GFX Burhan YildizGoal

Ex-Galatasaray-Talent Burhan Yildiz: Ein viel zu kurzes Leben


HINTERGRUND

Am 21. Oktober 2016, einem milden Herbsttag in der türkischen Metropole Istanbul, hallten im Osten der Stadt Schüsse durch die Straßen. Augenzeugen berichteten später, an der Zahl fünf gehört zu haben. Ein Attentat an einer Bushaltestelle hatte stattgefunden, als alles vorüber, der Täter geflohen war, lag ein Mann reglos auf dem Boden. Sirenengeheul ertönte, das Opfer wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo es am Abend verstarb. Ein Schuss hatte seinen Kopf getroffen. Burhan Yildiz wurde 21 Jahre alt, später berichteten mehrere Sportmedien. Denn Yildiz war Fußballprofi gewesen, galt einst als eines der größten Talente des Landes. Heute ist sein Name in Vergessenheit geraten.

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Geboren wurde Yildiz 1995 in Erzurum, einer der größten Städte Ostanatoliens. Cemal Gürsel wurde hier geboren, von 1961 bis 1966 türkischer Präsident. Oder Adnan Polat, früherer Präsident von Galatasaray. Yildiz' Name fehlt bei der Auflistung der prominentesten Söhne und Töchter der Stadt. Der kleine Burhan war von klein auf fußballbegeistert, kickte mit seinen Freunden auf einem schäbigen Platz in der Nähe seiner Straße. Sein Lieblingsverein war Galatasaray. Dort kickten damals etwa Hasan Sas oder Ümit Davala, alle beide Vorbilder für Yildiz, der großes Talent zeigte.

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Auch wenn er nie der Schnellste war, wies er eine ausgeprägte fußballerische Intelligenz auf, traf intuitiv die richtigen Entscheidungen. Sein Auge war bereits in jungen Jahren geschult, anders als viele seiner Mitspieler waren ihm Passspiel und Kombination immer lieber als individuelle Aktionen oder Dribblings.

Großes Vorbild Xabi Alonso

2005 sah er, wie der FC Liverpool im Champions-League-Finale gegen den AC Mailand ein 0:3 noch in einen Sieg ummünzte. Und das in Istanbul, auf türkischem Boden. Seit diesem Tag, an dem er auf dem TV-Gerät der Familie sah, wie Steven Gerrard und Co. für ein Fußballwunder sorgten, wollte er spielen wie Xabi Alonso. Denn auch der Spanier hat Tempodefizite und ist dennoch einer der ganz großen Strategen seiner Zeit.

2008, da war er 13, wechselte Yildiz in die Jugend des heutigen Zweitligisten Istanbulspor. Er galt als Spätentwickler, der zwar ein tolles Passspiel hatte, körperlich aber zu schmächtig und zu wenig explosiv war. Dann aber, mit 15, machte er plötzlich einen Sprung, er behielt auf dem Platz stets die Ruhe, fand auch in dichtem Gedränge noch den Mitspieler. Die Belohnung: eine Einladung zur türkischen U15-Nationalmannschaft, in der er 2010 debütierte.

Zwar war er nie ein Hoffnungsträger wie der gleichaltrige Muhammed Demirci, der von Barca umgarnt wurde und als Heilsbringer des türkischen Fußballs galt. Dennoch: Man erkannte sein Ballgefühl, sein Auge, seine Versuche, das Spiel zu ordnen. Für die U17 der Türkei lief er achtmal auf. Auch einmal gegen Deutschland, wo er beim 0:4 auf Niklas Süle, Leon Goretzka und Serge Gnabry traf, allesamt heute A-Nationalspieler.

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Terim persönlich überredete ihn zum Wechsel

2012 kam nach einem Testspiel ein stattlicher Mann mit dichten Augenbrauen zu ihm und sagte ihm, dass er unbedingt wechseln müsse. Zu ihm, seiner Mannschaft. Der Bittsteller: niemand geringeres als Fatih Terim, türkische Trainer-Legende und damals Coach bei Galatasaray. Zwei Akteure gaben die Löwen im Gegenzug an Istanbulspor ab. Denn Terim, dieser cholerisch anmutende, kürzlich unter skandalösen Umständen als türkischer Nationaltrainer Entlassene, hat gleichzeitig einen hervorragenden Fußball-Sachverstand. Er sah im schmächtigen Sechser etwas.

Yildiz wurde zum Verhängnis, dass Terim 2013 ging, dass in der Folge der schnelle Erfolg her sollte. Auf junge Spieler wurde nicht gesetzt. Er wurde verliehen und kam im kraftvollen, vor allem auf Physis setzenden Unterhaus-Fußball nicht klar. Dabei hatte sein Jugendtrainer Hakan Tecimer einmal gesagt, Yildiz erinnere ihn manchmal an Xavi. Freilich, ein hochgehängtes Lob und keineswegs ein passender Vergleich. Zu was er aber in der Lage war, wenn man ihn ließ, wenn man versuchte die Taktik auf das Passspiel auszurichten, zeigt das Lob aber sehr wohl.

Und dennoch: Er hatte Pech, Trainer zu haben, die auf andere Spieler setzten. Selbst in der Gala-Jugend saß er 2013 etwa auf der Bank. Obwohl es aus dem damaligen Team kaum einer wirklich schaffte, die Akteure der damaligen Doppelsechs sind heute beide vereinslos.

2015 wollte man ihn bei Gala nicht mehr. Er war zu alt, im A-Kader war wegen Stars wie Wesley Sneijder, Felipe Melo, mit dem ihn übrigens eine Freundschaft verband, oder Selcuk Inan kein Platz für ihn. Weil sein Berater es verpasste, rechtzeitig eine der Offerten anzunehmen, war er plötzlich vereinslos. Er hielt sich weiter fit, studierte Videos von Alonso und Selcuk Inan. "Inan und Alonso sind Spieler, an denen ich mich orientiere, denen ich gerne zusehe", sagte er. "Aber natürlich bin ich weit von ihnen entfernt und muss noch viel lernen."

Felipe Melo trauerte um Yildiz

2016 schloss er sich dann Silivrispor an, einem Drittligisten, der aufgestiegen war, dessen Präsident und Umfeld ambitioniert waren, voranzukommen. Und das für Yildiz Wichtigste: mit schönem Fußball sollte agiert werden. Mit Passstafetten, in denen er der Ankerpunkt werden sollte. Er hatte wieder Spaß, brillierte mit tollen Pässen. Natürlich nur im unterklassigen Fußball. Aber er war noch immer blutjung, taktisch gut geschult und legte zudem endlich körperlich weiter zu. Sein fehlendes Tempo kaschierte er zunehmend mit wachsender Erfahrung, er hatte Spaß und das Team an ihm.

Es kam jener Oktobertag, an dem Schüsse die Istanbuler Luft durchschnitten. In der ihn eine Kugel in den Kopf traf. "Burhan Yilidiz, ehemaliges Galatasaray-Talent, ist tot", schrieben später einige Medien. Felipe Melo postete ein gemeinsames Foto auf Twitter und schrieb dazu: "Allah segne Dich, mein Bruder. Möge Gott Deiner Familie Kraft geben …"

Yildiz heißt auf Türkisch "Stern". Ein passender Name, verglühte der von Burhan doch viel zu schnell. Dem langsamen Strategen, der Xabi Alonso bewunderte und einst im Nationaltrikot seines Landes auflief. Mit einem Wimpernschlag war sein Leben vorbei, in dem er noch viele andere Pläne als nur den Fußball hatte.

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