Beinahe hätte sich David Martindale am 28. Februar 2021 den ersten Titel in seine Vita eintragen können: Mit dem FC Livingston verlor der heute 48-Jährige das Finale des schottischen Ligapokals gegen St. Johnstone nur denkbar knapp mit 0:1. Es wäre die vorläufige Krönung einer bemerkenswerten Geschichte gewesen - denn: David Martindale saß vor einigen Jahren noch wegen Drogenhandels im Gefängnis.
Rückblick. Martindale, in Schottlands größter Stadt Glasgow geboren, wurde in einer rauen Gegend groß. "Ich bin in Wohnprojekten aufgewachsen. Man strebt danach, der Typ zu sein, der den BMW oder den Range Rover fährt. Man will nicht der Typ sein, der ständig seinen Job verliert und darum kämpft, seine Miete zu bezahlen", zitiert ihn der Guardian.
Martindale war ein talentierter Jugendspieler, auch wenn er nie in die Nähe eines Profivertrags kommen sollte. "Ich habe mein Potenzial nicht einmal annähernd ausgeschöpft und war einfach nur ein weiterer Typ, der sein Talent in seiner Jugend auf der Straße wegwarf. Beim Fußball ist mir immer alles leichtgefallen, obwohl ich nie auf professionellem Level spielte oder coachte. Ich weiß, dass ich viele Gelegenheiten verschwendet habe, als ich jünger war."
David Martindale: Verurteilt wegen Drogenhandel und Geldwäsche
Statt als Fußballer machte Martindale später als Restaurant- und Pub-Besitzer sein Geld. Doch als er mit dem Business in finanzielle Schwierigkeiten geriet, wählte er die Abzweigung auf die schiefe Bahn und rutschte in die organisierte Kriminalität. Im April 2004, mit Ende 20, wurde er bei einer Razzia festgenommen und kam in U-Haft. Der Vorwurf: Handel mit Kokain und Geldwäsche.
Schon beim Warten auf das Urteil bereute er seine Handlungen, wollte sein Leben umkrempeln und schrieb sich für einen Studiengang im Bauprojekt-Management ein. Doch er wurde zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, muss im November 2006 die Haftstrafe antreten.
Auf Drängen seines Anwalts plädierte er nun auf schuldig, um seine Zeit hinter Gittern zumindest zu verringern. "Ich hatte alles verdient, was da kommen würde und ich war entschlossen, es durchzustehen – egal, wie lange. Von diesem Tag an plädierte ich auf schuldig. Ich war schuldig und der einzige Weg, das wieder geradezurücken, war, meine Strafe anzunehmen", erklärt er.
Getty ImagesVier Jahre musste er letztlich im Gefängnis absitzen, dann kam Martindale wieder frei. Er beendete sein Studium, arbeitete fortan in der Baubranche. Und nebenbei trat der Fußball wieder verstärkt in sein Leben. Über Zufälle und Empfehlungen von Freunden kam er 2014 zum FC Livingston, arbeitete dort neben seinem Hauptjob als eine Art "Mädchen für alles": "Ich hob Hütchen auf, sammelte Bälle ein und sah John (Ex-Trainer John McGlynn, d. Red.) zu. Ich half dort auf freiwilliger Basis Dienstag- und Donnerstagmorgens, dann ging ich wieder auf die Baustelle."
David Martindale an Livingstons Rückkehr ins Oberhaus beteiligt
Nach und nach wurde Martindale immer mehr auch im sportlichen Bereich involviert, bemerkte: "Ich hatte jetzt einen Pfad in den professionellen Fußball." Als im Januar 2016 David Hopkin neuer Chefcoach wurde, wollte er Martindale als seinen Co-Trainer. "Hoppy war unglaublich. Ich stehe für den Rest meiner Karriere in seiner Schuld. Ich bin stolz auf den Fakt, dass Livingston – genau wie ich – ohne Vorurteile war", betont Martindale.
Er war fortan unter anderem auch für Scouting und Spielereinkäufe zuständig, gab einigen auf den ersten Blick schwierigen Profis eine zweite Chance, die ja auch er bekommen hatte. Und vor allem brachte Martindale Erfolg! Auch dank seines guten Auges schaffte Livingston nach dem zwischenzeitlichen Abstieg in die 3. Liga im Sommer 2018 die Rückkehr ins schottische Oberhaus.
David Martindale seit Ende 2020 Cheftrainer beim FC Livingston
Im November 2020 folgte dann die spektakuläre Beförderung: Weil Gary Holt entlassen wurde, stieg Martindale zunächst interimsmäßig zum Cheftrainer auf, feierte vier Pflichtspielsiege in Folge und wurde kurz vor Weihnachten dann auch langfristig zum neuen Boss ernannt. Er führte Livingston ins gesicherte Mittelfeld.
"Ich weiß, die Leute werden das hier lesen und Bedenken haben. Das ist vollkommen nachvollziehbar", sagt Martindale. "Alles, was ich will, ist, dass man mich als die Person beurteilt, die ich heute bin – nicht der David Martindale von 2004." Damals stand er vor einem Scherbenhaufen, nun ist er für viele Menschen eine Inspiration. "Musste ich härter arbeiten als der Typ, der nicht im Gefängnis war? Wahrscheinlich, und das ist auch richtig so. Aber das ist in Ordnung, solange man eine Chance bekommt."

