HINTERGRUND
Diego Simeone, Trainer von Atletico Madrid, ist nicht gerade bekannt für die Ruhe, die er an der Seitenlinie ausstrahlt, wenn er seine Mannschaft betreut. Im Gegenteil: Der Argentinier gleicht eher einem Wirbelwind, ist ständig in Bewegung und redet unablässig auf seine Spieler und auch den Schiedsrichter ein.
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Wenn Simeone dann auch noch das Gefühl hat, dass sein Team vom Unparteiischen benachteiligt wird, kann es schon mal heiß hergehen. So wie im Halbfinal-Hinspiel der Europa League beim FC Arsenal, als Simeone den Schiedsrichter nach dem frühen Platzverweis für Atleticos Sime Vrsaljko beleidigte, deshalb auf die Tribüne musste und für vier Europapokal-Spiele gesperrt wurde. Im Europa-League-Finale der Madrilenen gegen Olympique Marseille (Mi., 20.45 Uhr im LIVE-TICKER) schlägt deshalb die große Stunde für Simeones Vertreter und Assistenten German Burgos, der die Colchoneros nun coacht – einen entspannteren Atletico-Dirigenten an der Seitenlinie darf man deshalb aber nicht erwarten.
Schmidt über Burgos: "Wahnsinn"
Roger Schmidt und Jose Mourinho werden das bestätigen können. In der Vergangenheit gerieten der damalige Leverkusen-Trainer und der Ex-Real-Coach bereits mit Burgos aneinander. "Der Co-Trainer ist ja der Wahnsinn. Er hat die ganze Zeit provoziert und wird immer wie ein Türsteher vorgeschickt", zeigte sich Schmidt nach einem Duell mit Atletico 2015 vom zweiten Mann der Madrilenen irritiert und kommentierte das Ganze konsterniert. Burgos macht Eindruck mit seinen 1,88 Meter und 90 Kilo, mit seinem aggressiven Auftreten und klaren Ansagen. "Ich bin nicht Tito: Ich reiße Dir den Kopf ab!", schleuderte der Argentinier Real-Trainer Mourinho 2012 entgegen, der zuvor dem damaligen Barca-Coach Tito Vilanova mit dem Finger ins Auge gestochen hatte.

Die Spieler-Karriere von Burgos, der in Argentinien und Spanien ein guter Erstliga-Keeper war und es bis zum Nationalspieler für die Albiceleste schaffte, und auch seine Jahre als Co-Trainer von Simeone sind geprägt von Ausrastern und Zwischenfällen: Als zweiter Mann der Madrilenen musste er 2014 im Derby gegen Real von sechs Offiziellen und Arda Turan zurückgehalten werden, als er wegen eines nicht gegebenen Elfmeters auf den Schiedsrichter losstürmen wollte. Als Keeper kassierte er eine Elf-Spiele-Sperre, weil er einen gegnerischen Spieler bewusstlos geschlagen hatte. Den Spitznamen 'El Mono' – der Affe – verdiente er sich durch solche Aktionen, seine langen Haare während seiner aktiven Zeit und die unkonventionellen Paraden, die er auf dem Platz zeigte.
Echte Team-Arbeit mit Diego Simeone
Bei all den Negativ-Schlagzeilen, die der 49-Jährige produziert, wird allerdings leicht übersehen, dass hinter der Rüpel-Fassade viel Fußball-Sachverstand steckt. Die Zusammenarbeit mit Simeone erfolgt auf Augenhöhe; wenn Burgos über die Verantwortlichen für den Atletico-Erfolg spricht, dann sagt er immer 'wir'. "Er verhält sich nicht so, als ob er über mir steht", sagte Burgos mit Blick auf Simeone. "Wir managen die Spieler. Wir stellen sicher, dass jeder weiß, was der andere macht. Wir sagen ihnen, dass wir jede Viertelstunde des Spiels gewinnen müssen", ergänzte er.
"Er passt sehr gut zum Chef", sagte Atletico-Kapitän Gabi über Burgos und unterstrich damit die Bedeutung des Assistenten. "Sie sind zwei starke Charaktere, aber sie teilen ihr Wissen und haben die gleichen Strategien. Wir vertrauen ihm", so der Mittelfeldspieler. Burgos gilt als der Mann hinter dem Defensivkonzept der Madrilenen, die mit einer kompakten Abwehr die Gegner in den vergangenen Jahren reihenweise zur Verzweiflung getrieben haben und die mit ihrem plötzlichen Pressing meist das Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben.
Getty ImagesGerman Burgos in einem seiner 35 Länderspiele für Argentinien
2014 erregte Burgos Aufsehen, als er mit einer Google-Glass-Brille an der Seitenlinie auftauchte und sich Spieldaten in Echtzeit anzeigen ließ. Das zeigt sein Bestreben, immer einen Schritt weiterzudenken und alles für den Erfolg zu tun.
Das wird er auch gegen Marseille als Hauptverantwortlicher neben dem Platz machen. "Wir müssen uns nicht einmal mehr ansehen, um zu wissen, was wir machen wollen", wischte Simeone schon vor dem Halbfinal-Rückspiel gegen Arsenal jeden Zweifel weg, dass die Aufgabe für den Ex-Keeper zu groß sein könnte. Simeone weiß, dass er einen würdigen Vertreter hat, wenn es um das lebhafte Coachen geht. Eben 'El Mono' – den Affen an der Seitenlinie.


