Als PSG-Star Angel Di Maria mit 16 vor der Wahl stand: Holzkohleträger bei seinem Vater oder Profi werden


HINTERGRUND

Angel Di Maria (PSG) kennt sich aus mit großen Finalspielen. 2008 wurde er mit Argentinien Olympiasieger, 2014 holte er mit Real Madrid die Champions League, ehe er Wochen später als Teil der Albiceleste mit einem Muskelbündelriss zusehen musste, wie seine Mannschaftskameraden Deutschland im WM-Finale von Rio de Janeiro unterlagen.

2015 und 2016 griff er zudem mit der Nationalelf nach dem Pokal in der Copa America, doch zweimal musste man sich den Chilenen im Elfmeterschießen geschlagen. Am Sonntag steht nun also mit dem Champions-League-Finale gegen den FC Bayern Di Marias nächstes Endspiel auf der ganz großen Bühne an. Dabei stand seine Fußballerkarriere ganz dicht vor dem Aus, als der Angreifer 16 Jahre alt war.

Der Reihe nach: Den Di Marias ging es finanziell lange gut, doch dann traf Angels Vater eine folgenschwere Entscheidung. Aus Gutmütigkeit bürgte er für die Hypothek eines Freundes und es kam, wie es kommen musste. Der Freund fiel mit den Zahlungen zurück und tauchte unter. Plötzlich standen zwei Häuser auf der Ausgabenliste – und die Familie geriet in eine finanzielle Notlage.

Sein Vater begann, auf dem eigenen Grundstück Holzkohle zu verarbeiten. "Die Wände unseres Hauses sollen einmal weiß gewesen sein, aber daran habe ich keine Erinnerung mehr. Zu Beginn waren sie grau, später waren sie einfach nur schwarz" erinnerte sich der heutige PSG-Star bei The Players' Tribune zurück. Es war eine harte Arbeit und der kleine Angel und seine Schwester mussten vor und nach der Schule helfen.

"Es war oft kalt und regnete. Wir hatten nur dieses dünne Dach über unserem Kopf. Das war sehr hart." Auch ein Grund, warum sich Di Maria auf die Schule freute: "Dort war es warm", erzählte er. Sein Vater schuftete jeden Tag von früh bis spät und in Di Maria reifte der Entschluss, dass sich irgendwann alles zum Guten ändern müsse.

Nach 64 Toren in einer Saison: Di Maria kommt ins Radio

Hier kam Fußball ins Spiel. Den Start seiner Karriere hat er einem argentinischen Arzt zu verdanken. Mit seiner unendlichen Power trieb der Junge seine Mutter regelmäßig in den Wahnsinn. "Als ich vier Jahre alt war, zerrte sie mich zum Doktor und sagte zu ihm: 'Er hört einfach nicht auf, herumzurennen. Was soll ich machen?'", verriet Di Maria. Die Antwort des Arztes? Sie solle ihn zum Fußball schicken.

Der kleine Junge wurde schnell von seinem neuen Hobby gepackt. Er spielte so viel, dass seine Mutter alle zwei Monate seine Schuhe richten musste, für neue war das Geld zu knapp. Di Maria war gut, ja er war sogar so gut, dass er mit sieben Jahren zum örtlichen Radiosender eingeladen wurde, nachdem er 64 Tore für seine Mannschaft erzielt hatte.

Es dauerte nicht lange, bis sich mit Rosario Central der erste große Klub meldete und einen Familienzwist auslöste. Di Marias Vater ist großer Fan von den Newell's Old Boys, dem Erzrivalen, das Herz der Mutter hingegen schlägt für Rosario Central. Bei den Spielen ging es innerhalb der Familie zuvor bereits immer hoch her, so groß ist die Rivalität.

Di Marias Mutter fährt ihn mit dem Fahrrad zum Training

Kein Wunder, dass der Vater nicht unbedingt angetan von der Idee war. "Es ist zu weit weg, das sind neun Kilometer! Wir haben kein Auto, wie willst du ihn dort hinbringen?", fragte er die Mutter. Da sie Feuer und Flamme war, fand sie einen Weg – auch wenn der Aufwand enorm war.

Da sie gleichzeitig auch auf ihre Tochter aufpassen musste, wurde das einzig vorhandene Fahrrad umgebaut. "Mein Vater hat eine Holz-Plattform an der Seite angebracht. Stellt euch dieses Bild vor: Eine Frau fährt mit ihrem Rad durch die Stadt, der Sohn auf dem Rücksitz, die Tochter auf der Seite und im Korb vorne befanden sich meine Fußballschuhe und ein paar Snacks", erzählte Di Maria.

Doch bei Central sollte es nicht optimal laufen. Er war seinen Mitspielern körperlich unterlegen und als er einen Trainer bekam, der auf physisch starke Spieler setzte, dachte er das erste Mal ans Aufhören. Seine Mutter hielt ihn davon ab.

Di Maria Rosario CentralGetty

Auch mit 16 war er noch klein und schmächtig, ein Platz bei den Profis schien außer Reichweite. Eines Tages wurde es beim Abendessen ernst. "Du hast jetzt drei Optionen", sagte sein Vater. "Du kannst bei mir arbeiten, deine Schule beenden oder es noch ein Jahr beim Fußball versuchen. Aber wenn es dann nicht geklappt hat, arbeitest du bei mir."

Di Maria war hin- und hergerissen. Er wusste, dass es der Familie an Geld mangelte. Also entschied die Mutter für ihn, er soll es noch ein Jahr bei Central versuchen.

Es sollte elf Monate dauern, aber letztlich kam er innerhalb der familieninternen Frist zum Debüt in Argentiniens erster Liga. Was folgte, war eine unglaubliche Reise mit Etappen bei mehreren Spitzenklubs. 2007 wagte er den Schritt nach Europa zu Benfica, drei Jahre später holte ihn Real Madrid, wo er sich 2014 mit dem Henkelpott verabschiedete. Über eine missglückte Spielzeit in England bei Manchester United landete er 2015 schließlich bei Paris Saint-Germain.

Insgesamt 179 Millionen Euro wurden im Laufe der Karriere für seine Dienste auf den Tisch gelegt. Geldsorgen hat seine Familie logischerweise längst nicht mehr. Existenzängste wurden ad acta gelegt, stattdessen strebt Di Maria auch nach 26 Titeln noch nach sportlichen Erfolgen – gegen die Bayern soll sein zweiter und für PSG endlich der erste Champions-League-Titel der Klubgeschichte her.