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Batuhan Karadeniz: Der Absturz des türkischen Heilsbringers


HINTERGRUND

Das Ahmet-Suat-Özyazici-Stadion liegt nur 100 Meter Luftlinie von der Küste des Schwarzen Meeres entfernt, aber richtig idyllisch ist es nicht. Kein Strand in Sicht, stattdessen Funkmasten und die Schnellstraße in direkter Nachbarschaft, die Start- und Landebahn des Flughafens der türkischen Großstadt Trabzon ebenso. Mit Champions League und Glamour hat das alles gar nichts zu tun – und doch kickt hier aktuell der Spieler, der nicht nur einen Traditionsverein in der Königsklasse zum Erfolg führen, sondern nicht weniger als den türkischen Fußball retten und voranbringen sollte. Dass Batuhan Karadeniz nun in der dritten Liga bei Hekimoglu Trabzon im Ahmet-Suat-Özyazici-Stadion, das nur 1200 Zuschauer fasst, vor wenigen Fans aufläuft, zeigt, dass aus den großen Vorhaben nichts geworden ist. Und das lag vor allem an Batuhan selbst.

Das große Versprechen gab der Stürmer vor rund 13 Jahren selbst ab: Überragende 226 Tore hatte er in 86 Spielen für die Besiktas-Jugend erzielt und war damit auf dem Zettel fast aller europäischer Top-Klubs gelandet. Aus Batuhan sollte ein ganz Großer werden – und nur am Anfang lief alles nach Plan. Mit nur 16 Jahren und 115 Tagen feierte er im August 2007 sein Debüt in der Süper Lig, bei seinem zweiten Einsatz gelang ihm in der Nachspielzeit das entscheidende Tor zum Sieg gegen Gaziantepspor. Der Hype war nicht mehr aufzuhalten. "Es gibt nicht viele Spieler, die ich als meine potenziellen Nachfolger sehe, aber Batuhan Karadeniz ist einer, der das Zeug dazu hat", sagte die türkische Stürmer-Legende Hakan Sükür.

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Bei der EM 2008 schaffte es die Türkei bis ins Halbfinale, das gegen Deutschland unglücklich 2:3 verloren ging. Zwar noch ohne Batuhan, doch er galt im fußballverrückten Land neben dem damals 21-jährigen Arda Turan als Heilsbringer. "Wenn er so weitermacht, wird er im Profibereich Rekorde aufstellen", meinte Nationaltrainer Fatih Terim und berief den Teenager konsequenterweise mit 17 Jahren bereits in die A-Nationalmannschaft. Batuhan debütierte gegen Bosnien und durfte mit nicht einmal 18 Jahren auch gegen den Europameister Spanien ran. An die Duelle mit Gerard Pique und Sergio Ramos erinnert Batuhan ab und an noch, wenn er Bilder auf Instagram postet – ein Rückblick in eine längst vergangene und bessere Fußball-Zeit.

Derby-Aussetzer macht Batuhan zum Sündenbock

Bergab ging es für Batuhan schon bei seinem dritten Süper-Lig-Einsatz: Im für Besiktas ungemein wichtigen Derby bei Fenerbahce lagen die Gäste mit 1:2 zurück, als der eingewechselte Stürmer in der 90. Minute die große Chance zum Ausgleich bekam. Er ging auf der linken Seite am herausgeeilten Torhüter Volkan vorbei. Anstatt den vor dem Tor freistehenden Federico Higuain zu bedienen, probierte er es selbst mit einem Abschluss, aber es kam nur ein harmloser Kullerball dabei heraus. Batuhan wurde für die Besiktas-Fans zum Sündenbock für das verlorene Derby und der Abstieg begann – mit gerade einmal 18 Jahren.

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Eine Leihe zu Eskisehirspor sollte Batuhan sportlich durchstarten lassen und das tat sie zunächst auch. Als es aber wieder zurück zu Besiktas ging, machte er klar, dass er sich seinen nächsten Klub selbst aussuchen möchte und brachte damit den mächtigen Präsidenten und die Fans gegen sich auf. Das, was Journalisten gerne unter "Disziplinprobleme" zusammenfassen, hatte Batuhan auch: Nachtklubbesuche, Alkoholeskapaden, Verspätungen bei Teamtreffen. "Er sitzt den ganzen Tag vor dem Computer. Wenn es so weitergeht, wird er mit dem Fußball bald nichts mehr am Hut haben", klagte sein Vater Orhan den Medien. 2013 gab Besiktas auf und verabschiedete sich vom einstigen Mega-Talent.

In der Jugend noch hatte Batuhan von seiner Physis profitiert: Mit einer Größe von 1,92 Meter und einem robusten Körperbau war er den Gleichaltrigen deutlich überlegen. Im Vergleich mit den Erstliga-Abwehrspielern waren seine Vorteile, trotz starker Technik, nicht mehr da. Als schließlich auch noch die Fitness deutlich nachließ, war Batuhan kein Erstliga-Spieler mehr. Und irgendwann auch kein Zweitliga-Spieler mehr. In schneller Abfolge wechselte er die Klubs, nie blieb er länger als ein Jahr. Und über Sanliurfaspor, Sakaryaspor, Adana Demirspor, Bandirmaspor und Tuzlaspor landete er schließlich im Sommer bei Hekimoglu Trabzon in der dritten Liga – in einem Mini-Stadion zwischen Funkmasten, der Schnellstraße und der Start- und Landebahn.

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