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BVB gegen Mainz: Zwischen Comeback und Kernschmelze


HINTERGRUND

Kein Leben mehr im Konjunktiv. Das war die größte Änderung, die sich Edin Terzic vom Wechsel auf die Stelle des Cheftrainers bei Borussia Dortmund erhofft hatte. Entscheidungen im Kader, im Training, im Spiel trifft er nun selbst und nicht nur in Gedanken. Doch der Konjunktiv bleibt auf andere Weise ein treuer Begleiter des BVB. Was wäre erst möglich, wenn Schwarz-Gelb die Chancen gegen krasse Außenseiter nutzen würde? Mit einem Heimsieg über Mainz 05 hätte Dortmund einer der Gewinner des Bundesliga-Spieltags sein können und wäre wieder ganz dick im Geschäft. Wäre. Hätte. Könnte.

Konstant unkonstant – darauf kann man sich beim BVB in der Spielzeit 20/21 verlassen, auch nach dem Trainerwechsel. Das 1:1 gegen Mainz, das als Tabellenletzter ins frühere Westfalenstadion anreiste, ist der nächste herbe Rückschlag in der Achterbahn-Saison der Dortmunder, der zweite in der jungen Ära Terzic nach der Niederlage bei Union Berlin. Dabei ist es gerade mal eine Woche her seit dem ziemlich überzeugenden Sieg bei RB Leipzig, mit dem sich der BVB – wieder einmal – zurück in der Spur wähnte und sogar vorsichtig hoffnungsvoll zurück aufs Titelrennen schielte.

Keine Erklärung für wilde zweite Hälfte

Doch der Grat zwischen Comeback und Kernschmelze bleibt wohl nirgendwo so schmal wie bei den Westfalen. Mit einer starken und selbstbewussten ersten Halbzeit erfüllten die Dortmunder fast alle Vorgaben ihres Trainers, der vor der Partie einen Klassiker der Südtribüne als Motto für den Schicksalsmonat Januar ausgegeben hatte: "Kämpfen und siegen." Dortmund hatte Spiel und Gegner im Griff. Dass ein frühes Tor von Goalgetter Erling Haaland nach 84 Sekunden vom Video-Schiri wegen einer hauchzarten Abseits-Position zurückgenommen wurde – geschenkt.

Dass Marco Reus eine Großchance fahrlässig liegen ließ – erst einmal nicht weiter schlimm. Auch defensiv stand Dortmund gut. Dass Terzic seinem zweiten Stamm-Innenverteidiger Manuel Akanji zunächst eine verdiente Verschnaufpause gönnte, fiel kaum auf. Ersatz Dan-Axel Zagadou fügte sich nahtlos ins Team ein. Für die anfangs eher zurückhaltenden Gäste traf Jonathan Burkardt nur das Außennetz und Robin Quaisons Distanzkracher landete sicher bei Torwart Roman Bürki. Der BVB schien auf gutem Weg, seine jüngste Mainz-Neurose endlich abzulegen.

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Quelle: Getty Images

Umso unerklärlicher, wie dem BVB ein solches Spiel dann in einer völlig wilden zweiten Halbzeit aus der Hand gleiten konnte. "In der Abwehr waren wir teilweise panisch", sagte Außenverteidiger Thomas Meunier nach dem Remis gegen die Rheinhessen sehr treffend. Spätestens nach dem Traumtor des Mainzers Levin Öztunali war Anarchie im Dortmunder Spiel angesagt. Sowohl im Aufbau als auch in der Verteidigung. Kontrolle, Überblick und Struktur gingen fast völlig verloren, trotz Ausgleich und anschließender Elfmeter-Gelegenheit. Am Ende konnte Dortmund fast froh sein, gegen die immer frecher werdenden Gäste noch einen Punkt zu holen. Schließlich hatten die Mainzer unter anderem mit einem Latten- und Pfostentreffer letztlich die zwingenderen Chancen.

Der BVB darf sich damit trösten, dass die Tabelle wohl kaum das wahre aktuelle Können der Mainzer widerspiegelt. Schon bei den Bayern waren die 05er ähnlich mutig und durchaus auch spielerisch ansprechend aufgetreten. Trotzdem bleibt der erneute Punktverlust gegen einen Abstiegskandidaten mehr als enttäuschend. "Wir haben es verpasst, einen weiteren Schritt nach vorne zu gehen", sagte Reus nach der Partie leicht sauer. Dank der kollektiven Ausrutscher der Konkurrenz hatte der BVB die Chance, in der Tabelle ordentlich Boden gutzumachen. Leipzig, Leverkusen, Wolfsburg und auch Gladbach – gleich vier Spitzenteams gingen ohne Sieg aus dem Spieltag.

Meunier und Bellingham als Lichtblicke

Und doch lassen sich noch zwei positive Aspekte für den BVB aus der Partie ziehen: Thomas Meunier mutierte überraschend zum heimlichen Helden des Spiels. Der Belgier zeigte im 20. Pflichtspiel für Schwarz-Gelb seine bislang beste Leistung, nachdem er in der Vergangenheit fast ständig Kritik hatte einstecken müssen. Der Außenverteidiger erzwang den Ausgleich und rettete seinen Dortmundern immerhin den Punkt. Er holte den Elfmeter heraus, den Reus fahrlässig neben das Tor setzte. Und auch sonst war er deutlich besser ins Spiel eingebunden. Dass die Formkurve bei Jadon Sancho nach oben zeigt, wirkt sich direkt auch auf Meunier aus. Das Zusammenspiel der beiden auf der rechten Seite klappt nun besser und eröffnet zudem bessere Laufwege.

Außerdem: Jude Bellingham ist bereit, die Rolle des Langzeit-Verletzten Axel Witsel zu übernehmen. Der erst 17-Jährige lieferte an der Seite von Emre Can im defensiven Mittelfeld eine blitzsaubere Leistung. Als offensiver Part der Doppelsechs trieb er das Spiel der Dortmunder energisch nach vorne – viel deutlicher als der erneut enttäuschende Julian Brandt. Der junge Engländer traut sich Tricks unter Bedrängnis zu, sucht mutig den Abschluss, auch aus der Distanz. Und zweimal schrammte er nur denkbar knapp an seinem Debüt-Treffer in der Bundesliga vorbei. Bezeichnend, dass Dortmunds Spiel in die Brüche ging, als Terzic den erschöpften Youngster nach gut einer Stunde vom Feld nahm. Auch weil Nebenmann Can die fünfte gelbe Karte sah, wird Bellingham sehr wahrscheinlich auch am Dienstag beim Spitzenspiel in Leverkusen wieder in der Startelf stehen.

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