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FCB-Juwel Paul Wanner: Die Weiterentwicklung von Mesut Özil

Paul Wanners Bundesliga-Debüt im Alter von 16 Jahren und 15 Tagen machte ihn zum jüngsten Spieler in der Geschichte des FC Bayern München - und der Zufall half dabei gehörig mit: Wanner wurde gemeinsam mit Arijon Ibrahimovic extra für die Partie gegen Borussia Mönchengladbach (1:3) eingeflogen, weil der Kader der Münchner Mitte Januar durch viele Coronafälle stark ausgedünnt war.

Warum ausgerechnet er gegen Mönchengladbach eingewechselt wurde, zeigte Wanner direkt mit seinem ersten Ballkontakt: Auf der rechten Außenbahn bekam er einen Ball von Benjamin Pavard zugespielt, kontrollierte diesen und ging sofort ins Dribbling gegen zwei gestandene Bundesliga-Spieler – erfolgreich. Wanner schwamm nicht einfach nur mit, sondern machte den Eindruck, die müde wirkenden Bayern wiederbeleben zu können. Er bot sich aktiv an, forderte Bälle und leitete sogar einen Angriff ein, den Thomas Müller und Robert Lewandowski beinahe zum 2:2-Ausgleich verwertet hätten.

Eine Szene, die seine verschiedenen Qualitäten unter Beweis stellte: Erst eroberte er im Pressing den Ball, dann blieb er aber ruhig, ließ mit Manu Kone einen Gladbacher an sich vorbeilaufen und spielte dann im richtigen Augenblick einen gut dosierten Pass in die Tiefe. Diese Handlungsschnelligkeit beeindruckt auch seinen Trainer bei der U17-Nationalmannschaft. "Er verfügt über eine sehr enge und dynamische Ballführung, mit der er Spielsituationen total verändern kann", sagt Marc-Patrick Meister GOAL und SPOX.

"Unten kann er alles", analysierte Julian Nagelsmann nach dem Gladbachspiel und bezog sich damit auf die fußballerischen Qualitäten Wanners. Schon am nächsten Spieltag gegen den 1. FC Köln (4:0) belohnte er ihn mit einem weiteren Kurzeinsatz und auch gegen Hertha BSC (4:1) sammelte der Teenager als Joker Spielpraxis. Die Fähigkeit, mit wenigen Ballkontakten den Spielverlauf entscheidend zu beeinflussen, weckt Erinnerungen an Mesut Özil, der in Deutschland immer kontrovers diskutiert wurde.

Bayern-Talent Paul Wanner: Mesut Özils Nachfolger?

Unbestritten ist allerdings, dass Özil nicht nur viele Tore, sondern auch viele Großchancen mit phänomenalen Pässen und Dribblings eingeleitet hat. In diesem Bereich ähnelt Wanner dem ehemaligen Nationalspieler. Wenn er den Ball bekommt, sofort in die richtige Richtung aufdreht und anschließend innerhalb weniger Bruchteile einer Sekunde eine gute Entscheidung trifft, ist er Özil in den Bewegungsabläufen recht ähnlich. Vor allem die Gedankenschnelligkeit bei gleichzeitig sauberer Durchführung der Bewegungsabläufe ist eine Parallele.

Beim DFB hat Wanner bereits sieben Partien für die U17 bestritten, in denen er zwei Tore und drei Torvorlagen beisteuerte. Meister ist vor allem vom Mut des jungen Offensivspielers begeistert. Jener Mut, mit dem Wanner auch bei den Profis sofort so aufspielte, als sei es ein normales U19-Spiel am Campus des FC Bayern München.

Bernhard Peters: "Viele Talente gesehen, die es nicht schafften"

"Paul ist ein sehr flinker Offensivspieler, der bei uns im Mittelfeld bereits auf allen Offensiv-Positionen gespielt hat", so Coach Meister. Das könnte ihm auch beim FC Bayern noch sehr weiterhelfen. Denn eigentlich hat der 16-Jährige seine großen Stärken im Zentrum. Auf der Zehnerposition oder in den Halbräumen fühlt Wanner sich wohl. Dort kann er Angriffe einleiten und bei Bedarf selbst aus der Tiefe in den Strafraum ziehen.

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Dass er aber auch auf der Außenbahn spielen kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass er den Sprung in den Profikader trotz großer Konkurrenz schafft. Dafür muss aber noch einiges passieren. Jemand, der sich mit der Entwicklung von Talenten besonders gut auskennt, ist Bernhard Peters. 2006 sollte Peters auf Wunsch von Jürgen Klinsmann Sportdirektor beim DFB und somit Teil der großen Reformation des deutschen Fußballs werden. Im Hockey hatte er sich sowohl als Jugendtrainer als auch im Herrenbereich einen Namen gemacht, wurde dort mehrfach Weltmeister.

Seine Perspektive war und ist bis heute im Fußball sehr gefragt. Auch wenn es 2006 mit dem DFB nicht klappte, war er für den Verband in der Vorbereitung auf die EM 2008 beratend tätig. Außerdem arbeitete er für den Hamburger SV und die TSG Hoffenheim, wo er als Entdecker von Julian Nagelsmann gilt.

Zu GOAL und SPOX sagt Peters: "Vom Talent bis zum Top-Spieler ist es ein sehr, sehr weiter Weg. Ich habe viele Talente gesehen, bei denen es noch jede Menge zu entwickeln galt." Dabei bezieht sich Peters vor allem auf die Persönlichkeitsentwicklung. Viele junge Spieler, die in den U16- und U18-Bereichen sportlich herausstachen, hätten es nicht geschafft, "weil sie nicht den notwendigen Willen hatten, an sich zu arbeiten, um auf die nächste Ebene zu kommen."

Paul Wanner verfügt über "Lernwille und Lernfähigkeit"

Gerade das direkte Umfeld sei "in den Fragen der Erziehung, der auch mal kritischen Begleitung und der Charakterentwicklung des Spielers sehr entscheidend", sagt Peters. Im Umfeld des Campus macht sich beim FC Bayern dahingehend aber niemand Sorgen. "Er ist unglaublich ehrgeizig. Je schwerer die Herausforderung, desto besser sind seine Leistungen – er ist wirklich jemand, der an seinen Aufgaben wächst", sagte Alex Moj kürzlich The Athletic.

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Moj ist der Trainer, der Wanner am Campus des FC Bayern am längsten unter seinen Fittichen hatte. Auch sein aktueller DFB-Trainer Meister ist optimistisch. Wanners "Lernwille und auch Lernfähigkeit" würden ihm dabei helfen, sich kontinuierlich zu verbessern.

Sein Wille wird für Außenstehende deutlich, wenn er auf dem Platz steht. Denn ein wesentlicher Aspekt unterscheidet Wanner dann doch recht deutlich von Mesut Özil: Er ist insbesondere gegen den Ball deutlich aktiver. In den vergangenen Monaten habe der 16-Jährige vor allem sein Defensivhalten stark verbessert und er höre auch nicht auf, daran zu arbeiten, stellt Meister fest.

Wanner nur auf seine Spielintelligenz und sein feines Ballgefühl zu beschränken, wäre also nicht richtig. Sein ständiger Fokus auf die jeweilige Spielsituation ist bemerkenswert. Während andere Spieler abschalten, ist Wanner stets aktiv, ohne dabei aber zu überdrehen. Er attackiert sowohl mit Kopf als auch mit Herz und fügt sich somit in den meisten Spielphasen gut in sein Team ein, obwohl er in einzelnen Momenten den Unterschied machen kann.

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Für Wanner wird es in den kommenden Jahren entscheidend sein, dass er physisch noch zulegt. Im Männerbereich ist die Wucht im Zweikampfverhalten eine ganz andere. Das Spieltempo ist zudem "viel höher und die Zeit für eine Entscheidung am Ball viel kürzer", sagt Meister. Dementsprechend wird er Zeit brauchen, sich an diese Gegebenheiten anzupassen. Bleibt er aber gesund, "kann er mit seinen Fähigkeiten viel erreichen", ist sich Meister sicher.

FC Bayern München: Vertragsverlängerung mit Wanner nur noch Formsache?

Dass es für den 16-Jährigen auf diesem Weg nicht immer nur bergauf gehen wird und dass gerade relativ viel auf ihn zukommt, weiß auch sein U17-Trainer beim DFB: Es sei klar, "dass Spieler in diesem Alter in kürzester Zeit mit Dingen konfrontiert werden, für die andere mehr Zeit haben, diese zu begreifen." Mit den zum Teil neuen Rahmenbedingungen umzugehen, sei nicht so einfach.

Dazu gehört auch, dass sein Vertrag beim FC Bayern im kommenden Sommer ausläuft und viele Klubs aus der Bundesliga und dem Ausland bereits Schlange stehen. GOAL und SPOX können aber bestätigen, was Sport1 und der kicker berichtet hatten: Wanner und sein Umfeld tendieren zu einer Verlängerung beim FC Bayern. Der Klub bemüht sich aktuell um eine angemessene Perspektive für Wanner. Thema ist beispielsweise, ob eine Leihe zeitnah sinnvoll wäre. Wann und in welche Richtung eine Entscheidung fällt, ist aber noch nicht absehbar.

Absehbar ist hingegen, dass Wanner alles mitbringt, um den von Peters als "sehr, sehr weit" beschriebenen Weg in die Bundesliga zu gehen: Fußballerisches Talent, ein gesundes Umfeld und einen zumindest im Moment klaren Kopf.

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