HINTERGRUND
Wer ist der beste Dribbler in den fünf großen Ligen Europas? Diese Frage hat in dieser Woche das Schweizer Institut CIES Football Observatory beantwortet – und als Sieger der statistischen Auswertung nicht etwa Lionel Messi, Neymar, Cristiano Ronaldo oder Eden Hazard präsentiert, sondern Adama Traore vom FC Middlesbrough. Obwohl die CIES-Analysen immer mit einigen Vorbehalten zu genießen sind, erstaunt das Resultat zweifelsohne.
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Die Anzahl der versuchten Dribblings wurde ins Verhältnis zur Erfolgsquote in den Eins-gegen-Eins-Situationen gesetzt – und bei dem Wert, den man dann erhält, lag der 21-jährige Spanier, der in der Jugend des FC Barcelona ausgebildet wurde, ganz vorne.
Ist Adama Traore also auf dem Weg, ein ganz Großer zu werden? Ein Talent, das es vielleicht sogar zurück zu seinem Heimatklub nach Katalonien schafft? Eine andere Statistik gibt eine schnelle und gnadenlose Antwort: 1463 Minuten stand der Flügelspieler in dieser Saison in der Premier League auf dem Platz – das ist mehr als ein kompletter Tag. Und in dieser Zeit gelang ihm genau ein einziger Assist.
Brenzlige Lage
Das war im Spiel gegen Hull Anfang April. Acht Dribblings versuchte Traore in diesem Match, alle gelangen ihm, er wurde sechsmal gefoult und bereitete drei Torchancen vor. Und wieder einmal erzählten die Werte nur die halbe Wahrheit und irgendwie die ganze Geschichte von Adama Traore, denn sein Team verlor das Match mit 2:4.
Medien: Real-Star vor Verlängerung
Middlesbrough hat als Aufsteiger in 33 Spielen nur 23 Treffer erzielt und steckt nach einem verheißungsvollen Start in die Saison inzwischen fast aussichtslos im Abstiegskampf. Der Tabellenvorletzte muss am Mittwoch unbedingt sein Nachholspiel gegen das Schlusslicht aus Sunderland gewinnen. Und selbst wenn das gelingen sollte, beträgt der Abstand zum rettenden Ufer vier Spieltage vor Schluss immer noch sechs Punkte.
Getty ImagesTraore behauptet gegen Swansea den Ball
Dass die schlimme Lage nun die alleinige Schuld Adama Traores ist, ist natürlich falsch. Aber der Mann, der im vergangenen Sommer für 8,5 Millionen Euro zum Aufsteiger geholt wurde, könnte einer der wenigen Akteure werden, die zweimal in Folge aus der Premier League absteigen. Denn bereits mit Aston Villa ging es für den Spanier in der vergangenen Spielzeit runter – und auch damals kamen große Zweifel an der Effektivität des Flügelspielers auf.
Keine Effektivität
Zu oft verlässt sich Traore nur auf seine Schnelligkeit und seine Dribblings, übersieht reihenweise seine Nebenleute und macht aus Eins-gegen-Eins-Situationen gerne mal Einer-gegen-Alle-Situationen. Wenn man an drei Gegenspielern vorbeizieht, aber noch konsequent den vierten ansteuert, anstatt zu passen, und dann die Kugel verliert, liegt die Erfolgsquote bei den Dribblings auch bei 75 Prozent – gebracht hat die ganze Aktion jedoch nichts.
Als Achtjähriger kam das Kind mit den Wurzeln in Mali zum großen FC Barcelona. In der berühmten Jugendakademie La Masia wurde er ausgebildet und reifte zu einem kleinen Star heran. Zusammen mit Munir El Haddadi bildete er den Barca-Angriff des Teams, das die erste Ausgabe der UEFA Youth League in der Saison 2013/14 gewann.
GOALPep Guardiola soll große Stücke auf Adama Traore gehalten haben und auch Tata Martino zeigte sich als Fan des Flügelspielers, dem er kurze Einsätze für Barcas Erste verschaffte. Ganz anders war die Situation unter Luis Enrique. "Ich bin mit der Leistung einiger Spieler der zweiten Mannschaft unzufrieden. Ich hatte mir mehr von ihnen erhofft", sagte der Barca-Trainer im Sommer 2015 und wurde noch genauer: "Adama? Ich möchte nicht über Spieler reden, die meiner Meinung nach keinen Platz in meiner Mannschaft haben."
Talent allein reicht nicht
Mit diesen Worten war die Karriere von Traore bei Barca offiziell vorbei – und es ging für ihn zu Aston Villa. Wie allerdings auch schon andere Ex-Talente der Katalanen wie Bojan Krkic feststellen mussten, reicht der Hype um einen vielversprechenden Spieler aus La Masia nicht aus, um sich in der harten Profi-Realität endgültig durchzusetzen. Bei Villa kam Traore zuletzt gar nicht zum Zug, da der Klub es angeblich verhindern wollte, dass nach einer bestimmten Anzahl von Pflichtspieleinsätzen eine automatische Gehaltserhöhung fällig wird.
Und auch bei Boro wird das Eis, auf dem sich Traore bewegt, immer dünner. Gegen Arsenal wurde er Mitte des Monats nur eingewechselt und zeigte in einer Szene das ganze Dilemma: Freistehend vor dem Tor konnte er sich nicht zwischen einem Schuss und einem Pass entscheiden, verlor den Ball und im Gegenzug erzielte Mesut Özil das Tor zum 2:1-Endstand für die Gunners.
Im Falle eines Abstiegs will Adama Traore den Klub mit Sicherheit verlassen, denn ein Zweitligaspieler ist er nach seinem Verständnis nicht. Die Frage ist nur, welcher Verein seine anderen Statistiken ausblendet und nur auf die Quote bei den Eins-gegen-Eins-Situationen und die Geschwindigkeit schaut, um dann zuzugreifen. Um Adama Traore nach seinem Dribbling ins Abseits zu erlösen.


