EXKLUSIV-INTERVIEW
Dylan "DullenMIKE" Neuhausen gehört im Modus Ultimate Team zu den besten FIFA-Spielern weltweit. Das große Ziel des 18-Jährigen ist die Teilnahme an der Weltmeisterschaft, dafür fehlen nur noch wenige Schritte.
Im Interview mit Goal und SPOX spricht er über sein Leben als E-Sportler, hartes Training im Vorfeld von Turnieren und ein saftiges Preisgeld im Alter von 16 Jahren.
Außerdem verrät er, wie sich Hobbyspieler rasch verbessern können und welche Stars in keiner Mannschaft fehlen sollten.
Dylan, wie ist es zu Ihrem Spitznamen "DullenMIKE" gekommen?
Dylan Neuhausen: Zu Schulzeiten wurde aus Dylan irgendwann Dullen, so hieß ich dann überall. Als ich damals zum Zocken auf die Xbox gewechselt bin, war Dullen schon belegt, also musste ich mir noch etwas ausdenken, das dem Namen angehängt wird. Da habe ich mich für Mike, den Namen meiner Katze, entschieden. Die hat ihren Namen übrigens von Mike Hanke, der damals zu meinem Lieblingsklub SC Freiburg gewechselt war.
Im vergangenen Jahr haben Sie das Abitur abgeschlossen. Sind Sie jetzt hauptberuflich E-Sportler?
Neuhausen: Darauf liegt aktuell meine volle Konzentration, ja. Livestreams auf Twitch oder die Aufnahme von YouTube-Videos gehören aktuell ebenfalls zu meinen Aufgaben, doch die Haupteinnahmequelle sind das E-Sportler-Dasein für mein Team NEO und die dabei ausgeschütteten Preisgelder.
Wann sind Sie das erste Mal mit FIFA in Kontakt gekommen?
Neuhausen: Früher habe ich hin und wieder auf dem Nintendo DS gespielt. Richtig angefangen hat es mit FIFA 10, nachdem sich mein Vater eine Playstation 3 gekauft hatte und wir uns dort duelliert haben.
Wurde Ihnen schnell klar, dass Sie überdurchschnittlich gut sind?
Neuhausen: Am Anfang hatte ich kaum Vergleichswerte, weil viele meiner Freunde keine eigene Konsole hatten. Wenn sie zu Besuch waren, habe ich schon immer sehr hoch gewonnen, das lag aber vor allem daran, dass ich täglich die Möglichkeit hatte, zu spielen. So richtig bemerkbar machten sich meine Fähigkeiten rund um FIFA 15 und FIFA 16, als die meisten meiner Kumpels auch ihre Konsole hatten und man online gegeneinander zocken konnte. Ich trat oftmals mit schlechteren Teams gegen sie an, um ihre Chancen zu erhöhen, doch selbst dann gewann ich die meisten Spiele. An eine E-Sport-Karriere habe ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gedacht.
Wann kam es dazu?
Neuhausen: Als FIFA 17 auf den Markt kam und der Modus "FUT Champions" eingeführt wurde. Dort gab es erstmals eine Rangliste, in der man sehen konnte, wie gut man im Vergleich zum Rest der Welt abschneidet. Gegen Ende von FIFA 17 habe ich es erstmals unter die 100 besten Spieler weltweit geschafft - damals war ich 14 – und ich dachte mir: Sollte das in nächster Zeit so weiterlaufen, könnte es vielleicht zum E-Sportler reichen. Auch bei FIFA 18 war ich zum Ende hin konstant unter den Top 100, doch um bei offiziellen EA-Wettbewerben mitmachen zu können, muss man 16 Jahre alt sein. Das war bei mir dann ab FIFA 19 der Fall - da ging es dann richtig los.
DullenMIKE: "Nach meinem Sieg mit 50.000 Dollar Preisgeld wussten alle Bescheid"
Sie saßen sicher viel vor der Konsole. Wie sind Ihre Eltern damit umgegangen?
Neuhausen: Relativ locker. Ich durfte schon in jungen Jahren viel zocken. Solange in der Schule alles passte und ich mit Fußball auch eine Sportart an der freien Luft ausübte, war das kein Problem für sie. Dafür bin ich ihnen heute noch dankbar. Bei FIFA 19 und FIFA 20 brauchte ich als Minderjähriger einen Elternteil als Begleitung bei den offiziellen Offline-Turnieren von EA, da war meine Mutter immer an meiner Seite.
Bei diesen Turnieren wird oftmals viel Preisgeld ausgeschüttet. War das der erste Weg zu Einnahmen durch FIFA?
Neuhausen: Ja. In FIFA 19 habe ich mich für mein erstes Offline-Turnier qualifiziert, da lag der Preispool bei rund 200.000 Dollar. Allein für die Qualifikation gab es 500 Dollar. Als 16-Jähriger fühlte sich das natürlich unfassbar cool an, die Kohle für ein bisschen FIFA zocken mitzunehmen. Beim Turnier selbst bin ich in die Top 16 gekommen, dafür gab es nochmal 1000 Dollar. Danach kamen die Angebote von Vereinen und ab diesem Zeitpunkt rutschte ich auf die professionelle Schiene. Dort bekommt man dann sein festes Gehalt, das natürlich die Haupteinnahmequelle darstellt.
Wie sieht es mit Sponsoren aus?
Neuhausen: Man steht ja bei Esports-Teams oder Vereinen unter Vertrag. Sponsoren steigen dort ein und davon kann mein Gehalt bezahlt werden. Der Hauptsponsor meines Esports-Teams NEO ist beispielsweise paysafecard, mit denen wir u.a. bereits sehr coole Content-Aktivierungen für die Community umgesetzt haben. Mein erstes richtiges Team damals war SK Gaming. Ich war 16, Schüler in der 11. Klasse, und habe ordentliches Geld dafür bekommen, für sie zu spielen. Das fühlte sich schon überragend an.
Stichwort Schule: Gab es Unterstützung von Lehrern und Mitschülern?
Neuhausen: Wenn ein Turnier anstand, bekam ich meistens die Tage vorher und nachher frei. Die Events fanden von Freitag bis Sonntag statt. Oft ist man schon am Mittwoch oder Donnerstag angereist, der Rückflug fand meistens einen oder zwei Tage später statt. Dafür wurde ich immer freigestellt. Ich bin heute noch dankbar, dass mir das ermöglicht wurde. Spätestens nach meinem Sieg beim FUT-Champions-Cup im Jahr 2019 mit 50.000 Dollar Preisgeld wussten in der Schule alle Bescheid. Ich kann mich noch genau an meinen ersten Schultag danach erinnern, es stand eine Exkursion zu einer Universität in der Nähe auf dem Programm. Da war das Turnier den ganzen Ausflug lang Gesprächsthema Nummer eins und jeder freute sich mit mir. Neid habe ich eigentlich nie erfahren.
Wie sind diese begehrten Offline-Turniere organisiert?
Neuhausen: Aufgrund der Corona-Pandemie ist in diesem Jahr Stand jetzt leider kein Offline-Turnier geplant. Im vergangenen Jahr waren es pro Konsole immer 32-Mann-Turniere. Der Großteil der Teilnehmer kam aus Europa. Um unter den Teilnehmern zu sein, musste man eine Qualifikation mit 200 bis 300 Leuten überstehen und dort unter die letzten 16 Spieler kommen. Hatte man das geschafft, kam wenige Tage nach der Quali meistens eine E-Mail mit Glückwünschen und den nötigen Formularen für Hotel und Flugtickets. Untergebracht wurden wir immer in 4-Sterne-Hotels – egal ob in Singapur, Atlanta oder sonst wo. In FIFA 20 lief es bei mir richtig gut, da habe ich mich für alle Turniere qualifiziert. Jeden Monat an einem anderen Ort auf der Welt zu sein, waren für mich als so jungen Menschen absolute Highlights.
Um ständig in der Weltspitze bleiben zu können, bedarf es harter Arbeit. Wie darf man sich Ihren Tagesablauf vorstellen?
Neuhausen: Gegen 10 Uhr stehe ich auf, starte ganz entspannt in den Tag, ehe die erste Trainingssession ansteht. Die Dauer und Anzahl der Trainings hängt natürlich davon ab, wie dicht man vor einem Qualifier oder Turnier steht. In der Woche vor so einem Event wird sehr viel trainiert, ich würde schätzen, dass es um die sechs Stunden pro Tag sind. In einer normalen Woche nehme ich mir dann noch Zeit für Livestreams oder die Aufnahme von YouTube-Videos, um meinen Zuschauern auch regelmäßig Content bieten zu können. Bei der Organisation und Umsetzung des Ganzen werde ich von NEO und meinem Management RABONA unterstützt. Hinter so einem E-Sports-Engagement steckt meist ein ganzes Team, das die Spieler supported.
Wie läuft so ein Training ab?
Neuhausen: Der Trainingseffekt ist bei normalen Online-Spielen gering, deswegen habe ich Trainingspartner wie Benedikt Bauer (BeneCR7x) vom VfL Wolfsburg oder Julius Kühle (Juli) von Schalke 04. Wir spielen meistens ein Best-of-2 und nach den Spielen schauen wir uns an, welche Fehler gemacht wurden, allerdings auch, was gut lief. Die Teams werden ebenfalls durchgesprochen und nach Positionen und Spielern beleuchtet. Der andere Teil des Trainings sind Videoanalysen mit meinem Coach Kennet Brümmer, den vielleicht einige als CaptaiiinTsubasa in der Szene kennen. Er ist ebenfalls für mein Management RABONA tätig, welches mir jederzeit bei allen Fragen zur Seite steht. Im Normalfall, ohne die aktuelle Corona-Lage, finden auch regelmäßig organisierte Bootcamps statt, bei denen sich zahlreiche Topspieler von RABONA über ein ganzes Wochenende treffen und gemeinsam trainieren.
Brümmer ist wahrscheinlich kein besserer FIFA-Spieler als Sie. Wie kann er Ihnen trotzdem weiterhelfen?
Neuhausen: Richtig. Besser als ich ist er nicht, sonst würde er wahrscheinlich selbst spielen. (lacht) Ich habe oft das Problem, während eines Spiels mental relativ schnell nachzulassen. Dabei hilft mir ein ständiger Austausch enorm, um den Fokus nicht zu verlieren. Beim Gameplay sieht er oftmals Fehler, die ich regelmäßig mache, die mir selbst aber nicht auffallen würden. Eine zweite Meinung schadet generell nie und das ist bei mir nicht anders.
FIFA-Duell: Zwei Bundesliga-Profis boten DullenMIKE bereits die Stirn
Apropos Fehler: Lernt man als E-Sportler, Bugs (fehlerhafte Animationen) im Spiel auszunutzen?
Neuhausen: Es gibt durchaus Profis, die nur auf ihre Fähigkeiten vertrauen. Folglich spielen sie jedes Jahr ähnlich. Doch jeder FIFA-Teil hat seine Bugs und da ich aktuell auf den größtmöglichen Erfolg aus bin, ist mir jede Taktik recht, um diesen auch zu erreichen. Ich bin offen für Bugs und nutze sie auch alle aus.
Im Laufe der Jahre waren Sie schon für den VfL Wolfsburg und den 1. FC Köln an der Konsole aktiv. Wie sehr interagiert man in solchen Vereinen auch mit den Fußballprofis, die bekanntlich auch gerne FIFA zocken?
Neuhausen: Da ich während meiner Zeit bei SK Gaming, die damals mit Köln kooperiert haben, und Wolfsburg weiterhin in meiner Heimat nahe Augsburg gewohnt habe, war ich kaum vor Ort. Mein Freund Benedikt Bauer, der immer noch für den VfL spielt, wohnt hingegen vor Ort und hat mittlerweile gute Kontakte zu den Profis. Vereinzelt habe ich mit ein paar Profis geschrieben und auch mal gegen sie gespielt, aufgrund der Distanz war es aber schwer, groß Kontakte zu knüpfen.
Gibt es Fußballprofis, von denen Sie aus eigener Erfahrung sagen können, dass sie in FIFA richtig gut sind?
Neuhausen: Die gibt es! Nassim Boujellab von Schalke ist auf jeden Fall richtig stark, der hat gegen mich ordentlich geschwitzt. Wenn ich richtig informiert bin, hat er auch schon ein 30-0 in der Weekend League geholt, das ist schon bemerkenswert. In FIFA 20 war Nico Schlotterbeck [Union Berlin; Anm. d. Red.] ein hartnäckiger Gegner, gegen den ich auch ein paar Mal gespielt habe.
2019 wurden Sie mit 16 Jahren zum jüngsten FUT-Champions-Cup-Sieger, spätestens seit Ihrer Machtdemonstration beim zweiten FUT-Champions-Cup in diesem Jahr (12:1-Sieg im Finale) und dem damit verbundenen Sprung auf Platz eins der Xbox-Rangliste in Europa sehen viele in Ihnen einen der besten FIFA-Spieler weltweit. Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Neuhausen: Für mich bleibt das große Ziel, mich in diesem Jahr für die WM zu qualifizieren. Dafür muss man bei den Playoffs, für die ich bereits teilnahmeberechtigt bin, ungefähr in die Top 10 kommen. Doch zunächst will ich bei den beiden noch ausstehenden FUT-Champions-Cups gut performen und möglichst einen davon gewinnen.
Sich an die aktuelle "Meta", also die effektivsten Kniffe im Spiel, anzupassen, ist in FIFA oft der Schlüssel. Das 5-3-2-System sieht man immer häufiger in der Weekend League und gilt bei der richtigen Ausführung als eklig für den Gegner und Schlüssel zum Erfolg. Nicht viele sagen, dass die Formation von Ihnen groß gemacht wurde. Können Sie das bestätigen?
Neuhausen: Die Fünferkette habe ich tatsächlich komplett in der Szene integriert. Den zweiten FUT-Champions-Cup habe ich damit gewonnen und daraufhin haben es immer mehr Leute ausprobiert und übernommen. In der Weekend League sieht man sie mittlerweile wirklich häufig, deshalb bekomme ich auch ständig Hassnachrichten und Beleidigungen auf Social Media, ich hätte das Spiel damit kaputt gemacht und der Modus wäre durch mein System noch viel schlimmer geworden. Darüber kann ich bislang allerdings nur schmunzeln.
Wie sind sie darauf gekommen?
Neuhausen: Aufgrund von Updates wurden gewisse Tricks wie der Übersteiger, den zu Beginn von FIFA 21 jeder Profi perfekt konnte, deutlich abgeschwächt. Zu Torerfolgen zu kommen, wurde immer schwieriger, deshalb habe ich mir gedacht, ich spiele zunächst richtigen Antifußball mit einer Fünferkette, bei der selbst die Außenverteidiger hinten bleiben sollen. Nach ersten Tests lief das schon recht gut, aber bei diesen Einstellungen fehlte vorne auf den Außen die Unterstützung. Also habe ich den Außenverteidigern die Anweisung gegeben, dass sie sich ständig in die Offensive einschalten sollen und mir wurde schnell klar, dass es eine überragende Formation ist. Vorne wie hinten hat man dadurch Überzahl, im Mittelfeld steht man kompakt und als es auch gegen Profis und auf Turnieren sehr gut klappte, bin ich dabei geblieben.
Was müssen die Spieler in dem System können?
Neuhausen: Wichtig ist, dass man Außenverteidiger mit viel Tempo in der Innenverteidigung aufstellt. Damit verhindert man einen Geschwindigkeitsnachteil bei Kontern, denn bei Ballverlusten in der Offensive fehlen die nominellen Außenverteidiger oft als Absicherung. Im Dreiermittelfeld lasse ich die beiden äußeren Spieler die Defensive abdecken, der zentrale hingegen darf sich in die Offensive einschalten und sollte eher ein Achter wie beispielsweise Bruno Fernandes sein. Die Stürmer brauchen bei mir Tempo und fünf Sterne bei den Spezialbewegungen, um alle Tricks nutzen zu können.
Es spielt also keine Rolle, wenn nicht alle Spieler auf volle Chemie kommen?
Neuhausen: Für mich nicht. Bei mir starten beispielsweise Spieler wie Theo Hernandez, Juan Cuadrado, Kyle Walker oder Reece James in der Innenverteidigung. Dort erreichen sie sieben der zehn maximalen Chemiepunkte. Mit dem richtigen Chemistry Style kommen sie dann bei den Tempo- und Verteidigungswerten nichtsdestotrotz auf das Maximum und das reicht mir dann. Raphael Varane gehört wohl zu den besten Innenverteidigern im Spiel, aber mit ihm werde ich nie das maximale Tempo erreichen und da in FIFA 21 nicht Größe und Statur, sondern eher Beweglichkeit gefragt ist, fährt man meiner Meinung nach mit Außenverteidigern in der Abwehrmitte besser.

Wer sind in FIFA 21 Ihrer Meinung nach die besten Spieler auf ihrer Position – von Torwart bis Angreifer?
Neuhausen: Im Tor entscheide ich mich für Edwin van der Sar in der mittleren Icon-Version. Der beste Verteidiger ist meiner Meinung nach Theo Hernandez als Headliner. Als defensiven Mittelfeldspieler würde ich Icon Prime Moments Patrick Vieira nennen. Wird eher ein Achter oder Zehner gesucht, kann ich Bruno Fernandes in der Team-of-the-Year-Version empfehlen. Im Sturm setze ich auf die 95er-Karte von Pele.
Wie kommt es, dass Sie beispielsweise bei van der Sar nicht die beste Version des Spielers wählen?
Neuhausen: Vielleicht ist es Aberglaube, aber auch andere Profis bestätigen oft meinen Eindruck, dass die Stärke von Torhütern im Spiel selbst von Account zu Account unterschiedlich ist. Man braucht also Glück, dass die gekaufte Karte des Torhüters bei einem selbst gut hält und da hat mich die mittlere Icon-Version von van der Sar noch nie enttäuscht.
Welche drei Stars empfehlen Sie Spielern mit weniger Budget?
Neuhausen: Wer ihn sich leisten kann, sollte sich auf jeden Fall die Gold-Karte von Neymar kaufen. Für Spieler mit weniger Budget ist das definitiv der beste Spieler, im Sturm hat er sogar gegen Kylian Mbappe oder Cristiano Ronaldo die Nase vorne. Marcus Rashford kann ich ebenfalls empfehlen, genauso wie die Inform-Karte von Allan Saint-Maximin.
Und wie sieht es mit Icons mit Maximalpreis von einer Million Münzen aus?
Neuhausen: Kenny Dalglish ist hier auf jeden Fall zu empfehlen. Er hat fünf Sterne beim schwachen Fuß und auch bei den Spezialbewegungen fehlt ihm nur ein Stern. Außerdem ist er extrem beweglich, was in diesem FIFA-Teil im Sturm Gold wert ist.
DullenMIKE: "Wer bei FIFA ganz oben mitspielen will, muss alle Tricks beherrschen"
Wie wichtig sind Tricks im E-Sportbereich?
Neuhausen: Wer ganz oben mitspielen will, muss alle Tricks beherrschen. Vor allem in Eins-gegen-Eins-Situationen im Sechzehner können sie oft den entscheidenden Vorteil bringen. Natürlich sind viele Spezialbewegungen unnötig oder nicht effektiv, doch das kann sich im neuen Teil dann schon wieder ändern, weshalb man sie nicht vergessen sollte. Tricks sind für normale Spieler außerdem ein guter Ansatzpunkt, sich zu verbessern. Beherrscht man einen Großteil davon und setzt sie in den richtigen Situationen ein, kann man seine Ergebnisse beispielsweise in der Weekend League rasch verbessern.
Anders Vjergang sorgte in den vergangenen Monaten für Aufsehen, als er als 14- beziehungsweise 15-Jähriger 536 Weekend-League-Spiele in Folge gewann. Auch Sie haben schon schlechte Erfahrungen gegen ihn gemacht, als Sie im Finale beim Eligella Cup einmal 1:9 (Hin- und Rückspiel) gegen ihn verloren haben. Wie kommt so etwas bei Ihren Fähigkeiten zustande?
Neuhausen: Das 1:9 klingt natürlich nach totaler Klatsche. Ich habe wirklich schlecht gespielt, lag allerdings nach zehn Minuten schon unnötig 0:2 zurück, was mir mental einen Knacks gab. Danach kassierte ich sehr leicht weitere Tore, weshalb sein Erfolg auf jeden Fall mehr als verdient war – auch in der Höhe. So einen Lauf in der Weekend League, wie er ihn hatte, werden wir wahrscheinlich nie wieder erleben. Jeder Spieler weiß, dass in diesem Modus alles passieren kann, doch selbst Spiele, die gegen ihn liefen, konnte er für sich entscheiden. Das war schon sehr krass. Wäre er schon 16 Jahre alt, müsste man ihn bei den Offline-Turnieren auf jeden Fall auf der Rechnung haben in diesem Jahr.
Auch aufgrund seines Verhaltens und der Tatsache, dass ihn die Leute endlich verlieren sehen wollten, hat er während seiner Livestreams und auf Social Media viel Hass abbekommen. Wie stehen Sie dazu?
Neuhausen: Wer FIFA professionell spielt, ist Hassnachrichten gewohnt, aber das Ausmaß bei Anders war schon krank. Von 20.000 Zuschauern wollten ihn 19.000 verlieren sehen, da muss man sich vor Augen führen, was das in einem 14-Jährigen auslöst. Deshalb war es für mich verständlich, dass er irgendwann im Spiel und auch vor der Kamera provokant wurde, was die Situation natürlich nicht besser machte. Der traurige Höhepunkt war bei seiner ersten Niederlage. In seinem Stream konnten zu diesem Zeitpunkt nur Leute in den Chat schreiben, die ihn mit fünf Euro im Monat unterstützten. Seine Niederlage nahmen dann unfassbar viele Leute zum Anlass, diese fünf Euro zu bezahlen, nur um ihn im Chat beleidigen zu können. Das war komplett krank.
Bei vielen Spielern ist der Modus längst zur Hassliebe geworden, weil man oft das Gefühl hat, unverdiente Niederlagen zu kassieren und auch die Belohnungen zu wünschen übriglassen. Ist das als Profi nachvollziehbar?
Neuhausen: In FIFA 17 gab es den Modus erstmals und da es zuvor quasi keine Packs fürs Zocken gab, war das natürlich schon eine überragende Neuerung. Doch von Jahr zu Jahr ist nicht nur der Modus schlechter geworden, auch die Belohnungen wurden immer mieser. Selbst wenn man jede Woche in die Top 200 kommt, springen meistens nur um die 200.000 Münzen heraus. Da ist es klar, dass sich die Leute fragen: "Wofür mache ich das?" Für mich ist der Modus mittlerweile eher eine gute Möglichkeit, den Stream anzuwerfen und mit meinen Zuschauern ein wenig zu interagieren.
DullenMIKE: An Scripting in FIFA glaube ich nicht, aber ...
Glauben Sie, dass die Dinge bei FIFA fair oder anders gefragt regelmäßig unfair ablaufen?
Neuhausen: Immer fair auf jeden Fall nicht. Im echten Fußball gewinnt allerdings auch nicht immer die bessere Mannschaft. Dass FIFA sich daran auch orientiert, macht den Wettbewerbscharakter natürlich komplizierter, weil man sich bei zehn identischen Großchancen nicht sicher sein kann, dass bei gleicher Ausführung des Schusses selbst mit den besten Karten im Spiel auch alle zehn im Kasten landen. Erwischt man einen dieser Fehlschüsse in engen oder wichtigen Spielen, kann es natürlich dazu kommen, dass nicht der bessere E-Sportler auch die Partie gewinnt.
Viele Zocker reden von "gescripteten Spielen", in denen eine Niederlage vorprogrammiert scheint. Selbst die besten Spielerkarten wirken plötzlich behäbig, die einfachsten Pässe kommen auf einmal nicht mehr an. Wie kann das sein?
Neuhausen: Absichtliches Scripting will ich dem Spiel nicht vorwerfen, aber von einen Momentum-Boost bin ich überzeugt. Es kommt oft vor, dass der Anschlusstreffer bei einem Drei-Tore-Rückstand das ganze Spiel kippen lässt. Zuvor klappte nichts und plötzlich sind die eigenen Spieler nicht zu bremsen. Das habe ich oft genug für, aber auch gegen mich erlebt. So etwas kann man meiner Meinung nach nicht abstreiten.
Wie können Profis das dennoch kompensieren?
Neuhausen: Es kommt natürlich auch auf die Stärke des Gegners an. Von 30 Spielen am Wochenende spielt man gegen fünf bis maximal zehn Spieler auf Elite-Niveau. Diese holen in der Regel mindestens 23 Siege aus 30 Spielen und haben daher etwas drauf. Gegen die restlichen Gegner darf man als Profi einfach nicht verlieren, weil man sich gegen Durchschnittsspieler genügend Chancen erarbeitet, um das Spiel zu gewinnen, selbst wenn das Momentum nicht auf deiner Seite ist. Gegen Elite-Spieler kann es hingegen schon entscheidend sein, wenn das Momentum eher beim Gegner liegt. Läuft das Spiel dann gegen einen, kann es gut und gerne passieren, dass man letztlich auch verliert.
Sie waren in der Weekend League bereits auf Platz eins der Welt und haben an einem Wochenende sogar auf der Xbox und PlayStation ein 30-0 geholt. Wie viel Eigenmotivation ist dafür notwendig?
Neuhausen: Um Punkte für die Qualifikationsturniere sammeln zu können, müssen wir einmal im Monat mindestens 29 Siege erreichen. Dennoch spiele ich eigentlich jedes Wochenende und mit dem Livestream nebenher macht mir das auch Spaß – meistens jedenfalls. (lacht)

Wie reagieren Sie auf Niederlagen? Jeder kennt Videos legendärer Ausraster von FIFA-Spielern.
Neuhausen: Wenn ich verliere, fliegen bei mir keine Controller durch die Gegend. Das spiegelt sich dann eher in meiner allgemeinen Stimmung wider. Klassische Ausraster sind aber auch bei Profis zu beobachten, ich habe so einige fliegende Controller auf Events im Kopf, wenn ich darüber nachdenke. Ich kann mich auch an einen Stromausfall bei einem Turnier erinnern, der von einem wütenden Teilnehmer verursacht wurde. Aus Ärger schlug er mit voller Wucht auf den Tisch, an dem mit ihm noch fünf weitere Spieler saßen. Die Wucht des Schlages ließ dann bei allen sechs Konsolen die Lichter ausgehen und alles musste neu gestartet werden.
Wie fair oder unfair geht es auf hohem Niveau zu?
Neuhausen: Die meisten Spieler in der Weltspitze haben untereinander ein gutes Verhältnis, deshalb läuft alles ziemlich fair ab, um sich auch die eigene Reputation nicht kaputtzumachen.
Gilt das auch bei frühzeitigem Zeitspiel?
Neuhausen: Wenn jemand damit ab der 80. Minute beginnt, geht das für mich komplett in Ordnung. Verwerflich finde ich es, wenn man bei einer knappen Führung ab der 60. Minute schon ständig zur Eckfahne rennt, aber gegen Ende des Spiels ist es ein legitimes Mittel. Letztlich zählt nur das Ergebnis.
Zufällige Icon-Packs? Nicht einmal Cruyff würde es in DullenMIKEs Team schaffen
Wie viel Kohle steckt ein Profi durchschnittlich in Fifa?
Neuhausen: FIFA ist leider ein Pay-to-Win-Spiel geworden. Jeder Profi einschließlich mir dürfte da zu Beginn des Jahres einige Tausend Euro reinstecken. Steht man bei einem Verein oder einer Organisation unter Vertrag, werden diese Kosten meistens übernommen. NEO hat mich zu Beginn von FIFA 21 mit FIFA Points unterstützt, um von Anfang an wettbewerbsfähig zu sein. Ich selbst habe bis zum heutigen Zeitpunkt noch ein wenig aus eigener Tasche dazugezahlt, mehr dürfte es aber nicht mehr werden, weil ich mein bestmögliches Team für die Qualifikationsturniere schon zusammengestellt habe.
Einige wenige E-Sportler wollen zeigen, dass es auch ohne Echtgeld geht. Kann man damit konkurrenzfähig sein?
Neuhausen: In meiner ersten E-Sport-Saison in FIFA 19 konnte ich als Schüler natürlich keine großen Summen in das Spiel stecken, bei mir waren es seinerzeit 100 Euro. Damals gab es bei den Turnieren noch keine Beschränkungen, wonach das Team beispielsweise nur zwei Icons wie in FIFA 21 enthalten darf. Da gab es folglich Leute, die mit elf Icons antraten - und ich kam beim ersten Turnier mit der Goldkarte von Antoine Griezmann an. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, die auch ohne Echtgeld in der Weltspitze mitspielen können, wie letztes Jahr auch mein heutiger Teammate xLennyyy von NEO, doch wer sich dort wirklich etablieren will, muss eigentlich Geld ausgeben.
Wie haushalten Sie mit Ihren Münzen?
Neuhausen: In FIFA 20 haben ich viele Icon Packs mit zufälligem Inhalt gemacht, die sich meistens nicht gelohnt haben. Folglich musste ich noch Geld aus eigener Tasche investieren, um ein gutes Team zu haben. In diesem Jahr habe ich bis auf einzelne Spieler keine SBC abgeschlossen. Bei Zufallspacks könnte ich selbst die bestmöglichen Spieler im Normalfall eh nicht gebrauchen. Angenommen, ich würde aus einem Icon Pack die Prime-Version von Johan Cruyff, die auf dem Markt fast sieben Millionen Münzen kostet, ziehen, in mein Team würde ihn in trotzdem nicht stellen, weil ich Pele besser finde. Falls ich Münzen übrighabe, versuche ich damit ein bisschen zu traden, aber ansonsten wandern meine Münzen fast ausschließlich ins Team.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Was muss sich im neuen FIFA-Teil verbessern und werdet Ihr als Profis bei der Entwicklung vielleicht sogar mit einbezogen?
Neuhausen: Zum Ende von FIFA 19 wurden tatsächlich einige Profis bei der Entwicklung mit einbezogen, doch man darf nicht vergessen, dass wir das Spiel ganz anders angehen als Durchschnittsspieler. Folglich ist das in meinen Augen nicht sonderlich erfolgsversprechend. Für FIFA 22 wünsche ich mir endlich weniger Varianz im Spiel, auch fehlerhafte Tricks, die man aktuell zu seinem Vorteil nutzen kann, brauche ich im neuen Teil nicht mehr. Ansonsten finde ich das Spiel aktuell gar nicht so schlecht, darauf kann man auf jeden Fall aufbauen.