Jadon Sancho Thomas Delaney Borussia DortmundGetty Images

Fünf Gründe für den BVB-Erfolg: Darum dominiert Borussia Dortmund die Bundesliga


HINTERGRUND
Als sich die Spieler in den Armen lagen und die Fans euphorisch die überlegene Halbzeit-Meisterschaft von Borussia Dortmund feierten, hatte der Boss längst die Flucht ergriffen. "Ich habe es in der Nachspielzeit nicht mehr ausgehalten", bekannte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke lächelnd nach dem 2:1 im Spitzenspiel gegen Borussia Mönchengladbach.

Er ergänzte: "Da habe ich meinen Platz verlassen und bin oben alleine auf der Nordtribüne rumgerannt. Für mich persönlich hing das ganze Weihnachtsfest davon ab." Tatsächlich stand viel auf dem Spiel für die Dortmunder. Eine zweite Niederlage gegen den unmittelbaren Verfolger nur drei Tage nach der sensationellen ersten Saisonpleite bei Aufsteiger Fortuna Düsseldorf hätte Gladbach und dem FC Bayern wieder Auftrieb gegeben und wäre kurz vor Heiligabend ein empfindlicher Stimmungskiller nach einer überragenden Hinserie gewesen.

So aber geht der Herbstmeister mit der zweitbesten Bilanz seiner Vereinsgeschichte in die Winterpause und angesichts seines Vorsprungs auf die Konkurrenz als klarer Titelfavorit in die Rückrunde.

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"Der Mannschaft muss man ein riesiges Kompliment machen", lobte Watzke. "In der Bundesliga haben wir 42 Punkte, in der Champions League haben wir Atletico Madrid geschlagen, im Pokal sind wir noch dabei. Wenn wir das im August gesagt hätten, dann hätten alle gesagt: Ihr seid geistesgestört."

Die Hauptgründe für die Dortmunder Dominanz:


BVB-Trainer Lucien Favre

So ekstatisch wie Lucien Favre nach dem Schlusspfiff jubelte, so zurückhaltend war er schon kurz danach wieder. Statt sich selbst zu loben oder jetzt den Titel als Ziel auszugeben, blieb der 61-Jährige in seinen Aussagen wie gewohnt nüchtern-nichtssagend.

"Wir müssen lernen, lernen. Jeden Tag aufs Neue", erklärte der Schweizer nur. Viel wichtiger war ihm nach dem Spiel ohnehin etwas anderes: Den anwesenden Journalisten frohe Weihnachten zu wünschen "und Gesundheit - das ist ganz wichtig".

Dafür sprachen andere über den Baumeister des BVB-Aufschwungs. "Er hat vom ersten Tag an eine klare Vorstellung gehabt, wie unser Spiel laufen soll. Diese Abläufe hat er im Training immer wieder eingeübt und die Mannschaft hat es irgendwann verinnerlicht", sagte Sportdirektor Michael Zorc.

Lucien Favre BVB 26102018

Und Marco Reus, der einst in Gladbach unter Favre zum Fußballer des Jahres wurde, meinte über seinen Mentor: "Es sind diese Kleinigkeiten, die einfach wichtig sind und uns nach vorne gebracht haben. Dafür hat er ein gutes Auge und wir haben die perfekten Spieler dafür."

Gerade im Vergleich mit der verunsicherten und instabilen Mannschaft der Vorsaison ist die Arbeit von Favre umso bemerkenswerter.


Neue sportliche Kompetenz beim BVB

Dem bekanntlich leicht nervösen Favre, der in Gladbach einst aus Frust mehrfach hinwerfen wollte, hilft bei seiner Arbeit die Ruhe und Geschlossenheit der sportlichen Führung.

Durch den Einbau von Sebastian Kehl als neuen Leiter der Lizenzmannschaft und Matthias Sammer als externen Berater hat sich die Kompetenz der Führung nicht nur numerisch verdoppelt.

Kehl BVB Watzke Zorc 03072018@Twitter BVB

Die Entscheidung von Watzke und Zorc, Macht abzugeben und neue Einflüsse von außen zuzulassen, ist voll aufgegangen.

"Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, war so, wie wir uns das vorgestellt haben", sagte Zorc, dessen Aussagen man auf den kompletten Verein münzen konnte: "Wir haben im Sommer gesagt, wir müssen wieder Frische reinkriegen, wir müssen neuen Elan reinkriegen. Das haben wir umgesetzt."


Balance und Stabilität im Spiel des BVB

Dass die Schwarz-Gelben offensiv überragend besetzt sind, war auch schon im Vorjahr klar. Doch punktuelle Ergänzungen wie Knipser Paco Alcacer (zwölf Ligatore) oder die starke Entwicklung der Youngster, allen voran Megatalent Jadon Sancho, haben den BVB nochmal auf eine neue Stufe gehoben.

Viel wichtiger für den Erfolg ist allerdings die wiedergefundene Stabilität in der Defensive. Angefangen vom gegenüber der Vorsaison kaum wiederzuerkennenden Roman Bürki bis hin zu Königstransfer Axel Witsel.

Axel Witsel BVB 10112018

"Er ist mit seiner internationalen Erfahrung und seiner Abgeklärtheit ein ganz wichtiger Spieler. Er gibt nach innen Selbstvertrauen und strahlt das Gleiche nochmal nach außen aus", erklärte Zorc.

Und weiter: "Die Mannschaft hat mehrmals gezeigt, dass es schwer ist, sie zu besiegen. Das war im letzten Jahr wesentlich einfacher gegen uns. Wir haben auch viel dafür getan, um einige robuste Typen zu holen. Natürlich hat auch der Trainer seinen Anteil, der eine klare Balance zwischen Offensivfußball und Absicherung findet. Das macht es alles aus. Aber es ist ja erst die Hälfte gespielt."


Tiefe im BVB-Kader

Zwar hat die Borussia schon in den vergangenen Jahren versucht, den Kader für die Mehrfachbelastung in der Champions League doppelt zu besetzen. Doch erst jetzt scheint das Puzzle aufzugehen.

Hochkaräter wie Christian Pulisic, Jacob Bruun Larsen, Marius Wolf und Mo Dahoud waren gegen Gladbach nur Ersatz, können aber jederzeit bedenkenlos in die erste Elf integriert werden. Exemplarisch zeigte das Mario Götze, der nach seiner Einwechslung für den verletzten Alcacer ein überragendes Spiel machte und die Vorlagen für beide Treffer gab.

"Wir haben dieses Jahr extrem viel Qualität von der Bank, das darf man echt nicht vergessen. Da haben wir extrem viele Tore gemacht und Spiele hinten raus gewonnen, das ist auf jeden Fall ein großer Bonus", sagte Reus.

Noch deutlicher wurde gegen Gladbach der Qualitätsschub in der Abwehr, wo der letztjährige Unsicherheitsfaktor Ömer Toprak und vor allem der nominelle Mittelfeldspieler und Dauerreservist Julian Weigl die verletzten Manuel Akanji und Abdou Diallo überzeugend ersetzten.

"Es ist nicht so ohne, wenn ein Innenverteidiger ausfällt und eine Notlösung rein muss. Weigl hat das aber genauso gut gemacht wie ein gelernter Innenverteidiger", meinte ZDF-Experte Oliver Kahn.


Erfolgshunger bei den BVB-Stars

Der BVB hat zwar 2017 den DFB-Pokal gewonnen, doch in der Liga lief der einstige Erzrivale in den letzten sechs Jahren weit hinter Dauer-Meister Bayern München hinterher. Das ist in dieser Saison umgekehrt - weil man sich offenbar in der Ruhrpott-Metropole wieder voll aufs Malochen fokussiert.

"Wenn man die Entwicklung seit Sommer anschaut, ging es schon sehr rasant. Aber unsere Bodenständigkeit und eine gewisse Art von Demut werden wir uns weiter beibehalten. Das hat uns jetzt auch so stark und erfolgreich gemacht", analysierte Kehl treffend.

Sinnbildlich dafür steht Reus, der als Kapitän und Führungsspieler eine "phänomenale Entwicklung" (Zorc) hinter sich hat. Der Nationalspieler ist Torschütze, Vorbereiter und Antreiber zugleich - und er hält nach außen den Ball flach.

MARCO REUS BORUSSIA DORTMUND GERMAN BUNDESLIGA 01122018Getty Images

"Jeder will Deutscher Meister werden, dafür spielt man Fußball. Aber es ist noch eine lange Saison", mahnte Reus, der erstmals die Schale holen würde.

"Wenn wir als Team weiter gesund bleiben und unsere Leistung so abrufen können, dann ist in dieser Saison einiges möglich. Ich bin unfassbar stolz auf die Mannschaft." Durfte er auch sein nach dieser Hinrunde.

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