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FC Bayern München - Linda Dallmann im Interview: Equal pay? "Uns geht es um Rahmenbedingungen"

Linda Dallmann zählt mit elf Torbeteiligungen in 25 Spielen zu den Top-Angreiferinnen des FC Bayern München. Im vergangenen Jahr holte die Spielmacherin mit der Deutschen Meisterschaft ihren ersten großen Titel im Profibereich, im Sommer will sie mit ihrem Klub und der Nationalmannschaft nachlegen.

Im Interview mit GOAL und SPOX spricht die 27-Jährige über die Beschlüsse des DFB-Bundestags am 11. März, überwiegend männliche Trainer im Profibereich, ihre Karriere nach dem Profisport und die irreführende Bedeutung des Begriffs "Equal pay".

Außerdem verrät sie, warum nicht nur sie selbst besser ist als vor zwei Jahren, sondern auch der FC Bayern. Und sie gibt Einblicke in ihre Gefühlswelt vor dem Highlightspiel am Dienstag in der Allianz Arena gegen Paris Saint-Germain.

Die Münchnerinnen werden dann mit einem Sondertrikot auflaufen, das den Schriftzug "All Are United" enthält. 

Im Zuge dessen startet der Sponsorenpartner Allianz eine Spendenaktion für ukrainische Frauen.

Frau Dallmann, wer Ihnen bei Instagram folgt, der weiß, dass Sie zu Hause eine enge Verbindung zu den Eichhörnchen in der Umgebung pflegen. Wie kam es zu diesem Hobby?

Linda Dallmann: Ich bin im April letztes Jahr umgezogen und habe irgendwann gemerkt, dass die Eichhörnchen hier in den Bäumen rumschwirren. Dann habe ich angefangen, sie darauf zu trainieren, dass sie sich anlocken und füttern lassen. Das hat ein bisschen gedauert, aber es hat sich dann nach und nach entwickelt. Ich dachte, dass es die Leute irgendwann nervt, aber komischerweise sagen sie immer, dass sie das sehen wollen.

Zum DFB könnte man ja etwas zynisch sagen: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Jetzt hat sich der Verband am 11. März in der Spitze neu aufgestellt. Was erwarten Sie sich für die Zukunft?

Dallmann: Man sieht, wie sich die anderen Nationen in den vergangenen Jahren im Frauenfußball weiterentwickelt haben. Was Strukturen und Spielerinnen angeht, hat Deutschland ein riesiges Potential und das muss insgesamt noch mehr genutzt werden.

Der DFB hat Leitplanken zur Stärkung der Frauen-Bundesligen verabschiedet. Marketing, erhöhte Sichtbarkeit, Kommunikation und PR sowie stärkere finanzielle und personelle Ressourcen sind Teil dessen. Sind Ihnen Leitplanken im Jahr 2022 zu wenig und hätten Sie stattdessen lieber einen konkreten Plan gesehen?

Dallmann: Das ist nicht unser Bereich als Spielerinnen, weil wir ja oft im Detail gar nicht den Überblick haben können, welche Möglichkeiten vorhanden sind oder bereits genutzt werden. Wichtig ist für mich aber, dass es Fortschritte gibt und dass sich der Frauenfußball in den Vereinen weiterentwickelt. Ich bin jetzt in der dritten Saison bei Bayern und da sieht man, wie sich alles kontinuierlich steigert.

Equal pay im Frauenfußball - Dallmann: "Nicht nur Bezahlung"

In den USA schlug vor einigen Wochen die Nachricht große Wellen, dass es künftig vom US-Verband die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer geben werde. Anschließend gab es auch in Deutschland wieder hitzige Diskussionen um "Equal pay". Wie stehen Sie dazu?

Dallmann: Es gibt da weitere Länder, die USA sind hier auf Verbandsebene nicht die alleinigen Vorreiter. Ich glaube schon, dass Deutschland da nachziehen könnte. In Holland wurde sich auf Verbandsebene beispielsweise sehr dafür eingesetzt, wie uns eine Kollegin mal erzählt hat. Dort wurden die Prämien mittlerweile ebenfalls angeglichen.

Bei "Equal pay" ist der erste Gedanke vieler Kritiker sofort, dass Frauen die Millionenbeträge der Männer verdienen wollen. Lenkt der Begriff vielleicht zu sehr von dem ab, was eigentlich gemeint ist und was der Frauenfußball hierzulande eigentlich dringender braucht: nämlich strukturelle Verbesserungen in den Rahmenbedingungen?

Dallmann: Dass wir mit dem Männerfußball finanziell nicht gleichgestellt werden können, ist nur logisch und für mich nachvollziehbar. Der Begriff "Equal Pay" ist oft nur auf die Bezahlung reduziert, aber uns geht es eher darum, dass wir im beruflichen Alltag ähnliche Rahmenbedingungen bekommen. Beim FC Bayern haben wir das erreicht - aber mit Blick auf ganz Deutschland gibt es da noch viel zu tun.

Wie viele Trainerinnen hatten Sie in Ihrer gesamten Karriere im Mädchen- und Frauenbereich?

Dallmann: Im Mädchenbereich hatte ich meine beiden Auswahltrainerinnen, also Martina Voss und Wiltrud Melbaum, dann mit Steffi Jones noch eine dritte.

Frauen haben eine andere Anatomie als Männer, es gibt in der Trainingsmethodik vieles zu beachten, wenn es beispielsweise um die Periode geht. Darüber hinaus sind auch Verletzungen wie Kreuzbandrisse ein größeres Thema im Frauenfußball. Hätten Sie sich deshalb und vielleicht aus ganz pragmatischen Gründen wie der Kommunikation in Ihrer Karriere mehr Frauen als Begleiterinnen gewünscht?

Dallmann: Ich kann da mal Einblicke beim FC Bayern geben, wo wir männliche Trainer haben: Sie achten sehr auf diese Unterschiede und steuern das entsprechend. Vorher kannte ich das so noch nicht, aber beim FC Bayern werden solche Dinge berücksichtigt und einbezogen. Wir sind da sehr fortschrittlich, denke ich. Die Kommunikation ist auch überhaupt kein Problem, wir vertrauen uns hier. Ich glaube nicht, dass es zwingend einfacher wäre, wenn es eine Trainerin wäre. Da sehe ich keinen Unterschied zwischen einem Mann als Trainer oder einer Frau.

Linda Dallmann über ihr Studium und die Zeit nach der Karriere

Viele Profispielerinnen studieren oder arbeiten in Vollzeit, trainieren aber genauso häufig wie die Männer. Sie haben an der Ruhr-Universität Bochum Sportwissenschaft studiert. Ist das immer noch der Fall?

Dallmann: Ich bin jetzt in einem ähnlichen Studiengang in Ismaning eingeschrieben, bei dem mir ein paar Scheine aus dem anderen Studium angerechnet wurden. Das läuft insgesamt gut, weil es mir die Uni leicht macht, Termine zu finden, an denen ich die Klausuren schreiben kann.

Wie viel Freizeit bleibt Ihnen zwischen Eichhörnchen, Profifußball und Studium noch für Familie und Freunde?

Dallmann: In manchen Wochen gar keine, aber es gibt auch Wochen, in denen es wieder ruhiger ist. Zum Saisonabschluss gibt es natürlich viele englische Wochen, viele Auswärtsfahrten. Aber diese wichtigen Spiele wollen wir ja unbedingt erreichen - etwa in der K.-o.-Phase der Champions League. Am Anfang der Saison hat man mehr Zeit, etwas durchzuatmen oder für Besuche von Familien und Freunden. Auch die Uni ist manchmal eine willkommene Ablenkung für mich, um den Kopf freizukriegen.

Lea Schüller hatte in einem Interview mal die Schwierigkeit angesprochen, nach der Spielerkarriere in einen anderen Beruf zu wechseln. Machen Sie sich auch Sorgen, dass der Einstieg in die Arbeitswelt aufgrund der durch Ihre Profikarriere fehlenden Berufserfahrung schwierig werden könnte?

Dallmann: Nein, Sorgen mache ich mir persönlich nicht. Ich sehe mich danach ganz klar weiterhin im Sport und auch im Fußball, weil ich hier bereits meine Erfahrungen mache. Da bin ich viel im Austausch, mit Athletiktrainern beispielsweise. Das ist die Branche, in der ich später arbeiten möchte. Wenn ich mein Studium fertig habe, werde ich deshalb entsprechende Praktika machen.

Linda Dallmann über die Allianz Arena und Giovane Elber

Am Dienstagabend werden Sie erstmals in der Allianz Arena auflaufen. Dem Stadion, in dem sich Ihr Idol Giovane Elber 2006 zumindest als Spieler vom FC Bayern verabschiedet hat. Was macht das mit Ihnen?

Dallmann: Das war in den vergangenen Wochen immer noch gefühlt eine Ewigkeit weit weg. Jetzt ist es aber plötzlich da und kam sehr schnell. Es ist der schönste Rahmen, den man sich für so ein Spiel wünschen kann, und für uns ist es eine Riesenchance, uns zu zeigen und Werbung für uns zu machen.

Elber war Stürmer und Torjäger, Sie spielen eher als hängende Spitze oder Zehnerin. Warum er?

Dallmann: Es hat mir einfach Spaß gemacht, nicht nur Giovane Elber, sondern dem FC Bayern insgesamt zuzusehen. Als Kind begeistern einen natürlich immer die Spieler, die auch die Tore schießen, deshalb war er ein Vorbild für mich. Später war es dann auch Claudio Pizarro, der viele Tore geschossen hat. Heute hat sich das bei mir ein bisschen verändert: Ich bin jetzt mehr Fan von Spielern, die das Spiel machen oder Buden vorbereiten.

In der Champions League hat es in einem K.-o.-Duell bisher noch nicht gegen einen großen Gegner gereicht. Warum ändert sich das in dieser Saison?

Dallmann: Mit jedem Jahr, in dem wir in der Champions League spielen und als Team zusammenbleiben, entwickeln wir uns weiter. Man sieht das auch in der Bundesliga, dass wir mit gewissen Situationen reifer umgehen. Das war in den vergangenen zwei Jahren oft nicht der Fall. Spielerisch haben wir uns ebenfalls weiterentwickelt und man hat im Rückspiel gegen Lyon (Gruppenphase Champions League, 1:0) gesehen, dass wir mithalten können. Mit einer Saki (Kumagai, Anm. d. Red.) oder einer Glodis (Viggosdottir, Anm. d. Red.) haben wir auch Spielerinnen dazu bekommen, die uns noch besser gemacht haben.

Sind die jüngsten 4:2-Siege trotz Rückständen gegen Hoffenheim und Frankfurt vielleicht der beste Beleg dafür?

Dallmann: Solche Spiele sind ganz wichtig für uns. Als wir die ersten Chancen im Spiel liegen gelassen haben, hatte ich schon so ein Gefühl, dass wir bald bestraft werden - und so kam es auch. Vor ein oder zwei Jahren hätten wir uns dadurch komplett verunsichern lassen. So ist es aber nicht mehr. Auch in vielen anderen Spielen haben wir die richtige Reaktion gezeigt. Als Vorbereitung für die nächsten Spiele und die Champions League sind solche Momente enorm wichtig, weil wir wissen, dass wir auch bei Rückschlägen immer noch genug Zeit haben, das Spiel zu unseren Gunsten zu drehen.

Sowohl gegen Chelsea in der letzten Saison als auch im Hinspiel gegen Lyon in dieser Saison gab es Phasen, in denen sich das Team an den eigenen Strafraum drücken ließ und auf Konter lauerte. Ist es der nächste Entwicklungsschritt, gegen solche Gegner selbst aktiver zu werden?

Dallmann: Jens (Trainer Jens Scheuer, Anm. d. Red.) ist ein Fan davon, dass wir das Spiel bestimmen, dass wir vorne anlaufen und Druck machen. Das macht uns immer sehr stark, finde ich. Deshalb bevorzuge ich diese Taktik auch. Aber man weiß auch, dass es immer mal wieder Spiele gibt, in denen man sich taktisch ein bisschen anders einstellen muss. Wie wir es gegen Paris oder andere Gegner dieser Kategorie machen, weiß ich jetzt noch nicht. Aber ich bin grundsätzlich ein Fan davon, dass wir unser Pressing und unser Spiel spielen.

Wahrscheinlich werden auch die Klub-Bosse rund um Oliver Kahn und Herbert Hainer gegen PSG im Stadion sein. Wünschen Sie sich diese Unterstützung noch häufiger außerhalb der Highlightspiele?

Dallmann: Ich persönlich habe hier schon immer hohe Wertschätzung für uns empfunden und die Unterstützung für uns nimmt seit Jahren stetig zu, im Stadion und auch darüber hinaus. Julian Nagelsmann war auch schon beim Training von uns, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Unterstützung beschränkt sich keinesfalls auf die Highlightspiele, das wird nur gerne mal so dargestellt.

Gibt es da auch mal direkten Austausch mit Julian Nagelsmann oder den männlichen Profis?

Dallmann: Kontakt zu den Männern haben wir ab und zu. Durch Corona, aber auch dadurch, dass sie an der Säbener Straße und wir am Campus trainieren, finden nicht so viele Events gemeinsam statt. Wenn wir zum Beispiel mal Termine mit Adidas, Interviews oder Shootings haben, kommt es schon zum Austausch. Vielleicht wird das nach der Pandemie etwas mehr.

Mit der Nationalelf lief es zuletzt weniger gut. Ihre Kollegin Lina Magull wollte es im Gespräch mit GOAL und SPOX nicht zu sehr auf die vielen Ausfälle schieben, sondern auch auf fehlenden Rhythmus und fehlende Automatismen. Wie bewerten Sie die Situation beim DFB?

Dallmann: Ich finde es auch schwierig, das nur auf die Ausfälle zu schieben, weil wir trotzdem einen Großteil der Mannschaft mit dabei hatten. Meiner Meinung nach haben wir keine gute Leistung beim Arnold Clark Cup gezeigt. Insgesamt konnten wir in den vergangenen Monaten selten mit der gleichen Elf spielen. Das macht es schwierig. Es sind außerdem viele wichtige Testspiele auf einem Niveau ausgefallen, auf dem wir uns gerne messen würden.

Linda Dallmann über ihre EM-Chancen und die Meisterschaft in der Bundesliga

Die Konkurrenz auf Ihrer Position ist groß. Warum sollte sich die Bundestrainerin bei der Europameisterschaft im Sommer für Sie als Stammkraft entscheiden?

Dallmann: Die nächsten Wochen sind eine große Chance, sich auf höchstem Niveau zu zeigen. Ich finde, die Leistungen im Verein sollten immer die Grundlage für solche Entscheidungen sein. Das ist das Einzige, das ich beeinflussen kann. Da jetzt viele Top-Spiele anstehen, ist das eine große Möglichkeit für mich, mich zu beweisen.

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Mit Bayern sind Sie in allen drei Wettbewerben gut dabei, mit der Nationalelf zählen Sie eigentlich immer zu den Mitfavoritinnen. Was sagt Ihr Bauchgefühl: Wie gut stehen die Chancen, dass Sie am Ende mehr als einen Titel in der Hand halten werden?

Dallmann: Die Deutsche Meisterschaft ist für mich das Wichtigste, weil es unser Alltag und auch dieses Jahr wieder sehr spannend ist. Alles andere, was dann dazu kommt, wäre für mich ein Bonus. Ich glaube, dass in allen drei Wettbewerben und auch mit der Nationalmannschaft alles möglich ist.

Die Spitze scheint in der Bundesliga sehr zusammengerückt zu sein. Ist es die spannendste Saison der bisherigen Geschichte?

Dallmann: Ich glaube, letzte Saison war die Konstellation an der Tabellenspitze relativ ähnlich. Zwischen Bayern und Wolfsburg ist es also keine große Veränderung. Die Plätze drei, vier, fünf oder generell die obere Tabellenhälfte sind aber enger zusammengerückt, was ich sehr spannend finde. Es ist schön, dass Vereine wie Frankfurt, Hoffenheim oder Potsdam die Qualität haben, oben anzuklopfen. Ich finde das super, diese Entwicklung ist sehr positiv. Man hat letzte Woche gesehen, dass auch der SC Sand ein sehr schwieriger Gegner sein kann (knappe 1:2-Niederlage gegen Spitzenreiter Wolfsburg, Anm. d. Red.).

Bei Ihrer Vorstellung haben Sie 2019 gesagt, dass Sie beim FC Bayern zu einer Top-Spielerin werden wollen. Sind Sie das heute?

Dallmann: Ja. Ich habe nochmal einen Schritt nach vorne gemacht habe. Vor allem persönlich habe ich mich weiterentwickelt, aber ich habe trotzdem noch Luft nach oben.

Wo können Sie noch besser werden?

Dallmann: Es gibt immer viele Dinge, die man noch besser machen kann. Ich kann ruhig noch selbstbewusster auftreten. Außerdem könnte ich noch ruhiger vor dem Tor sein. Im Training haut man Bälle locker rein, wo man im Spiel vielleicht ein bisschen zu schnell abschließt oder ein bisschen hektisch ist.

Ihr Vertrag läuft 2023 aus. Wo sehen Sie sich dann eher: Auf einem neuen Abenteuer im Ausland oder als Führungsspielerin beim FC Bayern?

Dallmann: Diese Position muss man sich beim Verein erarbeiten. Ich finde es immer schön, wenn man in einem Verein über Jahre konstant spielen und sich entwickeln kann. Dann bin ich auch immer ein Fan davon, diesen Weg weiterzugehen. Generell finde ich das Ausland aber auch nicht uninteressant. Für mich ist da jetzt kein Weg ausgeschlossen. In München fühle ich mich aber sehr wohl und bin hier längst angekommen.

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