Alvaro Carreras TT gfxGetty/GOAL

Xabi Alonsos neuer Linksverteidiger: Alvaro Carreras' Weg durch den englischen "Schlamm" zurück zu Real Madrid

Fußball-Profis schaffen es auf höchst unterschiedliche Art und Weise bis an die Spitze. Einige werden schon in jungen Jahren zu Toptalenten auserkoren und landen dann auch tatsächlich in der Weltspitze. Bei Real Madrid gehören Trent Alexander-Arnold, David Alaba und Kylian Mbappe zu dieser Sorte. Dann gibt es die Spätzünder, die ihre Profi-Karriere in kleineren Vereinen angefangen haben und sich über mittelmäßige Vereine bis in die Elite hochgearbeitet haben, wie beispielsweise Antonio Rüdiger.

Auch Alvaro Carreras gehört zu dieser Sorte von Spielern. Der Spanier verließ 2020 die Jugendabteilung von Real, ging in die U23 von Manchester United und scheiterte dort fatal. Danach wurde er "in den Schlamm" zu Preston North End ausgeliehen - und nach Granada, bevor er ManUnited schließlich ohne eine einzige Spielminute verließ und zu Benfica Lissabon wechselte.

In Portugal nahm seine Karriere jedoch endlich Fahrt auf. Wie Carreras' Trainer Bruno Lage gegen Ende der letzten Saison sagte: "Als ich hierherkam, galt Alvaro als Versager. Aber jetzt wollen Real Madrid und Atletico Madrid ihn verpflichten." Die Blancos haben den Transferpoker letztlich gewonnen und zahlen eine Ablöse in Höhe von 50 Millionen Euro, im Gegenzug wechselt Rafael Obrador für fünf Millionen Euro zu Benfica. Bei Real ist Carreras nach Dean Huijsen und Trent Alexander-Arnold der nächste hochkarätige Defensiv-Neuzugang und soll die wacklige Abwehr nach dem 0:4-Debakel gegen PSG bei der Klub-WM stabilisieren.

  • Carreras begann seine Laufbahn als Stürmer

    Carreras wurde im spanischen Ferrol in Galicien, also dem Nordwesten Spaniens, geboren und wuchs auch dort auf. Mit nur vier Jahren trat er dem lokalen Verein Racing de Ferrol bei und begann in der Jugend nicht etwa als Verteidiger - sondern als Stürmer. "Ich habe es geliebt, Tore zu schießen", erzählte er einst im Interview mit der spanischen Zeitung Marca. "In einer Saison bei Racing habe ich 100 Tore geschossen!"

    Anschließend wechselte Carreras zum lokalen Spitzenklub Deportivo La Coruña, wo er zum Linksverteidiger umgeschult wurde. Er gab zu, dass das Schwierigste an der Umstellung die Defensivarbeit und das Zurücklaufen in die eigene Hälfte war.

    2017 wechselte Carreras dann in die Jugendabteilung von Real Madrid. "Es war eine schwierige Entscheidung", verriet er später. "Ein guter Schritt, aber ein harter. Ich musste mein Zuhause verlassen und 600 Kilometer weit wegziehen, um meinen Traum, Fußballer zu werden, zu verwirklichen."

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  • Carreras konnte sich bei ManUnited nicht durchsetzen

    Drei Jahre später wagte Carreras einen noch mutigeren Schritt und wechselte inmitten der Covid-19-Pandemie nach England - zu Manchester United. "Es war eine weitere schwierige Entscheidung, aber ich glaube, es war die richtige", erklärte er. "Meine Eigenschaften passen perfekt zum englischen Fußball. Ich wollte nach England kommen, um mich in der Verteidigung zu verbessern und ein 10/10-Spieler zu werden. Und es ist unmöglich, sich nicht zu verbessern, wenn man jeden Tag mit Cristiano Ronaldo, Juan Mata, Jadon Sancho und Marcus Rashford trainiert."

    Carreras erzielte in seinen zwei Spielzeiten in der Jugendmannschaft von United sechs Tore und lieferte elf Vorlagen. Besonders beeindruckend war seine Leistung für die U21 gegen den FC Chelsea, gegen den er einen sehenswerten Treffer zum 1:1 erzielte.

    Der Spanier konnte sich jedoch nicht für die erste Mannschaft von United empfehlen. Zunächst versperrten ihm Alex Telles und Luke Shaw den Weg. Dann veranlasste ihn die Neu-Verpflichtung von Tyrell Malacia im Sommer 2022 dazu, auf Leihbasis zum Zweitligisten Preston zu wechseln. Carreras bestritt dort in der Saison 2022/23 39 Spiele und lieferte sechs Vorlagen.

    Im Sommer 2023 nahm er dann an den Sommer-Testspielen von United gegen Leeds United und Olympique Lyon teil, wurde jedoch bei allen wichtigen Spielen der USA-Tour nicht berücksichtigt. Carreras kam nur gegen Wrexham zum Einsatz - dem Linksverteidiger gelang es dabei, den einzigen Treffer der Red Devils für seinen spanischen Landsmann Marc Jurado vorzubereiten.

  • Alvaro Carreras BenficaGetty

    Erik ten Hag wollte Carreras nicht

    Carreras stand auch im letzten Vorbereitungsspiel gegen den Athletic Club aus Bilbao in der Startelf. Seine Hoffnungen auf sein Debüt in der ersten Mannschaft wurden weiter geweckt, als Shaw sich im zweiten Spiel der Saison gegen Tottenham verletzte und Malacia sich einer Knieoperation unterziehen musste. Doch anstatt Carreras eine Chance zu geben, entschied sich der damalige Trainer Erik ten Hag, Sergio Reguilon von Tottenham auszuleihen.

    Carreras wurde stattdessen an Granada abgegeben, wo er eine frustrierende Zeit erlebte und nur fünf Spiele für eines der schwächsten Teams LaLigas bestritt. Seine mangelnden Einsatzchancen führten dazu, dass United die Leihe abbrach und ihn im Januar 2024 zu Benfica Lissabon schickte, wo seine Karriere endlich in Schwung kam.

    Nach einigen enttäuschenden ersten Monaten, in denen er nur sporadisch zum Einsatz kam, erhielt Carreras unter dem neuen Trainer Bruno Lage eine Chance - und nutzte sie. Im November 2024 erzielte er dann sogar zwei Tore in einer Woche: eines mit dem linken Fuß gegen Farense und eines mit dem rechten Fuß beim 4:1-Kantersieg gegen den FC Porto.

    Carreras' Form bei Benfica führte zu sofortigen Vergleichen mit Alejandro Grimaldo, ebenfalls spanischer Linksverteidiger, der bei Benfica zur festen Größe wurde.

    Im November 2024 erklärte Carreras gegenüber Marca, warum er plötzlich so gut spielte und stichelte dabei gegen ManUnited: "Ich glaube, wenn man etwas verdient, bekommt man es irgendwann auch", sagte er. "Ich hatte das Gefühl, bei United noch eine Rechnung offen zu haben. Wenn man keine Chance bekommt, muss man gehen und sich beweisen. Ich musste mich in der Championship beweisen. Bei Granada habe ich mich dann nicht so gut eingelebt, aber man muss rausgehen und zeigen, was man kann. Wenn man Talent hat, wird es irgendwann jemand erkennen."

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    Carreras lernte "im Schlamm"

    Carreras' größte Stärke ist sicherlich sein Dribbling. Er ist schnell und überwindet seine Gegenspieler gerne mit Tricks. Mit seinem starken linken Fuß kann er gut schießen und flanken, gelegentlich zieht er sogar nach innen und schließt mit rechts ab. Sein neuer Trainer Xabi Alonso könnte ihn deshalb auch bei Ballbesitz ins defensive Mittelfeld ziehen oder ihn in einer Fünferkette spielen lassen.

    Auch in der Defensive hat Carreras große Fortschritte gemacht, was er auf sein Jahr bei Preston zurückführt. Er erklärte gegenüber Marca: "Ich glaube, dass ich defensiv am meisten gelernt habe, als ich in den Schlamm der englischen Championship gegangen bin. Ich war ein Jahr lang auf Leihbasis bei Preston und habe mich dort sehr verbessert. Ich war fokussierter, weil mir das Offensivspiel immer leicht gefallen ist, aber defensiv musste ich mich mehr konzentrieren." Gerade seine Grätschen hat er auf der Insel perfektioniert und ist noch aggressiver geworden.

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    Zweifel an Konstanz und Erfahrung

    Carreras' Spielweise weist keine offensichtlichen Schwächen auf. Doch noch stehen Fragzeichen hinter seiner Konstanz. Wird er seine guten Leistungen nach nur einer vollen Saison bei Benfica auch bei Real zeigen können? Ist die Ablösesumme von wohl 50 Millionen Euro zu hoch?

    "Ich mag ihn, aber die Summe erscheint mir sehr hoch", erklärte beispielsweise der spanische Marca -Journalist Carlos Carpio. "Ich finde es seltsam, dass Real Madrid so viel Geld für einen Fußballer mit so wenig Erfahrung ausgibt."

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    Wie wird sich Carreras unter Alonso zurechtfinden?

    Wird Carreras unter Alonso auf Anhieb zum Stammspieler bei Real? Bei der Ablöse könnte das gut möglich sein. Doch Fran Garcia und der aktuell noch verletzte Ferland Mendy werden alles geben, um selbst spielen zu dürfen.

    Carreras könnte davon profitieren, dass Alonso regelmäßig im 3-4-3-System spielen lässt, das er schon bei Bayer Leverkusen bevorzugt hat - hier könnte der Linksverteidiger gerade seine offensiven Stärken noch besser zur Geltung bringen. Wird er bei Real zum Stammspieler, dürfte eine erste Nominierung für die spanische Nationalmannschaft nicht mehr weit sein.

    Nach seinem steinigen Weg in die Spitze muss sich Carreras dort zunächst etablieren und festbeißen.