HINTERGRUND Sollte Kylian Mbappe auf dem Boden bleiben, von Verletzungen verschont und die richtigen Karriereentscheidungen treffen, kann er der Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi seiner Generation werden. Das ist eine gewagte Aussage, aber mit seinen erst 18 Jahren hat der junge Monaco-Angreifer bereits gezeigt, dass er die technischen Fähigkeiten besitzt, um es ganz nach oben zu schaffen.
Niemand in den letzten 30 Jahren hat es zu zehn Ligue-1-Toren in weniger Spielen geschafft. Der in Paris geborene Shootingstar hat eine erstaunliche Torquote seit seinem Debüt als 16-Jähriger gegen Caen im Jahr 2015 vorzuweisen. Ein erfahrener Profi würde sich über ein Tor pro Spiel freuen, für einen Rookie in seiner ersten Saison ist es einfach unglaublich.
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Deshalb ist es keine Überraschung, das Mbappe in Goals am Mittwoch erscheinender NxGn 2017, die die weltweit 50 größten Talente mit Jahrgang 1998 oder jünger auflistet, auf dem zweiten Platz landete und lediglich Torhüter Gianluigi Donnarumma vom AC Mailand den Vortritt lassen musste.
Die Vergleiche zu Thierry Henry sind natürlich längst vorhanden. Oft ist es unfair, wenn so junge Spieler bereits mit solchen Superstars verglichen werden, aber in diesen Fall kann man die Ähnlichkeiten zwischen den beiden einfach nicht ignorieren.
Mbappe verfolgt einen ähnlichen Karriereweg wie Henry. Er fing bei einem kleinen Klub in einem Vorort von Paris an, bevor er nach Monaco wechselte und den französischen Fußball ähnlich wie Henry im Sturm eroberte.
Mbappe ist genauso leichtfüßig wie die Arsenal-Legende, bewegt sich sehr geschmeidig und ist mit ausgezeichnetem Abschluss vor dem Tor gesegnet. Tatsächlich könnte man sogar behaupten sagen, dass er ein instinktiverer Torjäger ist als Frankreichs Rekordtorschütze, der vor seinem Wechsel zu Arsenal bei weitem nicht so produktiv war wie Mbappe momentan.
"Er erinnert mich an den jungen Henry", hat Gunners-Coach Arsene Wenger zugegeben. "Er hat denselben cleveren Blick, dieselbe Spielintelligenz und ist ähnlich begabt im Abschluss." Aber im Alter von 18 ist Mbappe ein weitaus besserer Spieler.

In diesem Alter hat Henry lediglich dreimal für die Mannschaft aus dem Fürstentum gespielt. Zwei dieser drei Einsätze waren kurz vor seinem 19. Geburtstag. Mbappe ist hingegen erst vor drei Monaten 18 geworden und kann bereits über 40 Einsätze mit 20 Treffern und 14 Vorlagen vorweisen.
Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass Mbappe sich weiterhin mit solch unglaublicher Geschwindigkeit entwickelt und eine ähnlich steile Karriere wie Henry hinlegt. Aber vielleicht gibt es schon bald die erste Chance, Jagd auf Henrys Rekordmarke von 51 Toren für die französische Nationalmannschaft zu machen. Sein Debüt für die Equipe Tricolore soll er laut Trainer Didier Deschamps, der wegen Mbappe unter anderem auf Alexandre Lacazette oder Karim Benzema verzichtet, entweder gegen Luxemburg oder Spanien feiern.
"Wenn Sie mich fragen, ob er schon von internationalem Format ist, würde ich Ja sagen", sagte Deschamps gegenüber L'Equipe . Mehrere Klasseleistungen in den letzten Wochen haben ihn schließlich davon überzeugt, dass man den jungen Stürmer bereits jetzt schon für Frankreich auflaufen lassen kann.
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Wenn man in diesem Alter bereits auf so hohem Level spielt, kann dies schnell zum Fluch werden. Sowohl Deschamps als auch Wenger haben ihre Bedenken ausgedrückt, dass die übertriebene Aufmerksamkeit und Berichterstattung Überhand nehmen könnten.
Monacos Trainer Leonardo Jardim setzte ihn bis Anfang Februar nur spärlich ein. Ab dann wurde sein Talent aber so offensichtlich, dass man es nicht mehr ignorieren konnte und der Angreifer traf neunmal in acht Spielen. Sogar jetzt ist Monaco noch gewillt, sein Juwel mit Vorsicht zu behandeln. Das wurde mehr als offensichtlich, als Jardim seinen Stürmer beim Stand von 4:0 gegen Nantes nach etwa einer Stunde auswechselte.
Der Angreifer verließ das Spielfeld enttäuscht. So wurde ihm doch die Chance auf den dritten Hattrick seiner Karriere genommen, aber der portugiesische Trainer flüsterte Mbappe etwas in sein Ohr und bekam ein verständnisvolles Nicken zurück. Jugendlicher Zorn im Eifer des Gefechts? Fehlanzeige. Das war ein kleines Zeichen von Reife, das nahe legt, dass er mental stark genug sein könnte, um es ganz nach oben zu schaffen.
Der Jungstar hat zweifellos schon einmal kühlen Kopf bewahrt. Vor vier Jahren bekam er von keinem Geringeren als Zinedine Zidane eine Führung durch die Anlage von Real Madrid und hatte die Möglichkeit zu einem Wechsel zu den Königlichen. Aber er entschied sich zusammen mit seiner Familie, dass ein Wechsel ins Ausland zu diesem Zeitpunkt zu viel und vor allem zu früh wäre.

Des Weiteren versuchte Wenger, ihn im letzten Sommer von Monaco wegzulotsen, als er noch relativ unbekannt war. "Ich habe ihn letztes Jahr bereits angesprochen, weil ich glaube, dass er eine außergewöhnliche Zukunft vor sich hat", erklärte der Elsässer.
Wenger hatte Recht. Mbappe bringt alle Fähigkeiten mit. Sein Spiel ist mehrdimensional, und obwohl es momentan sehr auf seine Schnelligkeit ausgelegt ist, hat er bereits seine starken Fähigkeiten im Dribbling aufblitzen lassen, welche von seinem puren Selbstvertrauen unterstützt werden, wenn er auf seinen Gegenspieler zuläuft. Zusätzlich hat das Spiel gegen Nantes gezeigt, dass er auch ein gutes Kopfballspiel hat.
Seine Spielintelligenz ist ebenfalls sehr ausgeprägt. Er weiß, wann er passen und wann er selbst den Abschluss suchen muss. Das macht einen Top-Stürmer aus und Mbappe hat bereits gezeigt, dass er in dieser Hinsicht diesen Begriff bereits jetzt verdient.
Außerdem ist er ein Vollblutstürmer und weiß instinktiv, wie er den Torwart am besten überwinden kann. Entweder mit roher Gewalt wie im Spiel gegen Manchester City im Etihad Stadium oder mit Gefühl, wie Torhüter Laurent Pionnier von Montpellier schmerzhaft feststellen musste, als er von einem gefühlvollem Heber Mbappes gedemütigt wurde.
"Er ist erst 18, was er macht ist unglaublich", sagte Teamkollege Bernardo Silva, der einer der besten Spieler dieser Saison in der Ligue 1 ist. "Am Anfang wussten wir, dass er ein Spieler ist, der ein bisschen anders ist. Wenn er den Ball berührt, fühlt er es. Er hat eine Spielweise, die etwas Besonderes hat."
Alles, was bisher in seinem Weg stand, hat er mit Leichtigkeit erledigt. Aber es werden noch weitere knifflige Aufgaben gelöst und Hürden überwunden werden müssen. Seine erste Formkrise wird die größte werden: Wie wird der Goldjunge damit umgehen, wenn sein Können plötzlich infrage gestellt wird und die Boulevardmedien zur Schelte ausholen?
Und dennoch: Wenn Mbappe diese bemerkenswerte Entwicklung weiterführen kann, wird es nicht allzu lange dauern, bis Zidane sich wieder bei ihm meldet. Dieses Mal mit einem Millionenscheck in der Hinterhand.


