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Ex-BVB-Talent Mustafa Amini im Interview: "Wir mussten Dortmund googeln"


EXKLUSIV-INTERVIEW

Als eine der größten Nachwuchshoffnungen seiner Altersklasse wechselte Mustafa Amini mit 18 Jahren 2011 nach Deutschland zu Borussia Dortmund. Beim BVB kam er allerdings ausschließlich in der Reserve zum Einsatz und verließ den Klub nach drei Jahren ohne Profispiel in Richtung Dänemark.

Im exklusiven Interview spricht der mittlerweile 27-Jährige über die Suche nach Dortmund auf Google, das Interesse des FC Bayern München sowie erstaunliche Eigenschaften von Jürgen Klopp.

Außerdem verrät er, warum der deutsche Fußball seiner Meinung nach skrupellos ist und weshalb die U23 der Schwarz-Gelben nie in die Erfolgsspur fand.

Herr Amini, 2011 wechselten Sie als eines der vielversprechendsten Talente Australiens von Central Coast zum BVB. Wie haben Sie vom Interesse der Dortmunder erfahren?

Mustafa Amini: Mein Berater stand mit Jürgen Preuß, der als Berater in Dortmund tätig war, sowie mit der gesamten Scouting-Abteilung rund um Sven Mislintat in engem Kontakt. Daraus ergab sich die Möglichkeit, an einem zweiwöchigen Probetraining teilzunehmen.

Wie ist es gelaufen?

Amini: Ich erinnere mich noch, wie wir nach Dortmund kamen und Videos von meinen Spielen dabei hatten. Allerdings wurde uns mitgeteilt: ‘Die sind nicht nötig, wir haben den Spieler mehr als genug beobachtet.‘ Zunächst trainierte ich mit der zweiten Mannschaft, aber nach einem Tag kam Jürgen Klopp, der die erste Einheit beobachtet hatte, zu mir und sagte: ‘Wir sehen uns am Nachmittag bei den Profis.‘ Da blieb mir das Herz stehen.

Wie erinnern Sie sich an Ihr erstes Treffen mit Klopp?

Amini: Das allererste Mal traf ich ihn in der Umkleide. Er schüttelte Dedes Hand, als wären sie beste Freunde. (lacht) Ich habe noch nie erlebt, dass ein Trainer so etwas macht, denn normalerweise sind sie ernst und distanziert. Er aber hat die Spieler immer umarmt.

An welches prägendes Ereignis erinnern Sie sich, wenn Sie an Klopp denken?

Amini: Er bat mich eines Tages zu sich ins Büro. Wir saßen dort mehr als eine Stunde und sprachen über Fußball und das Leben. Für einen Trainer seiner Klasse war das ungewöhnlich, aber es zeigt, was für ein Typ Mensch er wirklich ist.

Wie waren damals die Wahrnehmung und der Bekanntheitsgrad des BVB in Australien?

Amini: Als ich in Dortmund unterschrieb, wusste ich nicht wirklich, wo ich landen würde. In Australien verfolgen wir die Bundesliga kaum. Die Australier kennen Teams wie den FC Barcelona, Real Madrid oder den FC Bayern München. Dortmund kannten wir damals noch nicht, also mussten wir googeln. (lacht)

Apropos FC Bayern: Vor Ihrem Wechsel zum BVB hieß es, dass die Münchner ebenfalls Interesse an einer Verpflichtung gehabt hätten. Stimmt das?

Amini: Nein, ich hätte dort allerdings ebenfalls ein Probetraining machen können. Dortmund hat mich als erstes kontaktiert, also sagte ich zu.

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Quelle: imago images / DeFodi

In Deutschland taufte man Sie aufgrund Ihrer Frisur schnell “Pumuckl“. Kannten Sie die Figur schon davor?

Amini: Nein, aber das war verrückt. Ich weiß noch, wie Klopp nach meinem ersten Freundschaftsspiel gegen Meppen sagte, ich sei der erste Spieler der Welt, der bereits vor einem Spiel Fans hat. Das war witzig, weil die Leute Perücken trugen.

Beim BVB unterschrieben Sie einen Vertrag über vier Jahre, wurden zunächst allerdings für ein weiteres Jahr an Central Coast verliehen. Wie erinnern Sie sich an Ihren ersten festen Tag in Dortmund 2012?

Amini: Wir hatten einen Medientermin zur Präsentation des neuen Trikots und Neven Subotic fragte mich, ob ich danach zu Abend essen wolle. Das Restaurant war allerdings noch geschlossen und wir mussten 20 Minuten warten. Also schlug er vor, in der Zwischenzeit FIFA zu spielen. Ich dachte, er meinte bei sich zuhause, aber dann fuhr er Bildschirme und eine PlayStation auf seinem Rücksitz heraus. Das war ziemlich beeindruckend.

Was war für Sie die größte Herausforderung in Deutschland?

Amini: Zu jener Zeit war ich einer der besten Spieler Australiens und alle beobachteten mich. In Dortmund war ich plötzlich nur einer von vielen. Das ist schwer zu verarbeiten. Auch die Vorbereitung war ganz anders als in Australien. Wir wachten um 6.30 Uhr morgens auf und sind direkt in den Bus gestiegen. Dann machten wir sechs 1000-Meter-Läufe, dehnten uns und gingen ins Eisbad, ehe wir nach 30-minütigem Schlaf erneut trainierten. Das war sehr intensiv, deshalb ist der deutsche Fußball einer der besten oder sogar der beste der Welt. Es ist hart, aber es gibt keine Ausreden - das ist die Art und Weise, wie dort gearbeitet wird.

Kurz nach Ihrer Ankunft wurden Sie in den Kader für den Supercup gegen den FC Bayern berufen - Ihre erste Nominierung für die Profis.

Amini: Einige große Namen schafften es nicht in den Kader, daher war es etwas Besonderes, auch wenn es mich aufgrund meiner Trainingsleistung nicht überraschte. Als ich zum Aufwärmen auf den Platz ging, liefen Franck Ribery und Arjen Robben an mir vorbei, mit denen ich früher in FIFA gespielt habe. Das war der Wahnsinn!

Darüber hinaus schafften Sie dreimal den Sprung in den Champions-League-Kader, spielten allerdings ausschließlich für die U23. Wie rechtfertigte Klopp Ihre Nichtberücksichtigung?

Amini: Er musste sich nicht rechtfertigen. Am Ende des Tages weiß man, wie es läuft. Wenn man Spieler wie Ilkay Gündogan, Sebastian Kehl oder Sven Bender auf seiner Position hat, kann man nicht wirklich argumentieren.

Bei den Amateuren erhielten Sie anfangs jedoch kaum eine Chance.

Amini: Das ist richtig. Wir hatten eine großartige Mannschaft mit Spielern wie Jonas Hofmann oder Kerem Demirbay. Alles große Spieler, die mittlerweile den nächsten Schritt gemacht haben. Ich fand es sogar schwieriger, in der zweiten Mannschaft zu spielen.

Weshalb?

Amini: Es gab viele junge Spieler, die ebenfalls um den Sprung in die erste Mannschaft kämpften. Es war hart, eine andere Welt. Ich will nicht urteilen, aber wenn man spielen möchte, hilft es natürlich, Deutscher zu sein.

Inwiefern?

Amini: Es war skrupellos und schien eher so, als sei jeder für sich selbst da. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb die zweite Mannschaft nie erfolgreich gewesen ist. Jeder Einzelne kämpft darum, in der Bundesliga zu spielen. Wenn man Stürmer ist, hofft man, dass dein Rivale auf dieser Position nicht trifft. Es herrschte ein starker Wettbewerbsgedanke, weil sich jeder in den Blickpunkt der Profis spielen wollte. Das ist der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Mannschaft. Die Ersatzspieler bei den Profis jubelten immer, wenn ein Tor geschossen oder ein Spiel gewonnen wurde, weil sie bereits am Ziel waren.

Gab es einen Spieler, von dem Sie überrascht waren, dass er den Sprung zu den Profis nicht schaffte?

Amini: Kerem Demirbay. Können Sie sich vorstellen, dass er auf der Bank saß? Er war ziemlich beeindruckend. Jetzt ist er einer der Besten bei Bayer Leverkusen und trägt die Nummer zehn. Es ist seltsam, an die Zeit zurückzudenken, in der ich spielte und er nur auf der Bank saß.

GER ONLY BVB KIRCH AMINI DEMIRBAY SUBOTIC GÜNTER BITTENCOURT LÖWEimago images / Christian Schroedter Mustafa Amini (3. v. l.) und Kerem Demirbay (5. v. l. )                                                                                                                            Quelle: imago images / Christian Schroedter

War er Ihr bester Mitspieler?

Amini: Nein. Robert Lewandowski hat mich am meisten beeindruckt. Er war schon immer eine Maschine. Es ist keine Überraschung, dass er wahrscheinlich der beste Stürmer der Welt ist. Auch Pierre-Emerick Aubameyang oder Marco Reus, der immer noch meine Fotos bei Instagram kommentiert, waren stark.

Zu jener Zeit leitete David Wagner, der heutige Trainer des FC Schalke, die Geschicke der U23. Wie denken Sie an ihn zurück?

Amini: Er war sehr streng und sorgte dafür, dass er bekam, was er wollte. Ich erinnere mich noch, wie wir ein Freundschaftsspiel gegen einen Viert- oder Fünftligist verloren haben. Am nächsten Tag mussten wir bereits um 4 Uhr morgens auf dem Trainingsplatz sein. Dort machten wir dann anderthalb Stunden lang Bergläufe mit Medizinbällen. Das zeigt die Schonungslosigkeit des deutschen Fußballs.

Gibt es für Sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen Klopp und Wagner?

Amini: Die Spieler liefern bei beiden Trainern ihr absolutes Maximum ab. Sie sind freundlich, aber sie sind nicht einfach. Wenn sie nicht das bekommen, was sie verlangen, lassen sie dich das spüren. Sie sind allerdings immer ehrlich - eine Eigenschaft, die einigen Trainern fehlt.

Apropos Ehrlichkeit: Wagner sagte Ihnen einst, dass Dortmund vielleicht nicht der richtige Ort für Sie sei.

Amini: Das war schwer zu verdauen. In einem meiner ersten Spiele für die U23 gegen Preußen Münster wurde ich eingewechselt. In der Schlussphase machte ich einen Fehler, wir verloren das Spiel und Wagner schrie mich auf dem Platz an. Am nächsten Tag sagte er, dass es für mich schwer werden könnte, weil ich Australier bin und die deutsche Kultur nicht gewohnt bin. Ich bin aber geblieben und habe mich im dritten Jahr unter ihm durchgesetzt.

War das der prägendste Moment in Ihrer Zeit beim BVB?

Amini: Auf jeden Fall einer der prägendsten, da ich ihn in etwas Positives umgewandelt und mich damit immer wieder vorangetrieben habe. Jedes gewonnene Champions-League-Spiel, bei dem ich auf der Bank saß, war prägend. Roman Weidenfeller sagte damals, ich sei ein Glücksbringer. Auch das Spiel in Anfield gegen den FC Liverpool und Steven Gerrard, das Idol meiner Jugend, gehört dazu.

Mit Thomas Tuchel übernahm zur Saison 2015/16 ein neuer Trainer das Ruder in Dortmund, unter dem Sie eine neue Chance erhalten hätten können. Warum haben Sie sich entschieden, die Borussia zu verlassen?

Amini: Mein Vertrag lief 2015 aus und ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, den nächsten Schritt zu gehen. Ich habe mit Dortmund nie über eine mögliche Verlängerung gesprochen und war mir sicher, dass ich wechseln würde.

Sie unterschrieben schließlich in Dänemark bei Randers FC - ohne einen einzigen Pflichtspieleinsatz bei den BVB-Profis. Wie wurde der Verein auf Sie aufmerksam?

Amini: Randers war bereits vor meinem Wechsel nach Dortmund interessiert und verfolgte mich seitdem weiter. Als sich erneut die Möglichkeit ergab, sagte ich zu. Einige unterklassige deutsche Teams waren ebenfalls interessiert. Für mich war es jedoch wichtig zu zeigen, dass ich mich in einer ersten Liga durchsetzen kann.

Hat die BVB-Zeit Ihre weitere Entwicklung in Dänemark beeinflusst?

Amini: Als ich nach Dänemark kam, war ich mit Blick auf Taktik und Trainingsmethoden bereits gut ausgerüstet. Wohin auch immer ich gewechselt wäre - es ging darum, bei den Profis zu spielen. Ich habe einen Schritt zurück gemacht, aber bin nach wie vor stolz darauf, die Erfahrungen in Deutschland gemacht zu haben.

Dänemark brachte für Sie eine erneute kulturelle Umstellung mit sich. Es heißt, die Dänen hätten im Vergleich zu Deutschland einen entspannteren Lebensstil. Kommt Ihnen das zugute?

Amini: Das würde ich nicht sagen, denn die Disziplin in Deutschland hatte auch etwas Positives. Das Niveau des dänischen Fußballs ist ebenfalls hoch. Das zeigt auch die Anzahl dänischer Spieler in der Bundesliga. 

Nach nur einem Jahr zogen Sie weiter nach Aarhus, wo Sie meist gesetzt waren und Ihr Team in den Play-offs um den Titel spielt. Ihr Vertrag lief allerdings Ende Juni aus. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Amini: Mein Traum ist es, eines Tages in der Bundesliga zu spielen. Durch die Folgen des Coronavirus ist es aktuell schwer zu sagen, was passieren wird. Ich möchte auf jeden Fall weiterhin in Europa spielen, aber außerhalb Dänemarks.

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