Ciro Immobile kann jetzt endlich wieder in Ruhe angeln. In Dortmund oder Sevilla ging das nicht so einfach, unweit der italienischen Hauptstadt Rom hat der 27-Jährige nun aber ein Angelgebiet gefunden, in das er öfter nach Spieltagen fährt. "Zum Entspannen", wie er selbst sagt. Denn genau das kann er endlich wieder: zufrieden sein, durchatmen.
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Es ist ein Phänomen, dass Immobile in der Fremde einfach nicht funktioniert, in der Heimat aber einer der gefährlichsten Knipsers Europas ist. Vor und nach seinen Abenteuern in Ausland. Neun Pflichtspieltore hat er für Lazio Rom in sechs Spielen erzielt, mit einem Dreierpack schoss er den im Sommer exorbitant verstärkten AC Mailand im Alleingang ab.
Das, wofür er berühmt wurde, klappt wieder schlafwandlerisch leicht: das Toreschießen. Im letzten Jahr waren es 23 in der Liga für die Biancocelesti, vor seinem Wechsel zu Borussia Dortmund waren es für den FC Turin 22. Er wurde damals damit Torschützenkönig. Für Dortmund und die Andalusier, zu denen er 2015 floh, waren es drei und zwei Treffer.
Endlich wieder "Champion"
2016 kehrte er zurück - und ist jetzt besser denn je. "Jedes Mal, wenn ich euer Trikot trug, fühlte ich mich unbesiegbar", schrieb Immobile 2015 in einem Abschiedsbrief an die Torino-Fans. Und so ist es jetzt wieder. Er strotzt vor Selbstbewusstsein, trifft aus allen Lagen, per Kopf, mit links, mit rechts.
"Er ist ein Champion. Wir sind sehr glücklich mit ihm, er ist wundervoll", schwärmte sein Trainer Simone Inzaghi. Denn der Bruder von Torjäger Pippo weiß, wem er vor allem zu verdanken hat, dass Lazio ungeschlagen auf Platz vier rangiert. In Schlagdistanz zum Trio an der Spitze.
Heimweh, sprachliche Barriere, Druck
Die Gründe für die Rückkehr des "Kriegers", wie ihn Jürgen Klopp einst nannte, sind vielschichtig. Das ist zunächst, naheliegend, das Vertrauen, das er von Inzaghi erhält. Er darf Risiko gehen, Fehler machen, seinen Platz wird er nicht verlieren.
Da war zum einen das Heimweh. Er sehnte sich nach der Mentalität seiner Landsleute, nach seiner Sprache, nach dem Essen in Italien. Kurzum: Er ist einer, der Heimat braucht, um zu funktionieren. Der hundertfach zitierte und oftmals ins Lächerliche gezogene Ausspruch, beim BVB würde ihn keiner zum Essen einladen, ist insofern wahr, als dass er für die emotionale Leere steht, die ihn befiel, sobald er sein Turin verlassen hatte. Der Druck der Ablösesummen lastete schwer auf seinen Schultern.
Getty"Glücklichste Zeit meiner Karriere"
Ebenjenen Druck verspürt er in der Ewigen Stadt nicht. Er fühlt sich leicht, schwebt. "Es ist die glücklichste Zeit meiner Karriere", sagt Immobile. "Ich gehe gerne zur Arbeit, bin sehr froh über die Arbeit, die ich für dieses wunderbare Team leiste." Aus seinen Worten spricht Dankbarkeit. Darüber, dass es jetzt wieder läuft. Darüber, dass er nicht mehr ausgepfiffen wird, sondern die Fans ihn lieben und mit "Ciro"-Rufen feiern.
Dass es so rund läuft, hängt eng mit dem von Inzaghi präferierten 3-4-2-1-System zusammen. Immobile ist die Speerspitze, der Mann, auf den das Spiel zugeschnitten ist. Milinkovic, Alberto, Lulic und Basta füttern ihn mit Zuspielen, die er so liebt. Flach von der Grundlinie. Er lauert dann und schlägt wie ein Raubtier genau im richtigen Moment zu. Immobile bedeutet auf Deutsch unbeweglich, er ist das genaue Gegenteil.
Übrigens auch im Trikot der Squadra Azzurra. Sechs Tore hat er in der WM-Quali erzielt, davor war es lediglich eines, in den letzten neun Spielen der Nationalmannschaft stand er in der Startelf. Zuletzt war es zudem er, der das immens wichtige Siegtor gegen Israel erzielte.
Stille vs. Jubelschrei
Immobile ist wieder da! Er ist besser denn je und will mit Lazio hoch hinaus. "Ich will in die Champions League", ließ er verlauten. Denn das Selbstvertrauen ist zurück, was bedeutet, dass er vor dem Tor weniger nachdenkt. Der Kopf ist dann ganz leer, keine dunklen Gedanken legen sich auf sein Gemüt. Er ruht in sich. Und fährt deshalb öfter aufs Land.
Dann sitzt er ganz ruhig und tatsächlich bewegungslos da, schaut auf das glitzernde Wasser vor sich und angelt. Lieber noch als die Stille dort draußen hat er aber den wie aus einer Kehle erschallenden Schrei der Fans. Dann, wenn er mal wieder getroffen hat. Dann, wenn er wieder mal rausgeht und sich unbesiegbar fühlt.


