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Borussia Dortmund: Triumphator im Transferfenster des Wahnsinns


HINTERGRUND

Es waren turbulente Monate für Borussia Dortmund. Erst der furchtbare Bombenschlag auf die Mannschaft der Schwarz-Gelben im April, dann die Trennung von Thomas Tuchel Ende Mai. Der Abgang des im Umfeld zunächst skeptisch betrachteten und dann doch mehrheitlich beliebten Trainers hinterließ bei vielen Außenstehenden einen faden Beigeschmack. Sportlich entbehrte die Trennung jeder Grundlage. Zu erfolgreich hatte der Fußballlehrer den BVB durch die vielleicht schwierigste Phase der Vereinsgeschichte manövriert.

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Letztlich stand nach dieser psychisch maximal aufreibenden Saison Platz drei in der Bundesliga. Das Viertelfinale der Champions League hatten die Borussen erreicht, den DFB-Pokal und damit den ersten Titel seit 2012 gewonnen. Und doch war die Trennung unausweichlich. Große Gräben hatten sich aufgetan, zwischen der Vereinsführung und dem Trainer, aber auch zwischen Teilen der Mannschaft und dem Coach.

Im Juni präsentierte der BVB also den Niederländer Peter Bosz als Nachfolger, und der sah sich prompt jenen Dingen ausgesetzt, denen kein Trainer gerne ausgesetzt ist. Tagtäglich gab es Spekulationen. Um Pierre-Emerick Aubameyang. Um Christian Pulisic. Und vor allem um Ousmane Dembele. Tatsächlich wechselte nur Letzterer. Für eine Rekordsumme. Zum FC Barcelona. Dembele hatte in den Wochen zuvor alle dreckigen Karten ausgespielt, um seinen Wechsel zu erzwingen. Er war unentschuldigt dem Training ferngeblieben, hatte gestreikt.

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Als statuiertes Exempel für die ganze Bundesliga wollte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke das Handeln der Dortmunder in dieser Angelegenheit verstanden wissen. Die Borussen hatten sich nicht erpressen lassen, sie hatten einen wohlgemerkt exorbitant hohen Preis genannt und waren dabei geblieben. Mit einer Summe von knapp 150 Millionen Euro inklusive Bonuszahlungen werden sie nun für Dembeles Abgang entschädigt. Das kann und das darf man feiern. Ein Exempel allerdings hätten die Dortmunder nur dann statuiert, wenn sie Dembele gehalten hätten. Denn abgeben wollten sie ihn ursprünglich ja nicht. Für kein Geld der Welt.

Mit Bedacht und Weitsicht gegen den Wahnsinn

Bemerkenswert konsequent war der Umgang mit diesem Fall trotzdem. Noch bemerkenswerter ist allerdings Dortmunds ganzheitliches Gebaren in diesem Transfersommer. Die Schwarz-Gelben haben ihr Supertalent verloren, ihren Kader in den einzelnen Mannschaftsteilen und in der Breite aber trotzdem verstärkt, und dazu noch ein gehöriges Plus erwirtschaftet. Der BVB ist der Triumphator im Transferfenster des Wahnsinns.

Selbst Fans der rivalisierenden Teams aus Gelsenkirchen oder München mussten anerkennen: Die Dortmunder haben schlicht vieles richtig gemacht in den vergangenen Wochen. Auch das verdeutlicht der Dembele-Transfer. 

Nach dem 2:0-Sieg im Bundesligaspiel gegen Hertha BSC sprach Sportdirektor Michael Zorc im ZDF-Sportstudio. Ob das größte Problem bei der Nachfolgesuche nun sei, dass die Konkurrenz um Dortmunds neuerliche Finanzstärke weiß, fragte Reporter Boris Büchler. "Vielleicht", entgegnete Zorc mit geradezu stoischer Gelassenheit, "haben wir uns ja vorbereitet." Am Samstag war das. Zwei Tage später waren mit dem FC Barcelona auch die letzten Formalitäten des Dembele-Transfers geklärt. Noch bevor die Dortmunder diese Nachricht verkündeten, präsentierten sie den Nachfolger. Andrey Yarmolenko, 27, wurde von Dynamo Kiew verpflichtet. Er kam für rund 25 Millionen Euro und damit für einen Bruchteil der Dembele-Millionen.

Vorbereitet hatten sich die Borussen aber nicht nur auf Dembeles Abgang, sondern auch auf jenen Wahnsinn, der sich zur Zeit auf dem Transfermarkt abspielt. Während Top-Teams aus England, Frankreich, Italien oder Spanien nur so mit dem Geld um sich werfen und 40 Millionen Euro für einen in der Premier League grandios gescheiterten 29-Jährigen aus der chinesischen Liga zahlen, wirtschaftet der BVB mit Bedacht und Weitsicht.

Drei U21-Europameister und gefühlte Neuzugänge

Aus der Bundesliga holten die Dortmunder etwa die deutschen U21-Europameister Jeremy Toljan, Mahmoud Dahoud und Maximilian Philipp für insgesamt rund 40 Millionen Euro. Alle drei sind typische BVB-Transfers: jung, entwicklungsfähig, vergleichsweise günstig. Ablösefrei kam zudem das vielversprechende Defensivtalent Dan-Axel Zagadou aus der zweiten Mannschaft von Paris Saint-German. Innenverteidiger Ömer Toprak und Yarmolenko bringen derweil reichlich Erfahrung nach Dortmund.

Zugänge Abgebender Verein Ablöse Abgänge Aufnehmender Verein Ablöse
YarmolenkoDynamo Kiew25 Mio. EuroDembeleFC Barcelona105 Mio. Euro
PhilippFreiburg20 Mio. EuroGinterGladbach17 Mio. Euro
DahoudGladbach12 Mio. EuroMorCelta Vigo13 Mio. Euro
ToprakLeverkusen12 Mio. EuroS. BenderLeverkusen12,5 Mio. Euro
ToljanHoffenheim5 Mio. EuroA. RamosCQ Dangdai12 Mio. Euro
ZagadouPSG IIablösefreiStenzelFreiburg4 Mio. Euro
   MerinoNewcastleLeihe: 3 Mio Euro.
   BurnicStuttgartLeihe
   PasslackHoffenheimLeihe

Quelle: Transfermarkt.de

Wie positiv sich die Transfers auf den schon vergangene Saison starken Kader auswirken, haben die ersten Pflichtspiele bereits gezeigt. Zagadou ließ sein Potenzial aufblitzen, verblüffte gar einige Experten. Der gelernte Innenverteidiger musste - der personellen Situation geschuldet - meist links in der Viererkette ran, löste selbst diese Herausforderung seiner stattlichen Hünenhaftigkeit von 1,95 Metern und der fehlenden Erfahrung zum Trotz größtenteils beeindruckend. Toprak indes kam gegen Berlin für Sokratis Papastathopoulos ins Spiel und machte seine Sache souverän. Stand Matthias Ginter auf dem Platz, war da immer dieses gewisse Fünkchen Unsicherheit. Zu wackelig und unbedacht wirkte der Weltmeister teilweise mit dem Ball am Fuß. Er spielt nun in Gladbach, der ruhigere, erfahrenere Toprak in Dortmund. Zudem wird Toljan, der auf beiden Außenverteidiger-Positionen auflaufen kann, für Entlastung der Etablierten sorgen.

Es ist aber nicht nur die Defensive, die im Vergleich zur Vorsaison besser aufgestellt ist. Gleiches gilt fürs Mittelfeld. Von Dahoud erwarten sie Großes in Dortmund, langfristig könnte er einer werden wie Ilkay Gündogan, hoffen sie. Die nötigen Anlagen sind vorhanden, derzeit haben jedoch andere die Nase vorn. Nuri Sahin und Mario Götze zum Beispiel, die beiden gefühlten Neuzugänge. Ersterer spielte unter Tuchel keine Rolle, letzterer fehlte wegen einer Stoffwechselerkrankung lange. Unter Bosz blüht das Duo wieder auf, bildete in den ersten Spielen gemeinsam mit Gonzalo Castro das Mittelfelddreieck. Bedenkt man, dass Shinji Kagawa und Dahoud auf der Bank saßen, während Julian Weigl, Raphael Guerreiro und Sebastian Rode verletzt fehlten, wird einem beinahe schwindelig angesichts der enormen Auswahl.

Der kommende Superstar

In der Offensive indes wird die Qualität von Dembele fehlen. "Einen Ousmane Dembele kann man nicht eins zu eins ersetzen", sagte Hans-Joachim Watzke unlängst. Er weiß aber ganz genau: Mit Christian Pulisic, 18, haben die Dortmunder noch so ein Versprechen für die Zukunft, nicht minder verheißungsvoll. Wer meint, der US-Amerikaner würde erst jetzt, da Dembele weg ist, so richtig durchstarten, der scheint in der vergangenen Saison nicht viele Spiele der Borussen gesehen zu haben. Überzeugend kickt Pulisic nämlich schon länger. Nicht ganz so trickreich, nicht ganz so schnell wie Dembele, aber immer noch trickreicher und schneller als die meisten anderen. Dazu ist er reifer in seiner Spielanlage, weniger eigensinnig, mit einem guten Auge gesegnet. Er ist der kommende Superstar, nicht nur in der Bundesliga.

Eine Offensivreihe mit Pulisic rechts, Marco Reus links und Aubameyang zentral, klingt erstmal nicht so schlecht. Reicht den Dortmundern aber nicht. Weil Reus oft verletzt fehlt, wie es auch aktuell der Fall ist. Deshalb haben sie vergangenen Sommer Andre Schürrle geholt, derzeit ebenfalls verletzt. Also sind jetzt auch Rechtsfuß Philipp und Linksfuß Yarmolenko neu dabei, beide mit klaren Lieblingspositionen, aber dennoch ziemlich variabel einsetzbar. Die beste Nachricht im Angriff ist jedoch die des Aubameyang-Verbleibs. Den Superstürmer mit Superturbo und eingebauter Torgarantie zu halten, war ein wichtiges Zeichen.

Auf der anderen Seite haben den BVB viele Spieler verlassen, abgesehen von Dembele aber keine, die man hätte halten wollen. Mit Ginter war man nie rundum zufrieden, Sven Bender wurde geliebt, war aber zu häufig verletzt. Emre Mor und Mikel Merino mögen wahnsinnig talentiert sein, ihnen fehlt aber die Reife. Dazu kommen noch Felix Passlack sowie Dzenis Burnic, aber die kommen ja wieder. 

In Summe ist der Kader besser aufgestellt als vergangene Saison, in der Breite ist er wahrscheinlich sogar der beste der gesamten Bundesliga. Dass man gleichzeitig ein beachtliches Transferplus von rund 90 Millionen Euro erwirtschaftet hat, die Bonuszahlungen nicht einmal eingerechnet, macht das Ganze umso bemerkenswerter. Es ist neben dem erfolgreichen Saisonstart wohl der Hauptgrund, warum in Dortmund schon jetzt kaum noch jemand von Thomas Tuchel oder Ousmane Dembele spricht. 

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