EXKLUSIV-INTERVIEW
Felix Götze spielte in der Jugend beim BVB und FC Bayern, sorgte beim FC Augsburg mit einem Treffer gegen seinen Ex-Klub für Furore und wurde in der Folge von einer langwierigen Hüftverletzung außer Gefecht gesetzt. Zuletzt fand er auf Leihbasis beim 1. FC Kaiserslautern die Freude am Fußball wieder.
Im Interview mit Goal und SPOX spricht Götze darüber, wie er den Sprung zum BVB schaffte und welche Partie als Jugendspieler "bis heute eines meiner geilsten Erlebnisse" war.
Herr Götze, Ihre Familie ist kurz vor Ihrer Geburt vom Ostallgäu nach Dortmund gezogen. Dort gingen Sie Ihre ersten Schritte als Fußballer in der Jugend des Hombrucher FV - wie es auch bei Ihren älteren Brüdern Mario und Fabian der Fall war. War dieser Weg vorgezeichnet?
Götze: Ja, mir wurde die Sportbegeisterung in die Wiege gelegt. Meine Brüder sind sechs und acht Jahre älter und haben schon immer gekickt. Unsere Eltern haben vor allem Tennis gespielt, mein Vater hat aber wirklich jeden Sport gemacht.
Ihre Eltern dürften gut zu tun gehabt haben, um den drei Söhnen gerecht zu werden.
Götze: Auf jeden Fall. Meine Mutter saß wegen uns nur im Auto und war damit beschäftigt, uns hin- und her zu fahren, von Trainingsplatz zu Trainingsplatz. Das war schon Wahnsinn. Unser Vater musste als Professor an der Uni oft arbeiten und konnte daher nicht allzu oft einspringen.
Später folgten Sie Ihren Brüdern vom Hombrucher FV zu Borussia Dortmund. Auch das war naheliegend, oder?
Götze: Klar. Ich kann mich noch genau an die Umstände des Wechsels erinnern: In der Jugend mit Hombruch war die Partie gegen Eintracht Dortmund immer das Highlight für uns. Ich habe gegen Dylan Esmel, einen sehr talentierten Spieler der Region, ein super Spiel gemacht. Es waren auch ein paar Scouts des BVB anwesend. Danach ging alles dann ganz schnell und es wurde Kontakt zu meinen Eltern hergestellt.
Nach ein paar Jahren in Dortmund zogen Sie 2014 mit 16 wie ihre Geschwister zum FC Bayern weiter.
Götze: Es gab mit dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg zwei Interessenten. Es fiel mir dann nicht schwer, mich für München und der Nähe zu meinen Brüdern zu entscheiden. Das war im Grunde alternativlos. Insbesondere Trainer Holger Seitz war in der Bayern-Jugend mein ständiger Ansprechpartner und hat mir sehr geholfen.
Drei Jahre später wurden Sie mit Bayerns A-Jugend Meister der Staffel Süd/Südwest. In der Endrunde um den Titel kam es zu einem kuriosen Halbfinale gegen den FC Schalke 04. Wie erinnern Sie sich?
Götze: Das waren zwei ganz wilde Spiele. Das Hinspiel haben wir nach einem Eigentor von mir und einer Roten Karte 1:3 verloren. Auch im Rückspiel lagen wir zurück, schossen dann aber drei Tore in fünf Minuten und hatten im Elfmeterschießen das Glück auf unserer Seite: Bei Schalke blieb der Ball nach einem Schuss an die Latte am Torwart hängen, bei uns sprang er von der Latte an den Torwart und hinter die Linie. Das war völlig verrückt.
IMAGO / DeFodiGötze schwärmt von Manuel Neuer: "Einfach überragend"
Das Finale gegen den BVB fand im Signal Iduna Park vor über 30.000 Zuschauern statt - eine Rekordkulisse für ein A-Jugend-Spiel.
Götze: So etwas hatte niemand von uns auf dem Feld bisher erlebt. Für mich war das doppelt schön, direkt in der Heimat und in dem Stadion, das ich früher besucht habe. Das ist bis heute eines meiner geilsten Erlebnisse als Fußballer. Auch wenn wir alle natürlich brutal enttäuscht waren nach der Niederlage, es ging ja wieder ins Elfmeterschießen.
In der Saison 2016/17 standen Sie dann erstmals im Profikader des FC Bayern, im Anschluss erhielten Sie einen Profivertrag. Wer hat Ihnen bei der Integration ganz oben besonders geholfen?
Götze: Was das Umfeld angeht, ist der FC Bayern ein echter Sonderfall, die Dimensionen dort sind schon enorm. Herausheben möchte ich Manuel Neuer, der sich als Kapitän immer vorbildlich um alle gekümmert hat. Damit hat er seinen Mitspielern viele Dinge vereinfacht - und das galt nicht nur für junge Spieler, sondern für alle. Einfach überragend.
2017/18 kamen drei weitere Kadernominierungen in der Bundesliga hinzu. Wie sind Sie mit diesen Perspektiven umgegangen?
Götze: Ich wusste ja, welch Konkurrenz dort auf mich wartet. Es wäre unangebracht gewesen, irgendwelche Ansprüche zu stellen. Ich konnte schon allein im Training dort so viel mitnehmen, das war richtig cool. Der Plan war es, dass ich regelmäßig in der zweiten Mannschaft spiele und bei den Profis trainiere. Natürlich hätte ich mich über eine Chance gefreut, aber das waren schon echt andere Sphären.
IMAGO / MISNach vier Jahren in München wechselten Sie 2018 ablösefrei zum FC Augsburg. Wie kam das zustande?
Götze: Trainer Manuel Baum wollte mich unbedingt haben. Für mich konnte es zum damaligen Zeitpunkt nichts Besseres geben. Ich hatte zuvor 19 Spiele in der Regionalliga gemacht, das war genau der richtige Schritt. Und die Nähe zu München hat auch gepasst und eine Rolle gespielt.
Bereits in Ihrem zweiten Bundesliga-Einsatz ging es zum FC Bayern - und Sie trafen nach Ihrer Einwechslung zum 1:1-Endstand.
Götze: Jedes Bundesligaspiel war für mich ein Highlight, aber das hat alles getoppt. Ich stand einfach richtig, der Ball kam super nach innen. Viel musste ich gar nicht mehr machen, den hätten viele reingehauen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl - vor allem, weil wir dadurch noch einen Punkt mitgenommen haben.
Viele Spielminuten kamen in dieser Saison aber nicht mehr hinzu, es plagten Sie zunehmend Probleme an der Hüfte. Die anschließende Spielzeit verpassten Sie gar komplett. Was war genau los?
Götze: Es war ein schleichender Prozess, die Probleme kamen nicht von heute auf morgen. Irgendwann konnte ich nicht einmal mehr auf dem Sofa sitzen und musste mit Schmerzmitteln spielen. Es war kein einfacher Schritt, aber so kam ich dann zum Ergebnis, dass eine Operation nicht mehr zu vermeiden ist.
Götze: Comeback nach Verletzung? "Absolut mulmiges Gefühl"
Im Sommer 2019 wurde dabei eine knöcherne Fehlbildung beseitigt und ein Stück Knochen im linken Hüftgelenk entfernt.
Götze: Das war insgesamt einfach eine richtig blöde Zeit und für den Kopf sehr kompliziert. Auch in der Folge gab es immer wieder Probleme an anderen Stellen durch die veränderte Belastung. Daher bin ich jetzt richtig froh, dass ich die Sache mittlerweile gut überstanden habe.
Als Sie so lange verletzt waren, begannen Sie ein Fernstudium der Ernährungswissenschaften. Was hat es damit auf sich?
Götze: Ich bin noch dabei, aber das läuft derzeit nicht so, wie ich mir das vorstelle. (lacht) Während der Verletzung war das einfacher. Nun neben Training und den zuletzt vielen englischen Wochen blieb die Lust zum Lernen ab und an auf der Strecke. Es bleibt aber interessant, Biologie und Anatomie fand ich schon in der Schule gut.
Im Oktober 2020 gaben Sie schließlich Ihr Comeback für die zweite Mannschaft des FCA. Kann man nach einer solch langen Pause das Spiel überhaupt genießen oder hatten Sie Angst vor einem Rückschlag?
Götze: Als ich auf den Platz ging, herrschte zu Beginn ein absolut mulmiges Gefühl. Ein paar Leute haben vor der OP gesagt: 'Wenn du den Eingriff vornimmst, sieht die Sache erst einmal nicht so gut aus.' Aber ich hatte mir im Anschluss ausreichend Zeit für die Reha gelassen.
Nach insgesamt drei Partien in der Regionalliga Bayern für Augsburg II wurden Sie im vergangenen Februar zum 1. FC Kaiserslautern in die 3. Liga verliehen. Wie froh waren Sie nach Ihrer Vorgeschichte, dass es diese Anfrage gab?
Götze: Sehr froh. Es gab noch zwei, drei andere, aber ich habe mich beim FCK am wohlsten gefühlt und es ging dann auch schnell. Am letzten Tag des Transferfensters blieb ja auch nicht mehr viel Zeit.
Sie kamen in einer kritischen Situation in die Pfalz, fielen anfangs erneut aus, avancierten dann aber schnell zum Leistungsträger. Hat Sie das überrascht?
Götze: Ja, denn damit war wirklich nicht zu rechnen. Ich merkte, dass ich mich schnell eingefunden habe. Ich dachte nicht, dass ich so regelmäßig alle drei Tage spielen kann, aber ich habe alles aus mir herausgeholt und weiter großen Wert auf die Regeneration gelegt. Die Spiele beim FCK haben mein Selbstvertrauen deutlich erhöht, ich habe den Spaß am Spiel wiedergefunden. Andererseits: Es waren eben auch nur elf Spiele. Der nächste Schritt ist es, eine Saison durchzuspielen. Ich weiß nun, dass mein Körper dazu wieder in der Lage ist. Ich will in der kommenden Saison mindestens 30 Spiele machen.
Die Frage ist allerdings noch, wo Sie das genau tun können? FCK-Trainer Marco Antwerpen schwärmte zuletzt von Ihnen, in den sozialen Medien kursierte ein Video von Joko und Klaas, die sich für Ihren Verbleib einsetzen.
Götze: Wenn man so viele positive Dinge über sich hört, freut man sich einfach und ist stolz. All die Nachrichten, die ich in den vergangenen Wochen bekommen habe, sind einfach schön. Das habe ich in der Form auch noch nicht erlebt, die Fanbase beim FCK ist schon eine besondere. Es ist blöd, dass ich nicht vor diesen Fans spielen durfte.
