HINTERGRUND
Wenn ein Titelkandidat der Premier League und Mitfavorit auf den Gewinn der Champions League einen neuen Stürmer verpflichtet, dann wird das in der Regel groß inszeniert. Kuriose, bisweilen skurrile Videos werden gedreht, es gibt eine Pressekonferenz, der Spieler posiert im Stadion mit seinem neuen Manager, Schal und Trikot und jongliert ein wenig mit dem runden Freudenspender. So in etwa läuft das ab.
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Wenn es von all dem aber gar nichts gibt und der Verein den Transfer seines neuen Angreifers nicht einmal offiziell verkündet, dann spricht vieles dafür, dass wir es hier mit einem außergewöhnlichen Deal zu tun haben: Die Rede ist von Olarenjawu, genannt "Larry", Kayode und seinem Wechsel von Austria Wien zu Manchester City.
Barkers Abgang wird verkündet, Kayodes Verpflichtung nicht
Am 17. August brachte City die Verpflichtung des österreichischen Torschützenkönigs formell unter Dach und Fach. Knapp vier Millionen Euro Ablöse zahlte der Klub von Ilkay Gündogan und Leroy Sane an Austria Wien. Ein Klacks im Vergleich zu den Summen, mit denen Manchester in diesem Sommer bei seinen Einkäufen sonst so hantiert. Aber hätte der Transfer nicht dennoch irgendwie verkündet werden können?

Auf Citys Homepage findet sich nichts zu dieser Personalie und auch der Twitter-Account des Vereins fand keine Gelegenheit, den nigerianischen Nationalspieler willkommen zu heißen. Torwart Ederson wurde am Tag des Transfers zum 24. Geburtstag gratuliert und die Ausleihe von Talent Brandon Barker an den schottischen Erstligisten Hibernian FC verkündet. Zu Kayode und dessen unterschriebenem Vier-Jahres-Vertrag dagegen kein Wort.
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Einen Tag später tat sich in Sachen Kayode dann aber doch etwas auf Twitter. Allerdings nicht auf dem offiziellen City-Account, sondern dem des spanischen Erstliga-Aufsteigers FC Girona: Die Katalanen vermeldeten die Leihe des 24-Jährigen von den Citizens für die kommende Spielzeit.
Der Kayode-Deal ist einer, der bei City im Prinzip niemanden interessiert, in Girona allerdings gefeiert wird. Und der in der vergangenen Woche einmal mehr unterstrich, welch enge Bande der Dritte der letzten Premier-League-Saison zum LaLiga-Emporkömmling unterhält. Denn Kayode war in diesem Sommer bereits der fünfte (!) Spieler, der auf Leihbasis vom Etihad ins Municipal de Montilivi wechselte.
Die City Football Group krallt sich den sechsten Klub
ManCity hat sich praktisch ein Farmteam auf hohem Niveau aufgebaut und offiziell wurde dies schließlich am Mittwoch: Die City Football Group (CFG), Mutterkonzern der Citizens, kaufte 44,3 Prozent der Anteile an dem Traditionsverein. Denselben Prozentsatz hält die Agentur von Pere Guardiola, dem Bruder von City-Coach Pep. Die City Football Group hat also nach ManCity, New York City FC (USA), Melbourne City (Australien), Yokohama F Marinos (Japan) und dem Club Atletico Torque (Uruguay) einen sechsten Verein zu seinem Portfolio hinzugefügt.
Ferran Soriano, Ex-Vize-Präsident von Gironas Nachbarn FC Barcelona, ist Geschäftsführer von CFG und ManCity in Personalunion. Er frohlockte: "Girona ist ein Verein, der bei seinen Ambitionen Taten sprechen lässt. Ruhig und bescheiden und mit großer Hingabe und Bescheidenheit hat der Klub den Aufstieg in LaLiga geschafft. Das ist eine unglaublich Leistung und es wurde durch das Spielen guten Fußballs erreicht."
"Der Klub hat den Ehrgeiz, sich in LaLiga zu etablieren und dieses Verhalten und diese Qualität deckt sich mit den Ambitionen, die wir in der City Football Group teilen. Die Möglichkeit, in Gironas Zukunft zu investieren, war verlockend", führte Soriano weiter aus: "Wir werden zuhören und verstehen, was immer es braucht, um den Klub und seine Fans langfristig so zu unterstützen, wie sie es verdienen."
Für City bieten sich durch diese "Partnerschaft", wenn man sie so bezeichnen möchte, hervorragende Möglichkeiten, jungen Talenten auf hohem Niveau Spielpraxis zu verschaffen, die sie im Starensemble Pep Guardiolas so gewiss nicht bekämen. Es verwundert also nicht, dass neben Larry Kayode mit Pablo Maffeo, Aleix Garcia, Douglas Luiz und Marlos Moreno vier der größten Nachwuchsstars aus Manchester nun den nächsten Karriereschritt in Spanien machen und nebenbei Girona zum Verbleib in LaLiga führen sollen.
Hätte Girona eine Chance gehabt, Kayode zu verpflichten?
Aber zurück zu Larry Kayode. Am 22. August wurde der Stürmer endlich doch bei seinem neuen Klub vorgestellt. Es gab eine Pressekonferenz, er posierte mit einem Schal vor dem Stadion und betonte artig, dass er im kommenden Jahr "viel lernen" und "viele Tore schießen" wolle, "um dem Team zu helfen."
Es muss aber doch die Frage erlaubt sein, inwiefern City hier in den Wettbewerb eingreift: Kayode erzielte in der Vorsaison starke 17 Treffer in der österreichischen Bundesliga und wurde Torschützenkönig. Aufsehen erregte er außerdem in der Europa League gegen die Roma, als er doppelt zuschlug. Zahlreiche Klubs aus dem Ausland zeigten Interesse, darunter unter anderem Citys Premier-League-Rivale Newcastle United.
Unwahrscheinlich, dass Girona, das in dieser Saison zum ersten Mal in seiner 87-jährigen Geschichte in Spaniens 1. Liga antritt, alleine im Werben um ihn Erfolg gehabt hätte. Zumal die Ablöse nur knapp unter dem vereinsinternen Rekord von 4,5 Millionen Euro für einen einzelnen Spieler gelegen hätte.
Noch sind nicht alle City-Leihgaben Verstärkungen
City kauft also einen Spieler mit Potenzial und greift Girona unter die Arme, damit der Verein sich in Spaniens Oberhaus etablieren kann. Für die beiden Vereine ist es eine Win-Win-Situation. Für die Konkurrenz ist es ein Deal mit Geschmäckle.
Sein Debüt feierte Kayode übrigens bereits am Samstag vergangener Woche, beim starken 2:2 im Heimspiel gegen Titelkandidat Atletico Madrid. Schönheitsfehler bei diesem unerwarteten Punktgewinn aus City-Sicht: Einzig Pablo Maffeo kam noch zum Einsatz. Garcia, Luiz und Moreno, die anderen Leihgaben, drückten jeweils 90 Minuten lang die Ersatzbank.
