HINTERGRUND
Mit dem 5:2-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt geht der FC Bayern mit einem Vier-Punkte-Vorsprung und reichlich Selbstvertrauen in den Kracher gegen Borussia Dortmund am Dienstag. In Sachen Konzentration in der Defensive und Entscheidungsfindung in der Offensive muss der Rekordmeister aber noch an sich arbeiten.
Die Frankfurter hingegen finden sich endgültig im Abstiegskampf wieder - und haben nicht nur an Kleinigkeiten zu feilen, wie ihr Trainer meint. Fünf Erkenntnisse zum Spiel.
1. Die Bayern-Defensive funktioniert - wenn sie will
Es war bis auf wenige Minuten in Durchgang zwei eine dominante Kollektivleistung der Bayern. Die nach zwei Ecken entstandenen Gegentreffer zwischen der 52. und 55. Minute durch Martin Hinteregger trübten jedoch die Stimmung aufseiten der Hausherren. "Darüber müssen wir sprechen, das geht nicht", sagte Leon Goretzka. Auch Thomas Müller befand: "Die zwei Gegentore wirken natürlich nicht so schön."
Gerade der erste Eintracht-Treffer, bei dem der Ball im Sechzehner aufprallte und sich niemand so recht zugeordnet fühlte, Hinteregger am Schießen zu hindern, wäre durchaus vermeidbar gewesen. Und er wäre wohl auch vermieden worden, hätte es zu diesem Zeitpunkt nicht schon 3:0 gestanden und die Frankfurter mit ihrer Harmlosigkeit die Münchner nicht in eine kurze Phase der Lethargie versetzt.
"Vielleicht haben wir das Spiel nach dem 3:0 innerlich etwas abgehakt und vielleicht hat uns dann die Konzentration gefehlt", mutmaßte Bayern-Coach Hansi Flick nach dem Abpfiff. Die Statistiken zeigen, dass sich sein Team nach der vermeintlichen Vorentscheidung durch Robert Lewandowski (46.) tatsächlich zurücklehnte.
Imago ImagesDie Frankfurter gaben vier Schüsse auf das Tor von Manuel Neuer ab, nachdem sie in Hälfte eins kein einziges Mal ihr Ziel gefunden hatten. Flick wollte genau aus diesem Grund nicht den Teufel an die Wand malen. Seine Defensive, mit elf weißen Westen die ligaweit nach wie vor stärkste, werde aus Hintereggers Doppelschlag lernen, so der 55-Jährige.
Das wird auch nötig sein, weil der kommende Gegner solche Blackouts wohl noch härter bestrafen würde als der vergangene. Gegen die offensivstarken Dortmunder können speziell David Alaba und Jerome Boateng wirklich rechtfertigen, warum Flick ihnen als Innenverteidiger-Duo vertraut und 80-Millionen-Neuzugang Lucas Hernandez nur Ersatz ist. Flick brachte nach dem Frankfurt-Spiel vor allem seine Bewunderung für Alaba zum Ausdruck: "Wie David als Innenverteidiger hinten spielt, wie er die Abwehr zusammenhält - das ist einfach große Klasse."
2. Immer wieder Müller
Am Samstag müllerte es wieder in der Allianz Arena. Der Mann mit der Nummer 25 war nicht nur wegen seiner Vorlage zum 1:0, seiner bereits 17. in dieser Bundesliga-Saison, und seines eigenen Tores zum 2:0 der beste Bayern-Spieler neben Alphonso Davies.
Er war eine Nervensäge für die Eintracht, ständig anspielbar und überall auf dem Platz zu finden. Er bestritt aufseiten des FCB die meisten Zweikämpfe (28), spielte die meisten Pässe in der gegnerischen Hälfte (44) und gab die meisten Torschussvorlagen (3) ab. Ein Auftritt, der seinem Trainer nicht entging. "Ich muss heute auch Thomas herausheben, er hat die Räume sehr intelligent genutzt", sagte Flick.
Fragt sich eigentlich nur: Wann kommt der Anruf von Joachim Löw? Müller lachte nur, als er bei Sky auf das leidige Thema Nationalmannschaft angesprochen wurde. Dafür machte Ex-Bayern-Spieler Lothar Matthäus dem Bundestrainer Druck: "Thomas ist in der Form seines Lebens."
3. Goretzka sammelt weiter Pluspunkte
Vielleicht nicht in der Form seines Lebens, aber in sehr guter Fom präsentiert sich dieser Tage Leon Goretzka. Sein Treffer zum 1:0 war bereits seine siebte Torbeteiligung (vier Tore, drei Vorlagen) in der Rückrunde. Eine andere Welt im Vergleich zu seiner enttäuschenden Verfassung in der Hinrunde, als ihm nur ein Assist gelungen war.
Imago ImagesSollte Thiago seine muskulären Probleme nicht bis Dienstag auskurieren, wäre Goretzka wohl die erste Alternative im defensiven Mittelfeld neben Joshua Kimmich. Gegen Frankfurt funktionierte das ordentlich, immerhin hatte der Ex-Schalker mit 79 die fünftmeisten Ballaktionen und verlor von allen Spielern aus der Startelf die wenigsten Bälle (4). Aber auch mit einem fitten Thiago im Team sollte Goretzka genügend Argumente auf seiner Seite haben, gegen den BVB zu starten - dann wohl auf der Zehn und mit Müller vornehmlich auf den Außenbahnen.
Die Flügelzange, die gegen Frankfurt zum Einsatz kam, konnte jedenfalls nicht viele Pluspunkte sammeln.
4. Coman, Perisic und die Sache mit der Entscheidungsfindung
Kingsley Coman bereitete zwar das 3:0 durch Lewandowski mit einem tollen Heber vor, traf aber viele falsche Entscheidungen vor dem Gehäuse des Frankfurter Keepers Kevin Trapp. Einmal schoss er Trapp aus kurzer Distanz an, obwohl er eigentlich zwingend hätte auf den freistehenden Joshua Kimmich hätte querlegen müssen, dann verschleppte er viele Angriffe. Von der Explosivität, die ihn eigentlich auszeichnet, war auch schon vergangene Woche in Berlin wenig zu sehen gewesen.
Ähnlich große Probleme mit der Entscheidungsfindung hatte auch Ivan Perisic, der auf dem linken Flügel zum Einsatz kam. Seine beiden Fernschüsse (21., 48.) verhungerten, seine Pässe waren schlecht getimt - nicht zum ersten Mal. Die Power eines Leroy Sane würde dem Bayern-Spiel in dieser Hinsicht sicher guttun. So musste über links auch gegen Frankfurt wieder Alphonso Davies die Kohlen aus dem Feuer holen.
Der kanadische Linksverteidiger (wie Müller Goal-Note 1,5) überzeugte mit unzähligen Flankenläufen und setzte immer wieder nach, was letztlich ja auch zu dem 4:2 führte, das ihm der überforderte Frankfurter Routinier Gelson Fernandes unfreiwillig auf dem Silbertablett servierte. Außerdem bereitete Davies das 2:0 mit einer schönen Flanke aus dem Halbfeld vor.
5. Der Eintracht fehlen mehr als nur Nuancen
Nur die wenigsten Optimisten hätten der Eintracht in ihrer aktuellen Verfassung zugetraut, etwas Zählbares aus München mitzunehmen. Selbst Trainer Adi Hütter stapelte schon vor dem Spiel tief und sprach seiner Mannschaft danach gar ein Kompliment für ihre Moral in Durchgang zwei aus. "Man muss die Kirche im Dorf lassen", sagte er. In München sei es "schwierig zu gewinnen", Punkte müsse man gegen Gegner aus der unteren Tabellenregion holen.
Imago ImagesDas mag stimmen. Tatsächlich deckten sich die 90 Minuten seiner Mannschaft aber nicht mit dem, was Hütter tags zuvor über sie gesagt hatte. "Ich rede von einer Mannschaft, die sehr konzentriert arbeitet und gut unterwegs ist. Es fehlen nur Nuancen, um wieder Punkte zu machen", so die Worte des Österreichers. Gegen den Klassenprimus war davon überhaupts nichts zu spüren.
Die Eintracht machte im Aufbauspiel einen Fehler nach dem anderen und arbeitete auch gegen den Ball nicht konzentriert genug. Die Raumaufteilung war vor allem über die rechte Seite über weite Strecken ebenso erschreckend wie die Zweikampfführung. Almamy Toure und Danny da Costa bekamen Davies nicht in den Griff. Und selbst erfahrene Spieler wie Fernandes leisteten sich folgenschwere Böcke. Ohne Trapp wäre die Niederlage noch deutlicher ausgefallen - Hintereggers Tore und der Lattenschuss von Filip Kostic in der Schlussphase hin oder her.
"Es sind immer wieder in dieser Saison Momente und Entscheidungen, die falsch getroffen werden", erklärte Sebastian Rode. "Vor dem zweiten Tor schenken wir den Ball zu leicht her und dann ist er schon wieder drin. Das tut vor der Pause ungemein weh und dann holen wir uns wieder raus aus dem Sumpf, kommen auf 2:3 ran, haben die Riesenchance zum Kontern und dann schlägt es hinten wieder ein. So brechen wir uns immer wieder selbst das Genick."
Der Abstand auf Platz 16 beträgt zwar weiterhin fünf Zähler, Fortuna Düsseldorf kann mit einem Sieg am Sonntag gegen den 1. FC Köln aber heranrücken. Die Eintracht steckt so oder so mittlerweile mitten im Abstiegskampf. Dafür ist sie hinten viel zu anfällig und vorne viel zu harmlos. Nur mit Standardtoren von Hinteregger dürften sich wohl kaum noch viele Punkte holen lassen.





