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Borussia Dortmund nach Remis in Bremen: Die geschenkte Schale


HINTERGRUND

In der Kabine von Borussia Dortmund herrschte nach dem unnötigen 2:2 bei Werder Bremen eine fast gespenstische Stille. Individuelle Aussetzer und eine labile Psyche münden in den nächsten Rückschlag im Meisterschaftskampf. Trainer und Manager beteuern unisono: "Wir sind keine Träumer." Dem FC Bayern wird die Meisterschale auf dem Silbertablett serviert.

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Es ist nicht zu behaupten, dass der Anhang von Borussia Dortmund beim Gastspiel in Bremen einen guten Geschmack bewiesen hat. Nachdem schon vor Anpfiff des Bundesligaspiels bei Werder Bremen (2:2) dicke, gelbe Rauchschwaden für schlechte Sicht und einen beißenden Gestank im Weserstadion sorgten, brannten später im Gästeblock unter dem Dach der Westkurve so oft Bengalos ab, dass selbst der tolerante Bremer Stadionsprecher Christian Stoll irgendwann die Geduld verlor. Und ausrief: "Ihr seid keine Fußballfans."

Mehr Instinkt verriet die westfälische Reisegruppe mit ihrem mitgeführten Plakat, das zwar vor Anpfiff gezeigt wurde, aber nach Abpfiff bei einer der unnötigsten Punkteteilungen der Saison die Gemengelage perfekt zusammenfasste: "Es ist erst vorbei, wenn’s vorbei ist". Die in gelben Großbuchstaben auf schwarzem Grund gepinselte Botschaft sollte vor allem den Fußballlehrer Lucien Favre daran erinnern, die Flinte im Meisterschaftskampf nicht zu früh ins Korn zu werfen. Was der Schweizer Fußballlehrer im Gegensatz zum verlorenen Revierderby in der Vorwoche nach dem nächsten Nackenschlag nicht tat. "Es sind noch zwei Spiele. Wir müssen gegen Düsseldorf gewinnen, Bayern in Leipzig verlieren. Wir sind keine Träumer – man weiß nie!"

Die Schweizer Roman Bürki und Manuel Akanji spielen Käse

Fast gleichlautend hatte sich auch Manager Michael Zorc geäußert: "Der FC Bayern ist in der Pole-Position und hat sie ausgebaut. Wir sind keine Träumer." Auf vier Zähler ist nämlich der Rückstand angewachsen. Aus BVB-Sicht völlig unnötig. Wer nach einer souveränen ersten Stunde bei empfindlicher Kühle am Bremer Osterdeich über eine Wiedergeburt der Dortmunder Dominanz aus der Hinrunde schwärmte, weil ein beherztes Solo von Christian Pulisic (6.) und ein gekonnter Freistoß von Pablo Alcacer (41.) die klare Überlegenheit fast noch unzureichend ausdrückten, der hatte sich definitiv zu früh gefreut. Werder-Trainer Florian Kohfeldt war irgendwann in der zweiten Halbzeit mit seinem Co-Trainer Tim Borowski an der Seitenlinie überein gekommen, dass ein einziger Nadelstich genügen würde, diesem labilen Titelanwärter erkennbare Qualen zuzufügen.

Genauso kam es auch: Einen harmlosen Distanzschuss des eingewechselten Kevin Möhwald ließ Roman Bürki im Stile „Flutschfinger“ durch Handschuhe und Beine rauschen (70.), dann fiel Manuel Akanji in den Schlaf des Gerechten, weil er gegen Ludwig Augustinsson den Ball ins Toraus trudeln lassen wollte, doch der schwedische Linksverteidiger legte lieber  zurück und der ebenfalls eingewechselte Cluadio Pizarro schoss im zarten Alter von 40 Jahren das vielumjubelte 2:2 (75.). In der Folgezeit war Dortmund in einem wilden Schlagabtausch der Niederlage sogar näher als dem Sieg.

"Wir haben den Sieg hergeschenkt. Individuelle Fehler in dieser Form werden bestraft“, mäkelte Zorc. Zwei Schweizer Nationalspieler hatten Käse gespielt, was der BVB-Sportchef ohne Umschweife ansprach: "Keine Diskussion: Roman muss den Ball halten. Manuel hat sich verschätzt und den Ball erst wieder scharf gemacht.“ Die Frage steht dennoch im Raum, woher die labile Psyche selbst von Führungsspielerin rührt, die einem gewiss nicht souverän spielenden Tabellenführer aus München die Meisterschale auf dem Silbertablett servieren.

Julian Weigl Mario Götze Borussia Dortmund BVB 04052019getty Images

BVB nach Werder-Drama: "Es ist ein Gefühl, als wenn es vorbei ist"

Denn eingedenk der deutlich schlechteren Tordifferenz gegenüber dem FCB reicht es nun ja nicht einmal, dass die Dortmunder beide Spiele (gegen Düsseldorf und in Mönchengladbach) gewinnen und die Bayern  (in Leipzig und gegen Frankfurt)  zweimal unentschieden spielen.

Als der gute Schiedsrichter Marco Fritz, der bei einem strittigen Handspiel von Mario Götze nach Video-Studium - für den DFB-Projektleiter Jochen Drees berechtigterweise - nicht auf Elfmeter entschied (79.), gingen die Dortmunder Köpfe nach unten. Julian Weigl ("das ist schwer zu sagen, wie wir das wieder angestellt haben") und Axel Witsel hockten sich ernüchtert auf den Rasen. Am längsten kauerte der aus Barcelona mit so vielen Hoffnungen gekommene Alcacer an der Mittellinie: die Hände auf die Ringelstutzen gestützt, den Kopf zwischen die Knie gesenkt. Der ehemalige Kapitän Marcel Schmelzer musste schon alle Kräfte aufbieten, den spanischen Torjäger wieder aufzurichten. Hätte nur noch gefehlt, dass einer am Spielfeldrand eine schwarz-gelbe Flagge wie bei einem Trauerfall auf Halbmast zieht.

Auch die Präsenz des gesperrten Marco Reus, der sich demonstrativ direkt neben die Trainerbank setzte, vermittelte irgendwie keinen Halt. Das BVB-Gebilde war an der Weser eingebrochen wie ein Kartenhaus beim ersten Windstoß. Und so eröffnete der als "Charakterspieler" vergangenen Sommer aus Bremen verpflichtete Thomas Delaney an alter Wirkungsstätte die Mentalitätsdebatte. "Es kommt Druck vom Gegner, aber mit der Qualität, die wir haben, müssen wir es besser machen. Es fühlt sich an wie eine Niederlage. Wir haben eine zweite Chance bekommen, die haben wir verpasst“, sagte der niedergeschlagene Däne. In der Kabine habe "silence" (Stille) geherrscht.  Er könne sich das alles auch nicht so genau erklären, aber eines sagen: "Es ist eine Gefühl, als wenn es vorbei ist.“ Ganz offiziell dann aber erst am 33. oder 34. Spieltag.

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