Sein Comeback dauerte gerade einmal 27 Minuten. Dann hatte Thomas Tuchel ein Einsehen mit Erik Durm: Der Trainer hatte sich im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinals verzockt, Durm nach dessen fünfwöchiger Verletzungspause wieder in die Startelf geschmissen. Aber das, was Durm eigentlich machen sollte, misslang. Borussia Dortmund schied aus dem Wettbewerb aus - und Durm war für die meisten der Buhmann. Dabei war die Idee hinter seine Aufstellung durchaus sinnvoll, denn der Weltmeister vereint das, was Tuchel braucht: Einen Spieler, der auf der rechten Außenbahn Offensive und Defensive perfekt miteinander verbindet.
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Gleiches gilt sicherlich auch im DFB-Pokalhalbfinale am Mittwoch gegen den FC Bayern (20.45 Uhr im LIVE-TICKER). Vor zweieinhalb Wochen fehlte Durm beim Liga-Gastspiel in München verletzt, Tuchel setzte auf Felix Passlack als Ersatzmann. Aber dieser konnte ihn nicht ersetzen. Kein Wunder, ist Durm einer der großen Gewinner der Umstellung auf eine Dreierkette, die in der Defensive zu einer Fünferkette wird und Platz schafft für zwei zusätzliche Flügelspieler. Jener auf der rechten Dortmunder Seite ist Durm und er genießt in der Offensive alle Freiheiten - und soll in der Defensive die Abwehr stabilisieren.
Kaum ein Spiel in dem der Weltmeister von 2014 (ohne Einsatz) nicht über die gesamte Distanz auf dem Platz steht. Denn Tuchel hat in ihm eine echte Allzweckwaffe parat. "Er ist sehr flexibel einsetzbar, das lieben die Trainer, weil es immer neue Möglichkeiten eröffne", sagte Tuchel.
In der Regel spielt Durm inzwischen im rechten Mittelfeld. "Diese Position ist schon ein kleines Stück zurück auf dem Weg zu meinem früheren Job als Stürmer", sagte Durm dem Magazin 11Freunde. "Aber ich muss auch viel nach hinten arbeiten, sehr viel laufen."

Laufstark: Erik Durm (r.) im Duell mit Berlins Marvin Plattenhardt.
Wenn der BVB mit einer Dreierkette agiert, soll er nach vorne mächtig Gas geben, spielt dann fast als Außenstürmer neben Pierre-Emerick Aubameyang. In der Rückwärtsbewegung soll er seine Stärken als Außenverteidiger einbringen und bildet meist zusammen mit Lukasz Piszczek ein starkes Duo auf der rechten Seite. Seine enorme Laufstärke und seine Geschwindigkeit überzeugen Tuchel und geben Durm eine Art Einsatzgarantie in der aktuellen Phase der Saison.
Tuchel schwärmt von Durm
"Er hat herausragenden athletischen Voraussetzungen und er hat körperliche Qualitäten, die unserem Spiel gut tun", sagte Tuchel einmal über Durm. Vor allem seine Vielseitigkeit ist das wohl größte Plus des gelernten Stürmers, der unter Jürgen Klopp zum Verteidiger umschulte. Dies kommt ihm nun zugute. Denn er kann eigentlich auf jeder Position spielen. Sei es als Links- oder Rechtsverteidiger oder als offensiver Flügelflitzer auf beiden Seiten. Zudem ist er athletisch einer der besten Spieler im gesamten Kader. "Es kommt selten vor, dass ein Fußballspieler Sprintfähigkeit und überragende Ausdauer miteinander verbindet", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc.
Dabei ist genau das erstaunlich. Seitdem Durm in der Saison 2013/2014 erstmals in der Bundesliga spielte, stoppten ihn immer wieder Verletzungen. Infekte, Oberschenkel-, Knie- und Adduktorenproblemen, Operationen und der Rücken. In den vergangenen Jahren gab es kaum etwas, was er nicht hatte. Das Problem: Die Verletzungen stoppten seine Entwicklung immer wieder. Gerade hatte er sich zurückgekämpft und in die Mannschaft gespielt, da zwang ihn sein Körper wieder zu einer Pause.
Anfang 2016 gab Tuchel sogar zu, Durm überhaupt nicht auf dem Zettel gehabt zu haben, weil dieser bis dahin noch nicht zur Verfügung gestanden hatte. Tuchel war damals ein halbes Jahr lang Trainer von Borussia Dortmund. Durm stand in dieser Zeit nicht einmal auf dem Feld. Im Wintertrainingslager wurde er deshalb damals als eine Art Neuzugang gefeiert. Seitdem Tuchel sich selbst ein Bild von ihm machen konnte, steht er fast immer auf dem Platz - wenn er fit ist. Schon in der vergangenen Rückrunde war das der Fall. Durm spielte sich sogar noch in den Fokus des deutschen Bundestrainers für die EM. Am Ende reichte es für ihn aber nicht zur Nominierung für die Endrunde.
Verletzungen stoppen Durm regelmäßig
Deshalb hieß sein einziges Ziel im vergangenen Sommer: fit bleiben. Doch wieder einmal machte ihm sein Körper einen Strich durch die Rechnung. Anhaltende Knieprobleme zwangen ihn zu einer Operation. Durm fiel nahezu die gesamte Hinrunde über aus. Erst im November gab er beim 1:0-Sieg über den FC Bayern sein Comeback. Schon Ende Dezember war es aber wieder der Rücken, der ihn pausieren ließ. Seit Beginn der Rückrundenvorbereitung ist Durm nun wieder da - und stand 2017 immerhin in zwölf Partien auf dem Feld. Meist von Beginn an.
BVB: Verletzungen, Sperren und die Aufstellung fürs Spiel gegen den FC Bayern
Und das hat gute Gründe. Im Jahr 2017 bereitete er drei Pflichtspieltore vor, das ist geteilter Bestwert beim BVB. Zudem bereitete er im gleichen Zeitraum zwölf Torschüsse vor – das sind doppelt so viele wie sein Pendant Marcel Schmelzer von der linken Seite. In der gesamten Bundesligasaison bestritt Durm die meisten intensiven Läufe pro 90 Minuten und unterstreicht die guten physischen Werte. Spielt der BVB mit der Dreierkette, fängt Durm auch an. In den letzten Pflichtspielen stand er nur zweimal nicht in der Startelf – als Tuchel auf eine Vierer-Abwehrkette setzte.
Die Vergangenheit lehrt: Ist Durm fit, spielt er unter Tuchel. Das dürfte auch am Mittwoch gegen den FC Bayern der Fall sein. Und vielleicht gelingt ihm dann auch das, was ihm momentan noch etwas abgeht: Torgefahr ausstrahlen. Denn so stark Durm auf dem Flügel agiert, so abschlussschwach ist er Richtung gegnerisches Tor. Nur selten kommt er überhaupt in aussichtsreiche Position, weil ihm oft die Durchschlagskraft fehlt. Gegen den deutschen Rekordmeister kommt aber sicherlich zunächst die defensive Absicherung auf ihn zu.




