos aus der Abwehrreihe auf den Platz neben dem Italiener rücken.
Lange wurde der 24-Jährige als eines der größten Defensivtalente weltweit betrachtet, doch inzwischen hat er bewiesen, dass er auch auf anderen Positionen als auf seinem angestammten Platz in der Innenverteidigung verlässlich seine Arbeit erledigt.
Zunächst musste er bei PSG als Rechtsverteidiger ran, wenn dort Bedarf bestand. In dieser Saison jedoch füllt Marquinhos vor allem die Lücke im defensiven Mittelfeld.
Nachdem er PSG im Februar zum 2:0-Auswärtssieg bei Manchester United im Old Trafford in dieser Rolle verholfen hatte, bestätigte er, dass ihm seine neue Positionen "immer mehr" gefalle.
"Ich versuche, mich zu verbessern und konzentriere mich im Training darauf, die neuen Fähigkeiten, die ich brauche, zu lernen", sagte er.
Bei seinem ersten Auftritt als Sechser in der Champions League in Liverpool merkte man dem Brasilianer noch die Unsicherheit an. Seitdem hat er sich aber an seine neue Position gewöhnt und zeigte das mit einer überragenden Vorstellung gegen United, als er Paul Pogba im Mittelfeld an die Kette legte.
Das war eine Aufgabe, die ihm wie auf den Leib geschneidert war: Marquinhos war schon immer ein Spieler, der großen Wert darauf legte, seinen direkten Gegenspieler zu stoppen. Wichtige Tacklings oder geblockte Bälle feiert er so, als ob er gerade ein Tor gemacht hat.
Deshalb war es eigentlich wenig überraschend, dass er Pogba komplett aus dem Spiel nehmen konnte.
"Er hat alle Fähigkeiten, um aus der Innenverteidigung ins Mittelfeld vorzurücken: die Technik, um sauber zu spielen, die Qualität, das Spiel lesen zu können, und auch den Siegeswillen. Es ist extrem wichtig, in der Zentrale Mentalität zu zeigen", sagte Christian Karembeu Le Parisien .
Bezeichnend für all diese Marquinhos-Fähigkeiten war das zweite PSG-Tor durch Kylian Mbappe an jenem Abend. Erst verzeichnete der Brasilianer einen Ballgewinn, bevor er die Kugel beim deutlich kreativeren Marco Verratti ablieferte. Nach sieben schnellen Pässen versenkte Mbappe den Ball dann im United-Netz.
Natürlich muss Marquinhos in seiner neuen Rolle noch viel lernen, denn wenn er sich nicht auf die Defensive konzentrieren muss, ist sein Beitrag zum PSG-Spiel eher bescheiden.
Deshalb sieht ihn der ehemalige PSG-Mittelfeldspieler Fabrice Abriel auch nur als Übergangslösung im Mittelfeld.
"Bei ausgeglichenen Spielen wie denen in der Champions League oder in den Top-Duellen der Ligue 1 kann er dort sehr nützlich sein", sagte er Le Parisien.
"Seine Schnelligkeit und seine Zweikampfstärke bringen PSG viel. Außerdem hat Tuchel auch gar keine andere Wahl. Leandro Paredes oder Julian Draxler können wie Verratti spielen, aber im PSG-Kader steht halt schon ein Verratti. Es gibt aber nur einen Marquinhos im PSG-Kader”, fügte er hinzu.
Nach dem Champions-League-Aus für PSG, das drei Wochen später nach einer bösen 1:3-Heimniederlage gegen die Red Devils feststand, war es Marquinhos, der an der Wiedergutmachung arbeitete, als er beim 4:0 gegen Dijon ganz früh den Führungstreffer per Kopf erzielte. Es war ein Spiel, das für die Moral bei den Parisern ganz wichtig war.
Die Einstellung von Marquinhos und seine Herangehensweise an die Duelle ist einzigartig in der Pariser Mannschaft.
Im am Sonntag anstehenden 'Classique' gegen Marseille im Parc des Princes wird er wieder die Rolle des Leaders auf dem Platz übernehmen - auch von seiner neuen Position in der Zentrale aus.
PSG wird sich dann mit einem Gegner auseinandersetzen müssen, der nach einem schweren Winter wieder gut drauf ist: Das Team von Trainer Rudi Garcia hat sechs der letzten sieben Spiele in der Ligue 1 gewonnen und sich dabei vor allem auf Stürmer Mario Balotelli verlassen können.
Presnel Kimpembe und Thiago Silva werden sich für PSG nun um den Italiener kümmern. Für Marquinhos wird es darum gehen, möglichst wenig Zuspiele auf den ehemaligen Stürmer von Manchester City und Liverpool zuzulassen.
Doch wer mit Paul Pogba einen der Offensivspieler kalt stellen kann, der aktuell in Top-Form ist, kann es mit Sicherheit auch mit Balotelli aufnehmen. PSG-Trainer Thomas Tuchel setzt jedenfalls aller Voraussicht nach wieder mit Marquinhos auf seine ungewöhnliche Lösung in der Mittelfeldzentrale.