Regenwetter oder Sonnenschein. Das Gewohnte oder eine neue Erfahrung. Ein ordentliches Gehalt oder ein noch üppigeres Gehalt. Das alte Team oder neue Kollegen wie Ronaldo, Baggio, Vieri oder Blanc. Aus Sicht der Verantwortlichen von Inter Mailand hätten diese Abwägungen normalerweise nur ein Ergebnis liefern dürfen – nämlich, dass man sich jeweils für die zweite Variante entscheidet. Die Nerazzurri boten im Sommer 2000 genau das Paul Scholes von Manchester United, doch der Engländer zeigte mit seiner Entscheidung, dass er eben nicht zu den 'normalen' Spielern gehört.
Denn Scholes hatte schlicht und ergreifend kein Interesse an einem Wechsel. Ganz egal, was in Mailand auf ihn wartete. Für den Mittefeldspieler gab es nur seine Red Devils und das machte er nicht nur dem Serie-A-Giganten klar, sondern auch öffentlich. Mit seiner Haltung zementierte er schon früh seinen Status als United-Legende. Denn wie sich in den weiteren Jahren zeigen sollte, waren es nicht nur leere Worte, die er im Sommer 2000 äußerte, sondern Prinzipien, an die er sich während seiner gesamten Karriere hielt.
"Wir alle wollen hier so lange bleiben, wie wir können", sagte er über Manchester United. "Es gibt heutzutage nicht viele Spieler, die nur bei einem Verein spielen. Sie hauen alle ab, um mehr Geld zu verdienen, tauchen in dem einen Jahr hier auf, im nächsten woanders", hatte Scholes erklärt und man kann zwischen den Zeilen eine gewisse Verachtung für diese Einstellung herauslesen.




Getty ImagesDie Sätze waren eine Reaktion auf das vorsichtige Herantasten von Inter Mailand, das sich im Jahr 2000 für den dynamischen Denker und Lenker des United-Mittelfeldes interessierte. Auch öffentlich bekundeten die Nerazzurri, dass sie am Engländer dran seien: "Wir sind sehr daran interessiert, Paul Scholes zu verpflichten", bestätigte Präsident Massimo Moratti im Juli besagten Jahres. Dass es allerdings kein gewöhnlicher Wechsel werden würde, war dem Klub-Boss schon zum damaligen Zeitpunkt klar: "Es wird sehr schwer für uns, ihn zu bekommen", gestand er.
"Bei ihm geht es um mehr als Geld"
Die italienischen Medien reagierten euphorisch auf die deutlichen Worte des Inter-Präsidenten. Meinungen wurden eingeholt – und ziemlich schnell wurde klar, dass eine Verpflichtung alles andere als einfach werden würde. "Ich habe Moratti gesagt, dass Scholes eine 'Mission Impossible' ist", erzählte der italienische Berater Pino Pagliara, der vermitteln sollte. "Bei ihm geht es um mehr als Geld", nannte er den Hauptgrund für die aus seiner Sicht zu erwartende komplizierte Abwicklung.
In der Theorie sah es für Inter gut aus: Scholes hatte mit United bereits alles erreicht, in der Saison 1998/99 das Triple gewonnen, mit 25 Jahren lag seine beste Fußballer-Zeit jedoch noch vor ihm. Die Mailänder investierten kräftig, um endlich wieder einmal den Scudetto feiern zu können. 1989 hatten die den Meistertitel zum letzten Mal geholt, Spieler wie Laurent Blanc, Javier Zanetti, Roberto Baggio, Christian Vieri und Ronaldo sollten nun dafür sorgen, dass in der Modestadt endlich wieder die Schwarz-Blauen und nicht nur die Rot-Schwarzen vom AC Milan jubeln durften.
GOALDoch Scholes interessierte das alles nicht. Nicht einmal aus Höflichkeit hörte er sich das Angebot der Italiener an, sondern machte von Anfang an klar, dass ein Wechsel für ihn – egal, unter welchen Umständen – nicht in Frage kommt. Als er schließlich im Sommer 2001 einen neuen Fünfjahresvertrag in Manchester unterschrieb, ging er noch einmal auf das Thema Inter ein: "Viele Leute sagen, dass englische Fußballer ins Ausland gehen sollten, damit sie bessere Spieler werden. Aber United spielt weltweit mit, also zählt das Argument aus meiner Sicht nicht", erklärte Scholes. "Warum sollte ich hier weggehen, wenn alles gut läuft? Ich habe keinen Grund, wegzugehen", fügte er entschlossen hinzu.
Diese Abwägung traf der Mittelfeldmann im Laufe seiner Karriere bei United dann später noch einige Male – und immer fiel die Entscheidung pro Manchester aus, bis er 2013 als Klub-Legende seine Laufbahn beendete. Man hätte es nach dem Sommer 2000 schon ahnen können.
