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Iker Casillas: Held, Depp, Reservist?

Es war einfach alles perfekt, damals in Johannesburg. Soeben hatte Iker Casillas die spanische Nationalmannschaft als Kapitän zu ihrem allerersten Weltmeister-Titel geführt. Soeben hatte die Furia Roja im Finale gegen die Niederlande mit 1:0 nach Verlängerung die Oberhand behalten. Der Keeper von Real Madrid war dabei zum Helden geworden, als er in der regulären Spielzeit gleich zwei riesige Tormöglichkeiten des auf ihn zustürmenden Arjen Robben vereitelte, einmal davon mit einem Weltklasse-Reflex.

Der Weg zum Pokal war damit geebnet. Und Anführer Casillas durfte den goldenen Lohn als Erster in die Höhe recken, sorgte nach dem Spiel aber noch für einen weiteren unvergessenen Moment. Im Interview mit seiner Freundin und TV-Reporterin Sara Carbonero fehlten ihm plötzlich die Worte, seine Emotionen ließen die Stimme zittern. Die Reaktion des frisch gebackenen Weltmeisters: Ein inniger Kuss für die verdutzte Lebenspartnerin - und dann kurzerhand die Biege machen.

Man sollte also meinen, dass Casillas durchweg positive Gefühle hegt, wenn er mit Spanien am Dienstagabend (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) im Test auf Oranje trifft. Wäre da nicht das Gruppenspiel bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer gewesen: Zunächst durfte die Elftal durch Robin van Persies spektakulären Flugkopfball ausgleichen, weil der Torwart der Iberer zu weit vor seinem Kasten stand.

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Fiasko nimmt seinen Lauf

Beim dritten Gegentreffer verfehlte er dann eine Flanke, die durch den Strafraum segelte, in stümperhafter Manier. "Krönen" konnte Casillas seinen rabenschwarzen Abend, als er sich vor dem 1:4 schläfrig und träge von van Persie den Ball abluchsen ließ und dem Oranje-Angreifer einen Freischuss auf den verwaisten Kasten gewährte. Statt Held, wie knapp vier Jahre zuvor, war er diesmal Depp der Nation, einer der Hauptverantwortlichen für das 1:5-Debakel zum Auftakt der Mission Titelverteidigung.

Dieser 13. Juni 2014 war jedoch nur einer von mehreren Auftritten, die den einstmals unantastbaren "San Iker", der seinen Stammplatz im Verein bekanntlich bereits kurzzeitig verloren hatte, auch in der Landesauswahl immer antastbarer werden ließen. Zwar ist er mit 33 Jahren noch im besten Torhüter-Alter und weiterhin einer der besten Fänger der Welt. Seine häufigen Aussetzer in jüngerer Vergangenheit trüben jedoch das Bild.

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Schon vor dem Fiasko gegen die Niederlande hatte er auf Klub-Ebene einen beinahe entscheidenden Patzer eingestreut. Im Champions-League-Finale gegen den Stadtrivalen Atletico ermöglichte Casillas' abwartendes Herauslaufen in einer zugegebenermaßen unübersichtlichen Situation den Führungstreffer der Colchoneros durch Diego Godin. Wenige Wochen später, im zweiten WM-Gruppenspiel gegen Chile, wehrte er einen keineswegs überhart getretenen Freistoß ungeschickt ab, sodass Charles Aranguiz mit dem 2:0 die Vorentscheidung zugunsten der Südamerikaner besorgen durfte.

Das frühe Aus war damit besiegelt. Und Casillas' Zeit im spanischen Tor schien allmählich abzulaufen. Zumal mit David de Gea ein Konkurrent auf der Pirsch liegt, der sich bei Manchester United mittlerweile zu einem der besten seiner Zunft entwickelt hat. Qualitativ nehmen sich die beiden Keeper prinzipiell nicht viel. Leichte Vorteile des Schlussmannes der Red Devils sind dennoch auszumachen: So hielt der 24-Jährige in der laufenden Premier-League-Saison 74,5 Prozent der Bälle, die auf sein Gehäuse flogen, Casillas in La Liga deren 71,8 Prozent.

Trotz Blackouts (noch) gesetzt

Überdies ist de Gea deutlich jünger, ihm gehört die Zukunft - während Casillas verstärkt zum Unsicherheitsfaktor wird. Nicht nur bei Real, wo er zuletzt bei der 3:4-Pleite im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales gegen Schalke die drei ersten Treffer der Gelsenkirchener maßgeblich begünstigte, sondern nach desaströser WM auch erneut in der Nationalmannschaft. 

Das Führungstor der Slowakei bei Spaniens EM-Quali-Pleite gegen den Außenseiter im vergangenen Oktober verschuldete der Madrilene, ließ einen sehr zentral angesetzten Freistoß ins Netz flutschen. Dennoch hält Nationalcoach Vicente del Bosque an ihm fest, vertraute Casillas bei vier der fünf bisherigen EM-Qualifikationsspiele in der Startelf. Nur in der Partie bei Fußball-Zwerg Luxemburg durfte de Gea beginnen. 

Bis zum nächsten großen Turnier, der EM 2016 in Frankreich, gehen allerdings noch rund 15 Monate ins Land. Zeit, die momentan wohl eher für de Gea als für Casillas spricht. 

Beim Freundschaftskick gegen die Niederlande könnte ohnehin der Torwart aus Manchester den Vorzug erhalten. Casillas wird das womöglich nicht unrecht sein. Hat er doch - trotz der Heldentaten und wundervollen Emotionen von 2010 - seit dem Sommer 2014 vermutlich gemischte Gefühle bezüglich Oranje. Gewöhnen will er sich an den Platz auf der Bank aber selbstredend nicht.

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