Ricardo Quaresma Cristiano Ronaldo SportingGetty Images

Zwei Juwele, aber nur eins brilliert: Warum Ronaldo seinen Sporting-Weggefährten Quaresma hinter sich ließ


HINTERGRUND

Konfetti-Teppich auf dem Rasen, rot-grüne Jubeltraube. 14 Jahre, nachdem bei Cristiano Ronaldo bittere Tränen geflossen waren, zeigte er nun unter dem Pariser Nachthimmel sein strahlendstes Lächeln. Portugal hatte es geschafft, er hatte es geschafft. Europameister.

Da stand er nun neben Ricardo Quaresma und präsentierte gemeinsam mit seinem ehemaligen Klubkollegen aus Jugendtagen die begehrte Silberware. Er, der Superstar und mehrfache Weltfußballer, hielt den linken Henkel des Pokals, Quaresma, der Exzentriker und Wandervogel, den rechten. Eine Fügung, ein Schicksal, die Zusammenführung zweier unterschiedlicher Lebenslaufstränge.

Ricardo Quaresma Cristiano RonaldoBild: Getty Images

Zu Beginn des neuen Jahrtausends spielten Ronaldo und Quaresma gemeinsam beim Lissaboner Spitzenklub Sporting. Rohes Talent, das gewisse Etwas, das man sich nicht im Fitnessstudio oder bei Waldläufen aneignen kann, hatten sie beide.

Die Ballbehandlung eine Augenweide, das Trickrepertoire unerschöpflich. Quaresma, zwei Jahre älter als Ronaldo, widmete die portugiesische Sportzeitung A Bola eine Doppelseite, Ronaldo ein paar Zeilen. Symbolträchtig, Quaresma stand damals deutlich mehr im Fokus als sein jüngerer Teamkollege.

Quaresma zum FC Barcelona, Ronaldo zu ManUnited

In der Saison 2002/03 erzielten beide jeweils fünf Tore für Sporting, das die Spielzeit hinter dem FC Porto und Stadtrivale Benfica auf Rang drei beendete. Die ganz großen Klubs hatten sie längst beide auf dem Zettel, Quaresma schloss sich dem FC Barcelona an, Ronaldo sorgte in einem Testspiel gegen Manchester United derart für Aufsehen, dass Sir Alex Ferguson den Edeltechniker mit den blondierten Spitzen sofort auf die Insel lotste.

Quaresma und Ronaldo waren angekommen im Weltfußball. Fortan sollten ihre Karrieren jedoch völlig gegensätzlich ablaufen.

Ronaldo, dieser schüchterne Junge mit dem feinen Füßchen, mischte die Premier League auf, verzückte die rauen englischen Fans mit seinen Kabinettstückchen. Quaresma fand bei den Blaugrana hingegen nicht in die Spur, verkrachte sich schnell mit Barca-Trainer Frank Rijkaard, soll sogar dessen Rücktritt gefordert haben.

Quaresma ex Barcelona playerGetty ImagesBild: Getty Images

Während Ronaldo sich merklich in puncto Physis und Taktikverständnis weiterentwickelte, Fergusons Ratschläge aufzusaugen schien, lehnte es Freigeist Quaresma ab, sich in ein taktisches Korsett drängen zu lassen. Der damals 20-Jährige suchte bereits nach einer Saison das Weite, kehrte zurück in sein Heimatland – und schloss sich dem amtierenden Champions-League-Sieger FC Porto an.

Außenrist- und Rabona-Gott, "goldene Mülltonne" in Italien

Ein Wechsel, der sich auszuzahlen schien, Quaresma perfektionierte seinen legendären Außenristpass und -schuss, brachte die Zuschauer mit Rabona-Flanken zum Staunen. Aktionen außer der Reihe, Aktionen, die nur wenige Fußballer beherrschen.

Allerdings auch Aktionen, die nur in seltenen Fällen entscheidenden Einfluss aufs Spielgeschehen nahmen. Quaresma blieb das schlampige Genie, Ronaldo avancierte zum Musterschüler in Manchester – und wurde mehr und mehr zu einem kompletten Fußballer.

Etliche Pokale hatte Quaresma während seiner Zeit bei Porto eingeheimst, da rief auch schon wieder die noch größere Bühne. Inter Mailand zahlte 24,6 Millionen Euro für die Dienste des Flügelspielers, im Dress der Nerazzurri durfte er sich zwar Champions-League-Sieger nennen (obwohl er Finale 2010 nicht im Kader stand), allerdings wurde er zusätzlich mit dem zweifelhaften Titel "Bidone D'Oro", der goldenen Mülltonne als schlechtester Serie-A-Spieler bedacht.

Chelsea-Desaster bei Quaresma, Ronaldo wird zu CR7

Er habe "viele falsche Entscheidungen" getroffen, sagte Quaresma einst, nachdem sich 2009 ein zwischenzeitliches Leih-Intermezzo bei Chelsea als Desaster herausgestellt hatte.

Ricardo Quaresma ChelseagettyimagesBild: Getty Images

Nur 180 Minuten brachte der hochveranlagte Nationalspieler für die Blues auf die Uhr, nach Inters Triumph in der Königsklasse war er Besiktas immerhin noch 7,3 Millionen Euro wert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Kumpel Ronaldo bei Real Madrid etabliert, sich mit seinen Initialen und seiner Rückennummer 7 die Weltmarke CR7 geschaffen.

Bei Besiktas wurde sein Vertrag nach ständigen Querelen im Dezember 2012, also ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende des Arbeitspapiers aufgelöst, beim Emirate-Klub Al Ahli verbrachte er ein weiteres Jahr, ehe erneut der FC Porto den Zuschlag erhielt und wiederum ein Jahr später die Rückkehr zu Besiktas über die Bühne ging.

Nach Sporting: Ronaldo bei drei Vereinen, Quaresma bei zehn

Mittlerweile kickt er, im Alter von 37 Jahren, bei Vitoria Guimaraes. Seit seinem Abgang von Sporting stehen zehn Stationen in seiner Vita. Zum Vergleich: Ronaldo spielte im selben Zeitraum für drei Arbeitgeber von absolutem Weltformat.

In Paris, in ebenjener Juli-Nacht, waren sie sich plötzlich wieder ganz nah, stemmten gemeinsam den EM-Pokal in die Höhe. Zwei unterschiedliche Lebensstränge hatten sich zusammengefügt – im Anschluss drifteten sie aber schnell wieder auseinander.  

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