Tommy KäßemodelIMAGO / Picture Point

"Wir sprachen schon darüber, mich mal für fünf Minuten zu bringen": Tommy Käßemodel avancierte als Zeugwart zum Profi und wurde als schlechtester Spieler zur FIFA-Legende

Es muss irgendwann im September 2017 gewesen sein, als Tommy Käßemodel, "von klein auf großer FIFA-Zocker", erstmals die neueste Ausgabe des berühmten Fußball-Videospiels in die Hand nahm. FIFA 18 war gerade erschienen und natürlich musste auch er so schnell es ging los zocken.

Das Erstaunliche: Plötzlich war er selbst Teil des Spiels. Tommy Käßemodel, von Beruf eigentlich Zeugwart, konnte in FIFA 18 sich selbst spielen. Und damit nicht genug: Zwar war er mit einer Gesamtstärke von 46 der schwächste deutsche Spieler der Simulation, wurde aber gerade deshalb zur Legende und war plötzlich nicht nur deutschlandweit, sondern sogar international bekannt. 

Wie es dazu kam? Dahinter steckt eine sehr kuriose Geschichte, die Käßemodel im Interview mit SPOXnun erstmals selbst erzählte.

  • Tommy Käßemodel spielte in der Jugend und zweiten Mannschaft für Erzgebirge Aue

    Der heute 37-Jährige verfolgte einst den großen Traum, Fußballprofi zu werden. Und er hatte durchaus Talent, schließlich schaffte er es als Jugendspieler in den Nachwuchsbereich von Drittligist Erzgebirge Aue. "Ich wurde mit 13 Jahren ganz klassisch bei einem Jugendspiel entdeckt", blickte Käßemodel, seines Zeichens Mittelfeldspieler, bei SPOX zurück. Fortan durchlief er bei Aue, das seit Beginn des Jahrtausends zwischen Dritt- und Zweitklassigkeit pendelt und dabei meist in der 2. Bundesliga spielte, die Nachwuchsteams und schaffte es später auch in die zweite Mannschaft.

    Für den Sprung zu den Profis reichte es nicht ganz, dennoch durfte er hin und wieder hineinschnuppern, mittrainieren oder bei Testspielen auf dem Platz stehen. "Da konnte ich gut mitschwimmen, aber man bekommt ja mit der Zeit ein Gefühl dafür, ob man wirklich eine echte Option ist oder nicht. Das war dann leider nicht der Fall", erzählte Käßemodel. Mit 24 war das Kapitel zweite Mannschaft beim FC Erzgebirge dann vorbei. Er wechselte zurück zum Heimatverein FC Stollberg, blieb aber als Jugendtrainer in Aue.

    Ansonsten studierte er an der TU Chemnitz und jobbte bei Kaufland. Bis kurz vor Silvester 2015 ein Anruf alles veränderte und den Grundstein für Käßemodels ganz besondere Geschichte legte.

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  • Tommy KäßemodelIMAGO / pmk

    Auf einen Einsatz in der 2. Bundesliga hoffte die FIFA-Legende vergeblich

    Da Aue für das Wintertrainingslager einen Zeugwart brauchte, bot der Verein ihm eine entsprechende Aushilfsstelle an. "Das Ganze war für mich natürlich sofort interessant. Ich musste das aber erst bei Kaufland abklären. Als ich dort anrief und um zehn Tage Urlaub bat, wurde der mir glücklicherweise gewährt. Drei Tage später sind wir in die Türkei losgeflogen", erinnert sich Käßemodel.

    Wie man beim FC Erzgebirge eigentlich ausgerechnet auf ihn gekommen sei? "Man hat es mir einfach zugetraut. Ich würde mich als zuverlässig, belastbar und unkompliziert im Umgang beschreiben. Zudem war ich jung, flexibel und hatte als Student auch Zeit", erklärte Käßemodel, seinerzeit 27 Jahre alt.

    Aus der Aushilfe beim Trainingslager ergab sich, dass er bis zum folgenden Sommer auch bei Auswärtsspielen dabei war und weiterhin als Zeugwart arbeitete. Als Aue am Ende der Saison 2015/16 der direkte Wiederaufstieg aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga gelang, brauchte es dann einen hauptamtlichen Zeugwart. Und Käßemodel hatte sich derart bewährt, dass er die Stelle bekam.

    Doch - zumindest auf dem Papier - blieb es eben nicht bei der Tätigkeit als Zeugwart. Denn Aue benötigte für die Saison 2016/17 noch einen von der Ausländerregelung vorgeschriebenen vierten sogenannten Local Player, der im Alter zwischen 15 und 21 vier Jahre lang vom Verein ausgebildet wurde. Und da Käßemodel diese Voraussetzungen ja erfüllte, kam man auf ihn und klärte die Sache auf zwar sehr ungewöhnlichem, aber kurzem Dienstweg - und der Zeugwart unterschrieb plötzlich einen Profivertrag.

    "Ich bekam auch offizielle Spielkleidung und Autogrammkarten. Meine Trikots von damals liegen bei mir heute natürlich noch im Schrank", sagte Käßemodel. Von der Anfrage sei er zunächst "perplex und überrascht" gewesen. "Gleichzeitig war ja von Beginn an klar, dass ich weder mit dem Team trainieren noch zum Einsatz kommen werde. Niemand von uns konnte sich zudem zu dem Zeitpunkt ausmalen, welch extreme Wirkung dieser Schachzug noch entfalten würde."

    Seine Aufgaben als Zeugwart wurden indes immer umfangreicher: "Ich war dann auch so etwas wie Teammanager", beschreibt Käßemodel, der aktuell weiterhin die U15 von Aue trainiert. Zwei Jahre lang war er offiziell Profi beim FC Erzgebirge - und natürlich hegte er insgeheim die Hoffnung, möglicherweise mal in einem Zweitligaspiel im Kader zu stehen oder gar eingewechselt zu werden. Schließlich hatte er ja auch einst an der ersten Mannschaft geschnuppert und verfügte durch seine Zeit bei Aues B-Team über reichlich Oberliga-Erfahrung.

    "Ich weiß nicht, ob wir es wirklich durchgezogen hätten, aber wir sprachen schon darüber, mich mal für fünf Minuten zu bringen", verriet Käßemodel. Und offenbar hätte es bei einer günstigeren Konstellation tatsächlich zu einem Einsatz kommen können: "Dann war es aber so, dass wir in meiner ersten Saison vor dem letzten Spieltag in Düsseldorf leider noch nicht gerettet waren. Das wäre der Höhepunkt gewesen", blickte Käßemodel zurück.

  • Tommy Käßemodel wird zur FIFA-Legende: "Ich bin auf der Straße erkannt worden"

    Hätte der primär eigentlich als Zeugwart angestellte Käßemodel sein Profidebüt gefeiert, hätte das sicherlich für Schlagzeilen gesorgt. Doch wenig später bekam der Mittelfeldmann seine Schlagzeilen dann ja doch noch. Denn sein Auftauchen in FIFA 18 löste schnell einen regelrechten Hype aus, der ihm sogar internationale Bekanntheit einbrachte.

    "Ich habe ziemlich zügig eine gewisse Bekanntheit erreicht und bin auf der Straße erkannt worden. Oft kam die Frage: Hey du Legende, können wir bitte ein Bild zusammen machen?", sagt Käßemodel. "Da wurden Tommy-Käßemodel-Fanpages erstellt, ich stand in einer Traumelf, in die ich es neben gestandene Profis und Stars geschafft habe und manchmal kam bei den Nominierungen der Nationalmannschaft sogar die Frage: Warum fehlt Tommy Käßemodel?"

    Auch rund um Erzgebirge Aue wurde Käßemodel nach der FIFA-Sache "recht schnell zum Star. Ich weiß noch, wie wir mal ein Abendspiel in Duisburg hatten. Vormittags wurde noch trainiert. Als wir dann Richtung Platz liefen, standen drei, vier Leute in der Nähe und haben mich eher erkannt als die Zweitligaprofis. Oder in Bielefeld, wo wir nach fünf Minuten 0:2 zurücklagen, alle die Schnauze voll hatten und die Fans plötzlich sangen: Tommy Käßemodel - schieß ein Tor!"

    Die ganze Sache mit der unverhofften und so kurios entstandenen Berühmtheit löst in ihm "ein wunderbares Gefühl" aus, betont Käßemodel. Sein Rating von nur 46 ist ihm - natürlich mit einem Augenzwinkern - allerdings stets ein Dorn im Auge gewesen. "Natürlich eine einzige Frechheit", lachte Käßemodel. "23 bei Geschwindigkeit ist schon echt bitter. Ich kann ja wirklich Fußballspielen. Es ist schon schade, dass man mich nur als 46 eingestuft hat. Die Entwickler des Spiels werden aber bestimmt irgendwelche Kriterien haben. Da ich ja keine Daten als Profifußballer aufweisen konnte, kam vermutlich dieser Wert heraus."

    Als Zeugwart arbeitet Käßemodel seit 2020 übrigens nicht mehr, da sich "unterschiedliche Ansichten bezüglich des Jobs" ergaben, wie er sagt. Ob er denn noch einmal als Zeugwart arbeiten würde? "Wenn ich dadurch noch einmal Profispieler werde und im neuesten Videospiel auftauche, dann gerne", sagt er lachend.

  • Tommy KäßemodelIMAGO / Picture Point LE

    Tommy Käßemodel: Steckbrief

    • Geburtsdatum: 9. August 1988
    • Größe: 1,73 Meter
    • Position als Spieler: Defensives Mittelfeld
    • Pflichtspiele für Aue II: 104 (8 Tore, 4 Vorlagen)
    • Aktueller Trainerjob: U15 Erzgebirge Aue