ONLY GERMANY Florian Wirtz 1 FC Kolmn U17 2019Imago Images

Wirbel um Wechsel von FC-Talent Florian Wirtz nach Leverkusen - Simon Rolfes erklärt Bayers Abwerbung


HINTERGRUND

Wenn Rudi Völler wegen eines 16-Jährigen eine Kolumne im Fachblatt kicker schreibt, muss es ein besonderer Fall sein. Und das ist bei Junioren-Nationalspieler Florian Wirtz tatsächlich so.

Denn beim 1. FC Köln ist die Enttäuschung groß, dass Lokalrivale Bayer Leverkusen eines der größten Talente des deutschen Fußballs abgeworben hat - trotz einer Vereinbarung, sich nicht gegenseitig Jugendspieler abspenstig zu machen.

"Damit gehe ich ganz entspannt um", meint Bayer-Sportdirektor Simon Rolfes im Gespräch mit Goal und SPOX am Rande der Sportbusiness-Messe SPOBIS in Düsseldorf. "Ich kenne den Spieler, seit er 14 ist. Es hat sich etwas überraschend die Möglichkeit ergeben, weil der Vertrag auslief und dann haben wir uns bemüht."

Bayers Argumentation: Die 2001 von den Vorständen von Köln, Leverkusen und Borussia Mönchengladbach getroffene Absprache gelte bei Wirtz nicht, da sein Vertrag beim FC im Sommer ausläuft und er direkt einen Profivertrag erhalten soll. Deshalb könnte der Wechsel schon in Kürze über die Bühne gehen, da Köln nur so überhaupt eine Ablöse erhält.

Bayern, BVB, Schalke und Liverpool waren an Florian Wirtz interessiert

Leverkusen schuf deshalb Fakten, weil auch Top-Klubs wie der FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig, Schalke 04 und angeblich sogar der FC Liverpool Wirtz verpflichten wollten. Den Ausschlag gab demnach ein Gespräch von Wirtz in der BayArena mit Chefcoach Peter Bosz, Vorstandsboss Fernando Carro, Völler und Rolfes.

Florian Wirtz Germany U17

"Ich wusste, dass viele Vereine interessiert sind, und dann haben wir überlegt, bevor er irgendwo anders hingeht, wollen wir versuchen, dass er zu uns kommt und weiter zu Hause wohnen kann", erklärte Rolfes.

Wirtz, der seit 2010 beim FC spielt, wohnt bei seiner Familie im nördlich von Köln gelegenen Pulheimer Stadtteil Brauweiler. Offenbar mit Blick auf lukrative Offerten lehnten die Eltern, die auch als seine Berater fungieren, nach Angaben der Kölnischen Rundschau beim Eintritt des Sohns in die U16 den in diesem Alter üblichen Dreijahresvertrag plus ein nachverhandelbares weiteres Jahr ab und beharrten auf einen Kontrakt über nur zwei Spielzeiten. So kamen die Leverkusener ins Spiel.

Völler nennt Havertz und Brandt als Vorbild für Wirtz

"Als Simon Rolfes vor einiger Zeit zu mir kam und mich darauf aufmerksam machte, dass überraschenderweise ein überaus talentierter Spieler aus der Region auf dem Markt und wechselwillig sei, stiegen wir in die Verhandlungen ein", schrieb Völler im kicker .

Er führte aus: "Wir haben Florian in den Gesprächen eine sportliche Perspektive aufgezeigt und sicherlich auch davon profitiert, dass wir in der Vergangenheit vielen jungen Spielern wie Kai Havertz, Julian Brandt oder Benjamin Henrichs sehr früh die Chance gegeben haben, sogar in der Champions League aufzulaufen. Diesen Vorteil haben wir uns erarbeitet, und mit diesem Pfund nicht zu wuchern, wäre dumm und verantwortungslos unserem Verein gegenüber.“"

Neben dem finanziell höheren Angebot und den sportlich besseren Perspektiven konnte Bayer zudem mit dem strahlenden Beispiel Havertz punkten. Denn der Nationalspieler, der voraussichtlich im Sommer Bayer verlassen wird, debütierte bereits mit 17 Jahren beim Werksteam und Wirtz könnte einen ähnlichen Weg gehen. Schließlich gilt der offensive Mittelfeldspieler als eines der größten Hoffnungsträger im deutschen Nachwuchs mit einer herausragenden Quote. In den bisherigen zehn Saisonspielen der Junioren-Bundesliga West erzielte er acht Treffer. Überregionale Bekanntheit erhielt er durch sein Tor von der Mittellinie fünf Sekunden nach dem Anstoß beim 10:0 im Junioren-Bundesligaspiel gegen den Wuppertaler SV im Dezember.

"Bester Mittelfeldspieler in der FC-Jugend der vergangenen 30 Jahre"

Der Kölner Express bezeichnete Wirtz als den "besten Mittelfeldspieler, der in den vergangenen 30 Jahren die FC-Jugend durchlaufen hat".  Der DFB-Auswahlspieler, dem ein herausragendes Spielverständnis nachgesagt wird, hatte maßgeblichen Anteil am Gewinn der deutschen U-17-Meisterschaft der Geißböcke im vergangenen Juni.

Nun haben die Kölner das Nachsehen und kassieren im schlechtesten Fall gerade mal die festgelegte Ausbildungsentschädigung von rund 50.000 Euro. Entsprechend genervt ist man in der Domstadt, wenngleich man bisher auf öffentliche Vorwürfe verzichtet. Sportchef Horst Heldt wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Doch Rolfes und Völler war das ohnehin egal.

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"Der Markt ist eng und heiß umkämpft, da konnten wir keine Rücksicht nehmen auf unser seit vielen Jahren gutes Verhältnis zum 1. FC Köln und auch zu Horst Heldt, der im umgekehrten Fall, da bin ich sicher, ebenso gehandelt hätte", meinte Völler.

Von diesem angeblich guten Verhältnis scheint Bayer-Boss Carro nichts zu wissen: "Zu uns kommen Klubs wie Atletico Madrid, die wissen nicht mal, dass es in Köln einen Bundesliga-Verein gibt."

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