HINTERGRUND
Es war in der Deutlichkeit ungewöhnlich, mit der sich Leonardo im vergangenen Sommer beschwerte: "Deutsche Vereine, speziell Bayern München, RB Leipzig und Borussia Dortmund, baggern immer mehr an jungen Spielern aus Frankreich", sagte der Sportdirektor von Paris Saint-Germain der französischen Zeitung Le Parisien.
Der Brasilianer sehe daher eine große Gefahr für die Jugendakademien französischer Klubs, denn die Bundesligisten würden "Eltern, Freunde, Familienangehörige oder den Spieler selbst anrufen", ohne zuvor die Vereine zu informieren. So soll es auch im Fall von Tanguy Nianzou gewesen sein, der 2020 mit 18 ablösefrei von PSG zum FC Bayern München wechselte.
Michael Zorc reagierte via Bild umgehend auf die Vorwürfe des aggressiven Abwerbens französischer Talente. "Leonardo unterliegt da offensichtlich einem Irrtum. In der Regel ist es nämlich genau andersrum, als er es darstellt", sagte der Sportdirektor des BVB. "Wir werden von den Familien und Beratern aus Frankreich aktiv angesprochen, da sie bei uns oft eine bessere Durchlässigkeit und ein höheres Entwicklungspotenzial der Talente sehen."
Die Auseinandersetzung dürfte weiter schwelen. Innenverteidiger Soumaila Coulibaly steht unmittelbar vor einem Wechsel von PSG nach Dortmund im Sommer. Zwar ist aus dem Umfeld des 17-Jährigen zu erfahren, dass noch nichts unterschrieben sei, das Interesse des BVB wird aber bestätigt - und die Borussia befindet sich im Gegensatz zu den weiteren interessierten Klubs wie Juventus Turin, Lyon, Marseille und auch dem FC Bayern in der Pole Position. Nur mit der Borussia wurden die Gespräche derart vertieft, so dass eine Verkündung des Transfers nicht mehr lange auf sich warten lassen dürfte.
BVB will Soumaila Coulibaly trotz Kreuzbandriss verpflichten
Und dies sogar ungeachtet der für alle Beteiligten ärgerlichen Tatsache, dass sich Coulibaly am 25. Februar während einer Trainingseinheit das Kreuzband riss. Eine Woche später unterzog sich der Franzose einer Operation und wird mehrere Monate ausfallen.
Dortmund möchte sich das Talent dennoch nicht durch die Lappen gehen lassen, was zeigt, wie groß die Wertschätzung, aber auch die Hoffnungen sind, die Coulibaly weckt. Dessen Dreijahresvertrag, den er 2018 bei seiner Ankunft im Pariser Nachwuchsleistungszentrum unterschrieb, läuft im Juni aus. Der BVB bekäme den Spieler also für die übliche Ausbildungsentschädigung.
Coulibalys ungeklärte Zukunft wurde in den letzten Monaten eine immer wichtigere interne Angelegenheit bei PSG, die bis heute nichts an Bedeutung verloren hat. Leonardo versuchte lange Zeit, den Abwehrspieler von einem Profivertrag über drei Jahre zu überzeugen. Auch aktuell wird bei PSG versucht, die Verletzung von Coulibaly gewissermaßen zu nutzen - in der Hoffnung, dass dieser Schicksalsschlag womöglich eine Wende zum Guten bringen wird.
BVB-Transferziel Coulibaly: Seine Stärken
Coulibaly weiß jedoch um seine schwierige Perspektive in Paris, während Dortmund mit seiner sehr guten Reputation auf dem Markt europäischer Top-Talente wuchert. Beim BVB soll er auch eher kurz- als langfristig für die Profis eingeplant werden. In der ersten Mannschaft von PSG schreckt Coulibaly die große Konkurrenz mehr ab als beim BVB, der in den vergangenen Jahren zigfach bewiesen hat, jungen Spielern reichlich Einsatzzeiten zu geben.
Mit Ex-Dortmunder Abdou Diallo und Presnel Kimpembe hat Profitrainer Mauricio Pochettino gleich zwei erfahrene Innenverteidiger zur Verfügung, deren Profil dem von Coulibaly nicht unähnlich ist. Wie Coulibaly sind sie Linksfüßer. Das gilt auch für den erst 15-jährigen El Chadaille Bitshiabu, der in der U17 spielend bereits 1,95 Meter misst und intern als großes Versprechen für die Zukunft gesehen wird.
Was "Soumi", wie Coulibaly in Paris genannt wird, für den BVB begehrt macht: Neben der entsprechenden Physis, die seine Größe von 1,90 Metern mit sich bringt, zeichnet sich Coulibaly auch dadurch aus, auch als Linksverteidiger agieren zu können. Er ist sehr ballsicher und besitzt ein gutes Passspiel. Auch in Sachen Technik, Zweikampfstärke, Antizipation und Tempo verfügt er über überdurchschnittliche Fähigkeiten.
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BVB: Ein Ex-PSG-Nachwuchsspieler ist schon im Kader
Bei PSG kam Coulibaly zunächst in der U17 zum Einsatz, doch nur acht Tage nach seinem 16. Geburtstag feierte er in der U19 sein Youth-League-Debüt gegen Brügge, wo er als linker Halbverteidiger in einer Dreierkette auflief. Ein halbes Jahr zuvor kam er erstmals in Frankreich U16-Nationalelf zum Einsatz, auch für die U18 wurde er schon berufen.
Für die Pariser U19 absolvierte er im Vorjahr alle Saisonspiele, auch vor der Corona-bedingten Unterbrechung der Spielzeit im Oktober 2020 stand er häufig auf dem Feld. Seitdem wurden keine offiziellen Partien mehr ausgetragen, doch Coulibaly durfte mehrfach im Training bei den PSG-Profis vorspielen.
Wie jeder Kreuzbandriss kam auch dieser zur Unzeit, sein Hauptaugenmerk liegt nun auf dem Rehaprozess. Diesen wird Coulibaly, der im Oktober die Volljährigkeit erreicht, aller Wahrscheinlichkeit nach in Dortmund beenden und anschließend über die U19 oder U23 des BVB Schritt für Schritt an den Profibereich herangeführt werden.
Er wäre nach dem 2017 ebenfalls ablösefreien Dan-Axel Zagadou der zweite PSG-Nachwuchsspieler, der sich für die Westfalen entscheidet. Man darf gewiss gespannt sein, wie Leonardos sommerliche Reaktion diesmal ausfällt.
