Quique Setien, Barcelona logoGetty composite

Barca-Coach Quique Setien: Feuerlöscher oder Cruyff-Erbe?


HINTERGRUND

Als Favoriten auf die Nachfolge des nach zähen Abfindungsverhandlungen am späten Montagabend beim FC Barcelona entlassenen Ernesto Valverde galten eigentlich Vereinsikone Xavi und der frühere Publikumsliebling Ronald Koeman. Beide sagten aber wegen ihrer aktuellen Jobs in Katar bzw. als niederländischer Nationaltrainer ab.

Daher war erwartet worden, dass Francisco Garcia Pimienta, Coach der zweiten Mannschaft von Barca, bis Saisonende als Platzhalter für Xavi eingesetzt wird. Doch stattdessen entschied sich der Vorstand des FC Barcelona für einen Mann ohne große Meriten auf der Trainerbank. "Setien, der Feuerlöscher", schrieb die Madrider Sportzeitung AS daher.

Anscheinend sind die Katalanen aber tatsächlich von den Qualitäten des 61-Jährigen überzeugt, sonst hätten sie ihm kaum gleich einen Zweieinhalbjahresvertrag bis 2022 gegeben – und damit eine Rückkehr von Xavi vorerst ausgeschlossen.

Barcas neuer Coach Setien Anhänger von Johan Cruyff

Der Grund liegt in der Spielphilosophie Setiens, die sich auf den Barca-Säulenheiligen Johan Cruyff beruft. "Ich hätte einen Finger dafür gegeben, um mit Johan zu spielen", hat er mal erzählt. Dafür reichte es für den Mittelfeldspieler zwar nicht, aber immerhin kam der Ex-Profi von Racing Santander (mehr als 300 Spiele) und Atletico Madrid auf drei Länderspiele und nahm an der WM 1986 teil.

Für die 2001 in seiner Heimatstadt Santander begonnene Trainerlaufbahn war Cruyffs Arbeit als Coach bei Barca (1988 bis 1996) allerdings noch weitaus prägender: attraktiver Fußball, Spielkontrolle, Ballbesitz, Pressing – auf diesen Grundlagen des Dream Teams basiert auch Setiens Spielauffassung.

"Ich erinnere mich, als Johan Cruyffs Barcelona kam", sagte Setien im vergangenen Jahr zu The Coaches Voice. "Du hast gegen sie gespielt und das ganze Spiel damit verbracht, hinter dem Ball herzulaufen. Ich sagte mir: Das ist es, was ich mag. Ich würde gerne in dieser Mannschaft sein und wissen, warum das so ist. Wie kann man eine Mannschaft dazu bringen, den Ball dauerhaft zu haben, sodass der Gegner ihn das ganze Spiel lang verfolgt?"

Das Mantra von Cruyff und seinem Schüler Pep Guardiola – "Wenn wir den Ball haben, kann niemand gegen uns ein Tor schießen" – verinnerlichte auch Setien, obwohl die Skepsis dagegen bei seinen ersten Stationen im unterklassigen Bereich sehr groß war.

"Als ich in Lugo in der Segunda B ankam, wurde mir gesagt, dass man dort nicht auf diese Weise Fußball spielen könne. Die Plätze waren nicht sehr gut und es gab nicht genügend gute Spieler, um das zu machen, sagten sie mir", sagte Setien. "Es ist wahr, dass technisch begabte Spieler die Aufgabe einfacher machen. Aber sie spielen besser und haben eine bessere Chance, den Gegner und seinen Druck zu überwinden."

Setien macht Karriere als Betis-Coach

In seiner bislang längsten Ära zwischen 2009 und 2015 führte er das Team aus dem galizischen Lugo in die zweitklassige Segunda Division A und schaffte dort dreimal relativ problemlos den Klassenerhalt. Im Herbst 2015 übernahm Setien dann den Abstiegskandidaten UD Las Palmas in der Primera Divison, schaffte die Rettung und verpasste im Jahr darauf nur knapp den Einzug ins internationale Geschäft.

Quique Setien Real BetisGetty Images

Das gelang dem Nordspanier bei seiner nächsten Station 2017: Die erste Saison bei Real Betis in Sevilla war sowohl statistisch als auch spielerisch die beste seit 2005 (Rang vier), am Ende gelang als Sechster der Sprung in die Europa League und fast noch wichtiger, in der Abschlusstabelle standen die Andalusier vor dem verhassten Lokalrivalen FC Sevilla.

Schon damals wurde Setien in Barcelona gehandelt, doch während Valverde nach dem Gewinn der Meisterschaft wieder fest im Sattel saß, verkrachte sich der Betis-Coach mit Sportdirektor Lorenzo Serra und trat nach einer schwachen Rückrunde trotz Vertrags bis 2020 im vergangenen Sommer zurück. Seine Kritiker bezeichneten ihn damals als sturen Egomanen, der sehr von sich und seinem Spielstil überzeugt sei und auch bei Misserfolg wenig Selbstkritik zeige.

Nun bekommt Setien, der sich nach dem Abschied unter anderem bei Pep Guardiola in Manchester fortbildete, "die große Chance seines Lebens" (Marca) und kann mit einem Weltklasse-Team seine Qualitäten auf höchstem Niveau unter Beweis stellen. Gelingt ihm das nicht, dürfte er allerdings beim erfolgshungrigen Barca auch sehr schnell wieder Geschichte sein.

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