HINTERGRUND
Wahrscheinlich fühlte sich Didier Drogba besonders verpflichtet, alles auch nur irgendwie Mögliche dafür zu tun, dass der große Traum des FC Chelsea vom Champions-League-Triumph wahr werden kann. Klar, er hatte die Engländer mit seinem Kopfballtreffer zum 1:1 kurz vor Ende der regulären Spielzeit überhaupt erst in die Verlängerung gerettet. Aber nun war eben er es gewesen, der Franck Ribery im eigenen Strafraum zu Fall brachte und damit einen Elfmeter verursachte.
Die Verlängerung war noch sehr jung, es lief die 94. Minute. Bayern hatte das Finale in der heimischen Allianz Arena bis hierhin dominiert - und eigentlich war allen klar: Sitzt dieser Elfmeter, wird Chelsea vermutlich nicht mehr zurückkommen, werden die Münchener sich im mit Spannung erwarteten "Finale Dahoam" 2012 zum Champion Europas krönen.
Ribery wurde nach Drogbas Foul einige Minuten behandelt, für Arjen Robben muss sich das angefühlt haben wie eine Ewigkeit. Der Niederländer hatte sich den Ball geschnappt, bereitete sich vor auf diesen möglicherweise goldenen Moment. Viele Bayern-Fans im Stadion, am Fernseher oder vor der Public-Viewing-Leinwand hätten sich vermutlich einen anderen Schützen gewünscht. Schließlich hatte Robben gut einen Monat zuvor, beim letztlich vorentscheidenden Spiel um die Deutsche Meisterschaft in Dortmund, einen Elfmeter kläglich vergeben.
Getty Bild: Getty Images Drogba wusste das vermutlich auch. Doch der Ivorer wählte einen anderen Ansatz, um Robben noch mehr zu verunsichern, um ihm die Konzentration zu nehmen. Wie der damals 34-jährige Stürmer in seiner 2015 erschienenen Biografie Commitment schreibt, redeten er und Teamkollege Frank Lampard auf den Bayern-Star ein. "Ich sagte: 'Arjen, du bist ein Chelsea-Spieler, das kannst du nicht tun'", spielte Drogba auf Robbens Vergangenheit bei den Blues an, für die er von 2004 bis 2007 spielte.
Didier Drogba zu Arjen Robben: "Wir wissen sowieso, wohin du schießen wirst"
"Tu es nicht. Außerdem wissen wir sowieso, wohin du schießen wirst", fuhr Drogba fort. Und auch John Obi Mikel nutzte die längere Pause zwischen Elfmeterpfiff und Ausführung, um auf Robben einzuwirken. "Ich bin direkt zu Arjen Robben gelaufen und habe gesagt: 'Ich sag's dir, du wirst verschießen. Du wirst definitiv verschießen'", verriet Mikel später.
Äußerlich ließ sich Robben nichts anmerken, wirkte fest entschlossen, als er sich den Ball schließlich unter genauer Beobachtung von Schiedsrichter Pedro Proenca auf den Punkt legte. Doch was folgte, ist allen deutschen Fußball-Fans schmerzlich bekannt: Robben schoss aus seiner Sicht nach unten rechts - zwar fest, aber nicht sonderlich platziert.
Chelsea-Keeper Petr Cech ahnte die Ecke, hatte etwas Glück, dass der Ball nicht unter ihm durchrutschte und begrub ihn letztlich vor dem verzweifelt anstürmenden und auf einen Nachschuss hoffenden Robben unter sich. "Es funktionierte, sein Schuss war definitiv schwächer als sonst und Petr Cech konnte ihn halten", schreibt Drogba.
Bastian Schweinsteiger hatte nicht hinschauen wollen, fieberte im eigenen Strafraum gemeinsam mit Manuel Neuer. Mit versteinerter Miene drehte sich Schweinsteiger, der später im Elfmeterschießen ebenfalls zum tragischen Helden werden sollte, wieder um, als er an Neuers Reaktion und dem tosenden Aufschrei der englischen Fans merkte, dass Robben gescheitert war.
Bayerns letzten Elfmeter vergab Schweinsteiger etwa eine Dreiviertelstunde später, dann kam Drogbas großer Auftritt und er machte Chelsea mit dem entscheidenden Strafstoß zum Champions-League-Sieger 2012. Robben war nicht noch einmal angetreten. "Er hat sich nicht mehr sicher gefühlt", erklärte der damalige Bayern-Coach Jupp Heynckes später.
