Wie aus dem Nichts poppte die Meldung an Heiligabend auf: Der FC Bayern soll vor einem Januartransfer von Flügelflitzer Raphinha von Leeds United stehen. TNT Sports Brasil, eine keineswegs unseriöse Quelle, verbreitete die Meldung, in der viele Details steckten. Wie zum Beispiel die Ablöse (50 Millionen Euro) und der Drei-Prozent-Anteil für Raphinhas Ausbildungsklub Avai (1,5 Millionen Euro). Das Stirnrunzeln angesichts des Berichts bei Fans und Fachleuten war groß. Was ist dran an dem Gerücht - und wer ist überhaupt dieser potenzielle Coman-Erbe? GOAL und SPOX klären auf.
Zunächst einmal ist TNT Sports Brasil im Land des fünffachen Weltmeisters einer der größten Sportkanäle. Dort werden zum Beispiel die Spiele der Champions League ausgestrahlt und der Sender berichtete einst als Erster über den Weltrekordtransfer des damaligen Barcelona-Stars Neymar zu Paris Saint-Germain. Autor Bruno Formiga zählt zudem zu den anerkannten Journalisten dort.
Raphinha zum FC Bayern? 71 Millionen Euro Ablöse werden genannt
Seitdem sprangen mehrere internationale Medien auf den Zug auf. Zuletzt schrieb auch The Sun, Bayern sei scharf auf Raphinha. Im englischen Boulevardblatt wurde die mögliche Ablöseforderung von Leeds gar auf umgerechnet 71 Millionen Euro beziffert. Dem widerspricht ein Bericht von The Athletic deutlich, in dem es heißt, es habe noch keinen Kontakt zwischen den Verantwortlichen des FCB und den Peacocks gegeben. Dies deckt sich mit Informationen von GOAL und SPOX. Und dies schreibt auch die Yorkshire Evening Post, eine verlässliche Quelle, wenn es um Leeds United geht.
Dass der FC Bayern grundsätzlich die Augen offen hält, wenn es um mögliche Verstärkungen für die offensiven Außenbahnen geht, ist ja kein Geheimnis. Vor allem nicht, seitdem sich Kingsley Coman sich nachhaltig ziert, seinen bis 2023 laufenden Vertrag zu verlängern. Und auch mit Serge Gnabry laufen aktuell Vertragsgespräche.
Ein Raphinha-Transfer (nach München) schon im Januar ist aus mehreren Gründen trotzdem nicht realistisch, geschweige denn wahrscheinlich:
- Leeds, aktuell Tabellen-16. in der Premier League, schwächelt in dieser Saison arg und wird nicht ohne wirkliche Not seinen besten Spieler im Januar abgeben.
- Kolportierte 50 Millionen Euro Ablöse hat der FC Bayern im Winter noch nie für einen Transfer hingeblättert. Kaum zu glauben, dass sich dies nun in Coronazeiten ändert.
- Julian Nagelsmann und Hasan Salihamidzic haben Januartransfers an der Säbener Straße bereits ausgeschlossen.
- Leeds möchte den Vertrag mit Raphinha vorzeitig verlängern und gemäß The Athletic steht der Flügelflitzer diesem Ansinnen offen gegenüber.
Deutlich realistischer ist da ein Wechsel im Sommer 2022 - vor allem für den Fall, dass Coman die Münchener verlassen möchte und es die letzte Möglichkeit wäre, eine hohe Ablöse für den Champions-League-Helden von Lissabon einzustreichen. Jene könnte dann in Raphinha investiert werden.
FC Bayern: Auch Liverpool will Raphinha
Sollten sich die Bayern für ein konkretes Werben entscheiden, hätten sie allerdings namhafte Konkurrenz. Der FC Liverpool ist nach Information von GOAL und SPOX definitiv an dem 25-Jährigen interessiert. Die Reds pflegen eine gute Beziehung zu Raphinhas Berater und Barca-Legende Deco, der auch Fabinho vertritt. Mit großem Interesse haben die Reds verfolgt, wie Raphinha unter Marcelo Bielsa in einem physisch absolut herausfordernden System Top-Leistungen abgerufen hat.
Reds-Korrespondent Neil Jones schildert: "Im letzten Sommer hat sich der Klub gegen ein Werben entschieden, weil die Meinung vorherrschte, dass man im Angriff nichts mehr tun muss. Es besteht aber kein Zweifel mehr daran, dass das zur neuen Saison passieren wird. Firmino und Mane sind nicht in Top-Form und Minamino und Origi haben es nicht geschafft, sich für einen Platz zu empfehlen. Der Name Raphinha wird mit Sicherheit in den Planungen eine Rolle spielen."
Das verwundert wenig, denn Raphinha passt bestens in den Powerfußball mit aggressivem Pressing, wie ihn Jürgen Klopp in Liverpool und eben auch Julian Nagelsmann beim FC Bayern praktizieren lassen. Raphinha ist schnell und vor allem explosiv. Er ist dank seines niedrigen Körperschwerpunkts dribbelstark und im Offensivzweikampf unberechenbar. Der fünfmalige Nationalspieler mag es, vom Rechtsverteidiger hinterlaufen zu werden, dann von der Außenbahn nach innen zu ziehen und mit dem linken Fuß abzuschließen. Eine Kombination, wie es sie in München auf dem rechten Flügel schon einmal gab ...
Der 1,75 Meter große und nur knapp 60 Kilo schwere Außenstürmer wirkt trotz seines geringen Gewichts robust, verfügt über passable Fähigkeiten als Flankengeber sowie Vorbereiter und passt in die Kategorie Straßenfußballer. Er wuchs in seiner Geburtsstadt Porto Alegre auf, kickte dort in jeder freien Minute und ahmte sein Idol Ronaldinho nach. Über Avai ging es für Raphael Dias Belloli, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, 2016 nach Guimaraes. Es folgten Millionen-Transfers zu Sporting, Stade Rennes und eben an die Elland Road.
Bayern-Kandidat Raphinha: Einer wie Angel Di Maria
Leeds-Kamerad Patrick Bamford schwärmte Anfang des Jahres im Leeds United Podcast von Raphinhas Qualitäten als Dauerläufer und verglich ihn angesichts seiner Leichtfüßigkeit und der exzellenten Technik mit PSG-Star Angel Di Maria. Kleiner Unterschied zwischen den beiden: Di Maria scheiterte in der Premier League bei ManUnited krachend, während Raphinha mittlerweile zu den Attraktionen in der besten Liga der Welt zählt.
Raphinhas Leistungsdaten bei Leeds United:
Einsätze | 47 |
Tore | 14 |
Assists | 10 |
Gelbe Karten | 7 |
Im vergangenen Herbst sagte er, sein großes Ziel sei die Champions League. Damals betonte er aber auch, er habe "keine Zweifel" daran, dies auch mit Leeds erreichen zu können: "Du musst Spieler mit der richtigen Siegermentalität und den richtigen Trainer zusammenbringen. Dazu einen Trainerstab und Fans, die den Verein lieben. Dann kannst du eine wunderbare Atmosphäre im Stadion und auf dem Trainingsgelände kreieren." Raphinha steht einer Verlängerung bei Leeds für ein verbessertes Gehalt nach Informationen von GOAL und SPOX offen gegenüber, der Klub ist deswegen schon einen ersten Schritt auf den Brasilianer zugegangen und in die Gespräche eingestiegen.
Ein Bayern-Werben um Raphinha ist deshalb noch nicht mehr als eine plausible Spekulation. Daraus könnte sich aber vor allem mit Blick auf die kommende Saison eine ganz heiße Personalie entwickeln.