"Ich nehme schon einige kritische Blicke aus den ersten Reihen wahr", eröffnete Dzuljeta Tamsone fast verlegen ihren Vortrag beim EA SPORTS Women’s Football Summit 2022 in London, an dem auch zahlreiche Spielerinnen der Lionesses, Englands Frauen-Nationalmannschaft und Titelträger bei der Europameisterschaft im vergangenen Sommer, teilnahmen. Eine Veranstaltung ganz im Zeichen des Frauenfußballs mit der Zielsetzung, den Startschuss für die nächsten Entwicklungsschritte zu geben.
Tamsone ist Assistant Producer beim Hersteller von FIFA 23 und eine der Hauptverantwortlichen für das Zustandekommen der Ratings frisch implementierter Ligen wie der Barclays FA Women’s Super League und Division 1 Arkema ins Spiel. "Wir können uns gerne später noch einmal genauer darüber unterhalten, aber Ihr habt doch alle gute Werte", ergänzte sie augenzwinkernd in Richtung von Spielerinnen wie Lauren James (Chelsea), Alex Greenwood (Manchester City) oder Rachel Daly (Aston Villa).
In FIFA 23 ist Frauenfußball in einem noch nie dagewesenen Umfang vorhanden. Während beim Vorgänger lediglich einzelne Nationalmannschaften gespielt werden konnten, gibt es in der neuen Ausgabe zusätzlich zwei Ligen und schon bald auch die UEFA Women’s Champions League, wie auf dem Event, an dem auch GOAL und SPOX teilnahmen, unter großem Jubel bekanntgegeben wurde.
EA SPORTSNeue Ligen bedeuten automatisch eine Vielzahl neuer Mannschaften. Folglich wartete auf das Entwicklerteam die Aufgabe, eine große Anzahl an Spielerinnen von Grund auf bewerten zu müssen. Bei den Männern kann sich der Hersteller immer an den Ratings des Vorjahres orientieren und anhand dieser entscheiden, inwiefern Profis auf- oder abgewertet werden müssen.
So einfach ist das beim Ausbau des Frauenfußball freilich nicht, denn die Werte müssen von Null auf erstellt werden - und dahinter steckt ein riesiger Aufwand.
Bei den "alten" Nationalmannschaftsratings wurden lediglich Länderspiele berücksichtigt, künftig werden die Werte auf Basis der Vereinsspiele erstellt. Deutlich mehr Statistiken, mehr Videomaterial und mehr Leistungsdaten - wenn auch nicht ansatzweise im gleichen Umfang wie bei den Männern verfügbar - sorgen für realistischere Bewertungen der Spielerinnen im Game.
Gemacht wurden die Ratings übrigens von Tamsones Team in Deutschland, das sich nach eigenen Aussagen rund um die Uhr mit News zu den jeweiligen Mannschaften, Spielen und natürlich Videoanalysen beschäftigt, um der Aufgabe gerecht werden zu können. Doch wie genau kommt das Gesamtrating letztlich zustande?
Attribute, Formel, Videostudien: So entstehen FIFA-Ratings
"Das ist nicht einfach zu erklären. Wenn man ehrlich ist, ist es sogar sehr komplex und man könnte wahrscheinlich Stunden darüber sprechen", erklärte Tamsone. Dennoch versuchte sie, es in wenigen Minuten verständlich zu machen.
Jede Spielerin wird anhand von 30 Attributen eingestuft, dazu zählen unter anderem Ballkontrolle, Sprintgeschwindigkeit, Tacklings oder Abschlüsse, nur um ein paar davon genannt zu haben. Logischerweise werden bei Angreiferinnen die offensiven Eigenschaften bei der Erstellung der Ratings höher gewichtet als beispielsweise Defensivattribute wie Tackling oder Zweikampfführung. Letztendlich gibt es für jede mögliche Position eine Formel, die anhand der einzeln bestimmten Werte bei den 30 Attributen ein Gesamtrating, die alles entscheidende Zahl im Spiel, ausspuckt.
Barcelona-Star an der Spitze: Die besten Spielerinnen in FIFA 23
Ein zweiter wichtiger Schritt waren Vergleiche unter den einzelnen Stars, denn der Hersteller wählte für jedes der 30 Attribute den Ansatz, eine Rangliste zu erstellen und dabei jeder Spielerin den Platz zuzuweisen, den sie verdient hat. Von "Top to Bottom", also von der Spitze nach unten wurde bewertet, verriet Tamsone. "Die Folge ist natürlich eine unfassbar große Datenbank."
Doch es gibt dabei auch einige Hindernisse zu überwinden. Vor allem bei Spielerinnen, die gerade aus dem Jugendbereich aufrücken, ist die vorhandene Datenlage mehr als überschaubar. "Wir standen vor der Frage: Wie sollen wir diese Talente einstufen?", so die Lettin. Geholfen haben letztendlich Videostudien von internationalen Jugendturnieren, um anhand eines persönlichen Bildes letztendlich ein Rating definieren zu können.
EA SPORTSEA SPORTS will dem Frauenfußball "die Bühne bieten, die er verdient", so der eindeutige Tenor der Veranstaltung. Dazu gehören eben auch authentische Ratings. Es soll an die begeisternden Bilder von der Sommer-EM angeknüpft werden, der Hype soll genutzt werden und nicht wieder nach und nach verpuffen. Das hat sich der Hersteller auf die Fahnen geschrieben.
Den Worten ließ man auch Taten folgen. Es wurde ein Wachstumsfonds für den Frauenfußball vorgestellt, der das Spiel weiter voranbringen soll. Um den Fonds in Gang zu bringen, hat man eine Investition in Höhe von 11 Millionen US-Dollar zugesichert, die Spiele, Ligen, Vereine und Athletinnen umfassen wird, um den Frauenfußball weiter zu fördern. "EA SPORTS befindet sich im Epizentrum der weltweiten Fußballfangemeinde, und wir sind uns der Rolle bewusst, die wir bei der Repräsentation und Förderung von Vielfalt und Beteiligung im Sport spielen", sagte SVP of Brand Andrea Hopelain.
UEFA Women's Champions League bald auch in FIFA 23 spielbar
Zudem wurde auf der Veranstaltung eine mehrjährige Partnerschaft mit der UEFA Women’s Champions League bekanntgegeben, mit Start der K.-o.-Phase Anfang 2023 wird auch die UWCL mit den größten Frauenteams als neuer Wettbewerb in FIFA 23 integriert.
Den "Hattrick" an Ankündigungen perfekt machte dann eine mehrjährige Sponsoring-Partnerschaft mit dem Streamingdienst DAZN, der weltweit für die Übertragung der UWCL verantwortlich ist.
Der Hersteller ist sich "der Bedeutung von Authentizität bewusst und hat sich bemüht, das Spiel für Frauen aufzuwerten". FIFA 23 soll dazu beitragen, den Spielerinnen mehr und mehr ein Gesicht zu geben. Helfen dürfte dabei ein großes Publikum, denn mit 10,3 Millionen Spielern innerhalb der ersten Woche hat die FIFA-Reihe den erfolgreichsten Start der Geschichte hingelegt - und folglich schoss auch der Anteil an Frauen-Matches in die Höhe. "Doch das soll erst der Anfang sein", lautete das Schlusswort der Podiumsdiskussion.