KOMMENTAR
Plötzlich, an einem glühend heißen Sonntag in der bayrischen Landeshauptstadt, schlug sie ein, die erste von Uli Hoeneß angekündigte "Granate". Serge Gnabry wechselt zum FC Bayern München. Endlich, ist man geneigt zu sagen, gab es doch schon im vergangenen Sommer Gerüchte bezüglich eines Wechsels des 21-Jährigen an die Isar.
Dass Medien noch vor wenigen Tagen von seinem bevorstehenden Wechsel zur TSG 1899 Hoffenheim berichtet hatten, passt da ins Wirrwarr-Bild, das sich rund um den Rekordmeister und Gnabry gezeichnet hatte. Dass nun alles so schnell ging, kommt umso überraschender.
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Überrascht dürften auch einige Bayern-Fans gewesen sein. Denn dass die Gnabry-Verpflichtung auch tatsächlich eine der "Granaten" ist, die der Präsident prophezeit hatte, sehen keinesfalls alle so. Stefan Effenberg, früher selbst Star im Ensemble der besten Mannschaft Deutschlands, konstatierte im NDR-Sportclub etwa, Gnabry sei "noch nicht" bereit für den Schritt, den er nun, 19 Tage bevor das Transferfenster öffnet, gemacht hat.
Dass trotz einiger Zweifel durchaus Euphorie ob des dritten fixen Transfers der Münchner Architekten, die sich mitten in kniffligen Kaderbauarbeiten befinden, angebracht ist, sehen wohl nur die wenigsten so. Dabei sollte genau das der Fall sein aufseiten der Fans und der Handelnden.
Gnabry ist das Gegenteil von Renato Sanches
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Gnabry mag kein Alexis Sanchez sein, dass er die Klasse für den Premiumkader in Rot hat, hat er in der abgelaufenen Saison aber eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Starke elf Tore gelangen ihm für Werder Bremen. Nur neun Bundesliga-Akteure erzielten mehr. Hinzu kommt sein Preisschild, auf dem lediglich acht Millionen Euro notiert waren. Peanuts für die Bayern, die nach dem Sanches-Risiko-Transfer nun einen echten Low-Risk-Deal eingetütet haben.
Denn anders als bei Renato Sanches, der in seiner ersten Saison in Deutschland große Probleme hatte, weiß man, was man bekommt: einen trickreichen, torgefährlichen Kreativspieler, der bereits unter Beweis gestellt hat, dass er in der deutschen Beletage glänzen kann, die Sprache spricht und mit 21 Jahren noch immer immenses Entwicklungspotenzial hat. Und das alles für ein Viertel der Sanches-Millionen.
GoalDass er im Jahr 2012 beim Spiel des FCB gegen Borussia Dortmund klar Flagge für Schwarz-Gelb zeigte? Geschenkt! Gnabry war damals 16, ein Teenager, der seine Meinung getwittert hat, mehr nicht. Dass einigen Fans der Roten die (inzwischen gelöschten) Posts dennoch ganz und gar nicht schmecken dürften, ist klar, dass es aber nicht darum geht, Bayern-Fans zu holen, sondern die besten Spieler, aber auch.
Und Gnabry zählt an guten Tagen zu eben diesen, zu den Besten der Liga. Und das nicht nur auf der Außenbahn - ein weiterer dicker Pluspunkt im Gepäck des gebürtigen Stuttgarters. Er kann Linksaußen und Rechtsaußen spielen, Zehner, hängende Spitze und sogar eine echte Neun verkörpern, wenn es sein muss. Fünf verschiedene Positionen spielte er in der vergangenen Saison an der Weser. "Polyvalenz" ist eine Eigenschaft, nach der die Top-Klubs nur so gieren.
Noch ist Gnabry ungeschliffen
Zumal Gnabry zusätzlich deutscher Nationalspieler ist, seit jeher ein Ansinnen der Bayern, in den eigenen Reihen einen starken und möglichst breiten DFB-Block zu installieren, der nun nach den Verpflichtungen von Niklas Süle und Sebastian Rudy um einen weiteren Baustein reicher ist. Und keineswegs um einen weiteren soliden, eher farblosen (Rudy) oder um einen stabilen und kraftvollen (Süle), sondern um einen Rohdiamanten, der bei richtigem Schliff für atemberaubenden Glanz sorgen kann.
Gnabry diesen Schliff zu geben und so sein Potenzial, das er bei den Gunners nicht und bei Bremen nur teilweise entfalten konnte, freizuschalten, wird die Gretchen-Frage sein, die in einem oder auch erst in zwei Jahren darüber entscheidet, ob dieser glühend heiße Sommertag in München Geburtsstunde eines Transferkunststücks war oder die Zweifler recht behalten, als sie damals behaupteten, in München sei keineswegs eine Granate eingeschlagen, sondern höchstens ein Kieselstein.
Egal, welches Szenario letztlich eintritt; das Potenzial, auf lange Sicht in die schier übermächtig erscheinenden Fußstapfen der bayrischen Altmeister Franck Ribery und Arjen Robben zu treten, hat Serge Gnabry auf jeden Fall. Es liegt an ihm, es abzurufen.




